Man kann davon ausgehen, dass die Weltraumforschung den derzeit höchsten Stand von Naturwissenschaft und Technik spiegelt, wenngleich sie anwendungsbedingt nur Teilthemen abdeckt. Andererseits umfasst sie fast alle relevanten Sparten, die »am Boden« im Fokus stehen. Das sind Kybernetik/künstliche Intelligenz, Robotertechnik und Werkstoffentwicklung ebenso wie Biotechnologie, Nanotechnik und Bionik – nur eben auf höherem Niveau. Denn die Substanz dieser Sparten unter den Bedingungen des Alls zu schultern, heißt meist, sie auf Erden zu beherrschen. Gleichzeitig eröffnet das Experiment im Weltraum Möglichkeiten, die der schwerkraftgebundene Planet ausschließt.
Eines allerdings dürfte auch künftig nur am Erdboden stattfinden – obwohl es, zumindest in Teilen, den Kosmos betrifft: der Protonenbeschuss im Teilchenbeschleuniger. Was derzeit im »Large Hadron Collidor« (LHC) der Europäische Organisation für Kernforschung (CERN) abgeht, ist schon vom Apparatetechnischen her wenig alltauglich. Im Mittelpunkt steht ein 27 km langer ringförmiger Tunnel, dessen Innenraum von Magneten umgeben ist. In ihm wollen Forscher Milliarden von Wasserstoff-Protonen mit annähernder Lichtgeschwindigkeit aufeinander jagen – um aus entstehenden Fragmenten auf die Situation nach dem Urknall zu schließen. Fachleute halten dies für das bisher spektakulärste Experiment überhaupt, schließen dabei aber Risiken völlig aus – auch die durch sogenannte »schwarze Löcher«, die »die Erde verschlingen« könnten /44/. Nach einer eher abseitigen Theorie, so die Mehrheit der Experten, könnten »schwarze Löcher« zwar entstehen, würden aber unmittelbar darauf zerfallen – aus Energiemangel. Im Weltall seien Zusammenstöße in der vom CERN geplanten Art gang und gäbe – sogar auf weit höheren Energieniveaus. Wären diese Kollisionen mit »materieverzehrenden« Folgen verbunden – man wüsste es /45, 46/.
Ein Prozess der Kritiker, der die Versuche am Teilchenbeschleuniger stoppen sollte, ging 2008 verloren /53/.
Obwohl CERN-Experten zugeben, dass sie nicht einmal 5 % des Universums verstehen, verfolgen sie die Versuche mit großer Akribie – und hoffen, in den riesigen Detektoren auf die in ihrem »Baukasten« noch fehlenden Higgs-Teilchen zu stoßen (Zur Erklärung: Die Higgs sind Gegenstand einer Hypothese. Sie werden als mögliche Bestandteile im Standardmodell der Elementarteilchenphysik vorhergesagt).
Was die Forscher treibt, sind Fragen, die sie vermutlich nie restlos beantworten können: Woraus besteht das Universum? Wie entstand es, und wodurch wird es zusammengehalten? Wo stecken dunkle Materie und dunkle Energie, wenn die bekannte Materie bislang nur 4 % unseres Universums ausmacht? /46, 54/. Gibt es die vermutete Symmetrie zwischen Materiebausteinen und sogenannten »Feldquanten« und folglich für jedes »normale« Teilchen einen »supersymmetrischen« Partner? Auch die sogenannte Stringtheorie, die Gravitationskraft und Quanten zusammenbringen möchte, harrt ihrer Bestätigung /54/.
Für absehbare Zeit allerdings dürfte es beim Halbwissen bleiben. Technische Schwierigkeiten haben im Herbst 2008 zum Abbruch der ersten Anlauf-Tests geführt.
Das CERN birgt seine Absonderlichkeiten. Es befindet sich auf exterritorialem Gebiet, wird von einem 20-köpfigen internationalen Gremium (Rat des CERN) geführt und agiert wie ein selbständiger Staat. Ein wissenschaftlicher Beirat von unabhängigen Experten soll das Tun vor Ort überwachen – wird allerdings vom CERN selbst berufen /45/. Dieser Sachverhalt irritiert – weil er an der objektiven Bewertung anstehender Projekte zweifeln lässt. Bei aller Bewunderung für die nationenübergreifende Kooperation: Es ist gut möglich, dass erst ein koordinierter »Befehl« aus den beteiligten Mitgliedstaaten bedenkliche Experimente wirklich ausbremsen könnte. Vorausgesetzt, man erfährt davon und ist schneller als die Hacker, die schon mal vorher den »Saft« abdrehen /55/.
Es ist nicht mein Ziel, einzelne, für die Weltraumfahrt entwickelte Produkte oder Softwareleistungen aufzulisten – geschweige denn sie zu beschreiben. Dafür gibt es einfach zu wenige Informationen. Auch fehlt mir der Ehrgeiz, die von den Weltraumnationen (USA, Russland, EU, Japan, China, Indien und Brasilien) durchgeführten, angeschobenen oder geplanten Missionen im Detail auszuleuchten. Mein Focus liegt auf der Grobstruktur – und dann auch bei strategischen Zielen. So gehört nicht nur »schieres Wundern« in dieses Kapitel, sondern auch ethisch-philosophisches Werten. Denn die Frage, warum wir in die Ferne schweifen, statt uns den »Übeln« der Erde zu widmen, steht am Anfang. Und sich ihr zu widmen, dürfte ähnlich interessant sein wie der Ausflug nach Hightech-Country.
Beginnen wir bei Stephen Hawking. Der englische Astrophysiker, von dem wir wissen, dass er an Amyotrophischer Lateralsklerose (ALS) leidet und nur über die Gesichtsmuskeln mit einem Spezialcomputer kommuniziert, ist das wohl treffendste Beispiel für meine erste Feststellung: Es drängt den Menschen fortwährend, mehr zu erfahren, mehr zu wissen. Und selbst, wenn er sich in der Situation eines Hawking befindet, reißt er sich los, überwindet Lethargie und Nichtstun.
Unser Protagonist nun setzte sich, so grotesk das auch anmutet, in einer umgebauten Boeing acht absturzähnlichen Tests aus und erlebte knapp 30 Sekunden Schwerelosigkeit /2/ – wurde also von Ärzten und Pflegern in diese abstruse Position bewegt, um ein Highlight auszukosten. Jahrzehntelang hatte sich Hawking mit den Geheimnissen des Weltraums befasst. Diesmal wollte er seine Erkenntnisse in der Praxis prüfen. Schon bald, so erfuhr man später, wird er als Weltraumtourist die volle Runde machen – um den Planeten. Dafür trainiere er bereits.
Was, wenn nicht diese Tatsache, beweist eindrucksvoller, wozu Menschen fähig sind? Dass sich hinter diesen Vorhaben eine andere, vakante Seite befindet, wissen wir auch. Denn Hawking sieht die Zukunft des Menschen außerhalb unserer Erde. Die – so seine Vermutung – »rauche bald ab« – in einem Atomkrieg, den er nach wie vor für möglich hält, infolge der Klimakatastrophe, die er offenbar kommen sieht, oder weil der Mensch genetisch veränderte Viren irgendwann nicht mehr abwehren kann. Der Forscher sieht die Zukunft auf dem Mars, und er ist sicher, dass wir eines Tages dorthin ausweichen müssten /38/.
Allein in unserer Milchstraße soll es 100 Milliarden Sterne geben, denen etwa 10.000 Zivilisationen – wie auch immer geartet – zugeordnet werden /16/. Euphoriker sprechen gar von 100 Milliarden bewohnter Planeten im gesamten Universum /1/. Und das Leben auf der Erde – so wieder andere Experten – könnte durchaus »eingeflogen« worden sein.
Tatsächlich sehen auch Science-fiction-Autoren wie Hans-Arthur Marsiske unsere Zukunft auf fernen Gestirnen /38/. Dabei schwelt die Hoffnung, der Mensch könnte im All ein anderer (besserer) werden. Mehr als naiv klingt das nicht. Denn Astronauten mit ihrem Ballast an irdischen Eigenschaften/Erfahrungen umzubestimmen, mutet seltsam an. Es sei denn, man hat sie bis dahin genetisch manipuliert.
Noch sind die Weltraumfahrer unserer Tage normale Menschen – wenn auch sorgfältig sortiert. Sie müssen mit der Enge und Absurdität ihrer Situation klar kommen. Ihre Lage zwingt sie, um den Preis des Überlebens, friedlich zu sein. Das gilt für den Raumflug, das gilt für kritische Situationen. Spätestens dann aber, wenn sie irgendwo sicher verankert wären, dürften schnell die alten Instinkte durchbrechen – vor allem das Machtbewusstsein. Wer dann glaubt, dass die »Auswanderer von morgen« ausnahmslos geläuterte Menschen würden, irrt zweifellos. Denn die Befehlshaber, die heute das Sagen haben, werden wohl mitwollen – und das im Befehlston auch durchsetzen.
Alle können nicht dabei sein. Warum aber sollte es einer Elite/Macht-Clique erlaubt werden, außerhalb unseres Planeten zu siedeln – um am neuen Ziel die alten Muster zu streuen?
Was heute in die Raumfahrt investiert wird, sprengt oft das Vorstellungsvermögen. Immerhin kostet es durchschnittlich 20.000 US-Dollar, um ein Kilogramm Ausrüstung in den Orbit zu transportieren /9, 50/. Das Budget allein der US-Luft- und Raumfahrtbehörde NASA lag 2007 bei 16,8 Milliarden US-Dollar, was angesichts zurückliegender und künftiger Programme viel und wenig zugleich ist. Immerhin hat das Mondprogramm der Amerikaner 50 Milliarden US-Dollar verschlungen. Rund das Doppelte dürfte die internationale Raumstation ISS »gefressen« haben – wenn sie 2014 fertig gestellt ist. Gut vorstellbar, dass ein durch Astronauten bestimmtes Marsprogramm nochmal erheblich mehr kosten würde. Die NASA spricht vorerst von 55 Milliarden US-Dollar (»semi direkt«, s. S. 31).
Einigermaßen verkraftbar scheinen die unbemannten Projekte – etwa das bisher spektakulärste Unternehmen „Lunochod“ (vollautomatisiertes Einsammeln von Mongestein https://de.wikipedia.org/wiki/Lunochod), das Aussetzen von Satelliten oder die Mitwirkung an der ISS. Doch überall dort, wo die Raumfahrtnationen/-Staatenverbunde separat »wursteln«, wird schnell das Geld knapp (»Galileo«). Dennoch sind alle Akteure äußerst motiviert.
Von der Weltraumfahrt profitieren vor allem die Luftfahrt- und Militärindustrie, die Informationstechnologie und die Elektroindustrie – der führenden Industrieländer. Konkrete Zahlen dazu gibt es allerdings nicht/14/.
Vor allem die Amerikaner, aber auch Russen, Europäer, Chinesen und Japaner wollen auf den Mond – was die Mission der ISS aushöhlt, zumindest aber in Frage stellt /4/. Einige der Teilnehmer könnten durchaus zum Spagat gezwungen werden, wollten sie den Anschluss an das weitere, möglicherweise wichtigere Weltraumgeschehen halten. Fragt sich, ob die USA – ähnlich wie im Kalten Krieg – die Konkurrenten totrüsten wollen. Denn eines steht fest: Bemannte Missionen können nur sie sich leisten – oder ein Verbund verschiedener Staaten (unter Einbeziehung der USA). Ob die Kooperation allerdings eine für US-amerikanische Vormachtstrategen reale Option darstellt, bleibt offen. Allenfalls dann, wenn die Partner viel Substanzielles – auch für die USA Interessantes – zu bieten haben, hätte sie eine Chance.
Die Raumfahrt hat uns wichtige Impulse für das Erdenleben vermittelt – nicht Teflon, wie oft fälschlich behauptet wird, wohl aber eine Reihe anderer Nützlichkeiten: die genaue Beobachtung von Klima und Umwelt (einschließlich genauerer Wettervorhersage), das Satelliten-Fernsehen, Navigationsgeräte, eine nährstoffreiche Babynahrung, Reinigungssysteme für Swimmingpools, spezielle Sportschuhe und »power riser« (Springunterstützer), schockabweisende Helme, den Taschenrechner, Flachbildschirme, den Strichcode auf Warenverpackungen, den Nierensteinzertrümmerer, Geräte zum Auffinden von Brustkrebs, Augendruckprüfgeräte, die Gefriertrocknung von Lebensmitteln, die Radialreifen und neuartige Sauerstoffflaschen für Feuerwehrleute. Dennoch wäre es naiv anzunehmen, dass derartige Errungenschaften die Raumfahrt rentabel machten. Hier wird weniger gerechnet als auf Prestige gesetzt. Es geht um technologische Führerschaft und dient der Schaffung ökonomischer Potentiale – ohne dass diese sofort greifbar sind.
Tatsächlich sind Projekte der »Außenseiter« alles andere als marginal – wenngleich auch weniger kostenträchtig als ein Ausflug zum Mars. Doch der Mond ist mehrfach anvisiert. Europa beispielsweise arbeitet intensiv am Lastenschiff ATV (7 t Nutzlast), das heute die ISS bedient, morgen aber bereits modifiziert zum Mond oder Mars aufbrechen könnte (Projekt »Vinci«) /4, 51/). Für 2012 plant die EU die Aussetzung eines Flugkörpers, der den Mond umrunden soll (geschätzte Kosten: 350 Millionen Euro, Dauer: 4 Jahre). Ob das Geld allerdings reicht, um anschließend (2013) ein Observatorium zu errichten /4/ und 2020 eine Crew auf dem Erdtrabanten zu landen /6/, muss die Zukunft zeigen. Selbst über einen Alleingang Deutschlands wird nachgedacht: Man täumt von »Leo«, der Luna umkreisen soll. Doch auch hier sieht es mit der Finanzierung schlecht aus /56/.
Etwas näher am Mond sind Japan und China. Seit 2007 umkreisen sowohl das Raumschiff »Kaguya« als auch »Chang’e–1« den Erdtrabanten. Beide observieren den Mond – mit beträchtlichem Erfolg. »Kaguya« sendet phantastische Bilder aus der HDTV-Kamera, und die chinesische Kapsel versucht sich in dreidimensionalen Fotos – vor allem von den Mond-Polen /54/. Auch Indien hat im Herbst 2008 einen ähnlichen »Ausflug« gestartet.
Allenfalls die USA können eine erneute Mondlandung mühelos schultern. Zumal sie auf Erfahrungen aus den Apolloprojekten zurückgreifen können. Sie planen eine feste Station für 2020. Chinesen (2024), Russen und Japaner (jeweils undatiert) haben dasselbe vor.
Was nun sind die substantiellen Beweggründe und Forschungsziele der Weltraumnationen?
Zum einen sicherlich das Fernziel Mars. Der – so eine erste Vorausschau – soll zwischen 2016 und 2030 zum ersten Mal betreten werden /9, 50/. Doch bis dahin gibt es eine Unzahl von Problemen, deren Lösung u.a. auch auf dem Mond gesucht wird. Gut möglich, dass die Reise zum Mars dort beginnt. Voraussetzung ist allerdings, dass die erforderlichen Energieträger vor Ort aufbereitet und nutzbar gemacht werden können /7/. Ein möglicher Ausgangsstoff, Rigolit, ist dort reichlich vorhanden. Nur dürfte sein Aufschluss – mit dem Ziel der Methangewinnung – erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Andere, in absehbarer Zeit nutzbare Energieträger bieten sich derzeit nicht an – ein Umstand, der den Spielraum einschränkt. Denn »methangestützte« Raketen gibt es bisher nicht. Sie gelten – zumindest für erdgestützte Manöver – als zu leistungsschwach. Was nicht heißt, dass sie die Gravitation des Mondes nicht doch überwinden könnten. Die nämlich beträgt nur ein Sechstel der Erdanziehung.
2004 verkündete US-Präsident George Bush, Amerika wolle das Sonnensystem in den »wirtschaftlichen Einflussbereich der Menschheit« einbeziehen und den Mond für den Markt öffnen. Seitdem wittern Unternehmer aller Couleur das große Geschäft. Dennis Hope (»Lunar Embassy«) beispielsweise soll bereits 4 Millionen Grundstücke im Weltraum verkauft haben – an Hollywoodstars, Immobilienhaie und ehemalige US-Präsidenten.
Auf welcher rechtlichen Grundlage er dies tat, bleibt schleierhaft. Gleichwie: das Interesse am Mond und seinen Schätzen ist ungebremst – nicht nur in den USA, sondern auch in Russland, in der EU, in China und Japan. Seit Monaten wird es angeheizt durch die Erkenntnis, dass im Mondgestein (Rigolit) nicht nur Titan- und andere wertvolle Metalloxide, sondern auch große Mengen an Helium-3 abgelagert seien. Entsprechende Analysen aus den Appollomissionen lassen solche Schlussfolgerungen zu. Helium-3 stamme – so die Wissenschaftler – von der Sonne, deren Winde das kostbare Gut auf all den Planeten ablagerten, die keine bzw. keine nennenswerte Atmosphäre besitzen. Das Mineral sei vor allem deshalb so kostbar, weil es eines der gravierendsten Probleme der Kernfusion beseitigen könne. Ersetze man nämlich die gegeneinander »gehetzten« Wasserstoffatome im Reaktor durch Heliumatome, könnte man die beim konventionellen Fusionsprozess auftretenden hochenergetischen Neutronen weitgehend bannen. Die seien heute für die rapide Zerstörung der Reaktorwände verantwortlich. Und stellten folglich eine kaum überwindbare Hürde bei der wirtschaftlichen Vermarktung der neuen Technik dar.
Allein dieser Sachverhalt dürfte den Preis von einer Tonne Helium-3 auf mehrere Milliarden US-Dollar treiben – und den Abbau des Minerals (einschließlich seines Transportes in flüssigem Zustand) sinnvoll erscheinen lassen. Experten meinen, dass die o. a. Menge ausreichen könnte, um beispielsweise die britischen Inseln komplett mit Energie zu versorgen /52/.
Kein Wunder, wenn die Großmächte (vor allem die USA und Russland) nach Ressourcen wie diesen lechzen – und ihre Mondprogramme entsprechend forcieren. Noch 2008 will die NASA eine robotergestützte Erkundung starten und 2017 bereits eine ständig besetzte Mondstation unterhalten. Ähnliches planen die Russen. Sie wollen Helium-3 bereits 2020 abbauen /52/.
Wenn die Apologeten derartiger Strategien davon sprechen, dass mit dem Import von Helium-3 die Energieprobleme unseres Planeten gelöst werden könnten, wirkt das wie Zündstoff. Dennoch bleibt die Ansage fragwürdig. Niemand außer den Großmächten nämlich dürfte in der Lage sein, das neue Energiepotential zu nutzen/zu vermarkten. Wobei völlig ungeklärt ist, wer welche Besitzansprüche auf dem Mond überhaupt durchsetzen darf/wird.
Auf und um den Mars herum sind inzwischen zahlreiche Satelliten (u. a. Sonde »Mars Reconnaissance Orbiter« der NASA /33/) und Gefährte zugange, die neue Informationen über den Planeten erlangen sollen. Das Hauptaugenmerk ist derzeit auf die Wasservorräte gerichtet, die sich im Untergrund des Planeten befinden. Im Mai 2008 hatte der NASA-Roboter »Phoenix« den Mars echt »angekratzt« /25, 26, 55/ – und auf der Schaufel Eis gefunden /31/. Eine Sensation, die um die Welt ging – und Mutmaßungen über mögliches Leben neu anheizte.
Außerdem geht es darum, weitere Landeplätze zu erkunden und Orte, die Sicherheit vor kosmischer Strahlung versprechen /23/. Den Europäern ist das Projekt zur Marserkundung (»Mars Express«/10/) z.T. misslungen. Zwar kreist das Trägermodul seit 2003 um den Planeten und macht vortreffliche Bilder. Doch das Landefahrzeug »Beagle« ging verloren.
Deutschland setzt im Rahmen der ESA mehr auf das neue Erdüberwachungssystem GMES (Einsatz für Umwelt- und Sicherheitsaufgaben) sowie das Navigationssystem Galileo /24/.
Die Europäische Weltraum-Organisation (ESA) möchte jetzt den verlorenen Boden schnell gutmachen – liegt aber vorerst in Schaukämpfen, weil Deutschland die Benachteiligung bei relevanten Aufträgen befürchtet. Frankreich hingegen (bisher größter Investor) will die ESA in kürzere Reichweite zur EU-Kommission bringen, um dann mehr Geld vor allem für die eigene Industrie zu erlangen. Wie auch immer: Der Mars bleibt im europäischen Blickfeld – allerdings mit einem zeitlichen Ziel, das weit hinten liegt: 2020. Auch bei diesem Vorhaben soll ein Roboter die oberen Gesteins-/Eisschichten anbohren /4/.
Folgt man den Enthusiasten, dann steht die erste Hälfte des 21. Jahrhunderts im Zeichen des größten Abenteuers der Menschheitsgeschichte – der Landung des Menschen auf dem Mars /48/. Pläne, den roten Planeten zu erobern, gibt es schon seit vielen Jahrzehnten. Doch von den bisher abgeschickten 38 Raumsonden haben nur 16 ihr Ziel erreicht – mit unterschiedlichem Erfolg. Was Beobachtungen von der Erde, marsumkreisende Stationen und gelandete Roboter feststellen konnten, lässt sich schnell zusammenfassen: Die Mars-Schwerkraft beträgt nur etwa ein Drittel der Erd-Schwerkraft. Aufgrund der geringen Anziehung konnten sich große Teile des CO2 und des Wassers, die in den Frühphasen des Planeten durch aktive Vulkane reichlich nachgeliefert wurden, nicht halten. Sie »entfleuchten« in den Weltraum. Mit der Folge, dass heute lediglich eine extrem dünne, vor allem aus CO2 (95,3 %), Stickstoff (2,7 %)und Argon (1,6 %) bestehende Atmosphäre existiert. Sie enthält auch Wasser – wenngleich nur in geringer Menge (0,03 %). Dieses Wasser bildet Wolken und dünne Eisschichten. Der Luftdruck ist mit 0,007 bar extrem niedrig. Auf der Oberfläche des Planeten ist es relativ kalt (-140˚C bis 20˚C; Durchschnitt: -63˚C) und unwegsam. Vor allen an den Polen gibt es auf hunderten von Kilometern gewaltige Sandstürme. Auch Tornados bis 80 km Höhe sind bekannt. Das CO2 der Atmosphäre wird vom Sonnenlicht gespalten, wobei der Sauerstoff das reichlich im Boden vorhandene Eisen oxidiert (»roter Planet«). Die extreme Dürre des Bodens und die durch Oxidation bestimmte Bodenchemie stellen die Existenz organischen Lebens in Frage. Ein Marstag entspricht in etwa einem Erdentag /9, 49/.
Trotz dieser unwirtlichen Verhältnisse vor Ort sind zahllose Wissenschaftler vom Mars fasziniert. Und nicht nur das. Sie sehen in ihm ein künftiges Siedlungsgebiet des Menschen. Derzeit laufen bereits erste Planungen für bemannte Raumflüge. Doch zu den Inhalten gehen die Auffassungen auseinander. Soviel jedoch scheint klar: Die Reisen müssten kurz sein, von gemischten Besatzungen (4-6 Männer und Frauen) bestritten werden und in mehreren Phasen verlaufen. Dabei sollten zunächst Versorgungsraketen und zwei Jahre später die Crew verschickt werden. Eine jeweils kurze Flugzeit setzt voraus, dass sich Mars und Erde in geringem Abstand voneinander befinden (Minimum: 60 Millionen Kilometer) – was etwa alle 26 Monate gegeben ist. Auf Basis heutiger Raketenantriebstechnik müsste dann ein festes Regime gelten: ca. 6 Monate Hinflug, 18 Monate Aufenthalt und 9 Monate Rückflug. Experten sprechen von ca. 1.000 Tagen im All.
Uneinig ist man sich bei der NASA vor allem in einer Frage: Sollte der Flug direkt von der Erde aus erfolgen? Oder müsste es Startbasen auf dem Mond bzw. im Orbit geben? Vor allem die Masse der Versorgungsraketen (man spricht von bis zu 520 t Ladung) bereitet Kopfschmerzen. Derzeit stehen Transportmittel für derart anspruchsvolle Aufgaben nicht zur Verfügung. Um die Anforderungen zu reduzieren, prüft man die Option, den Treibstoff für die Rückreise auf dem Mars zu erzeugen. Theoretisch ständen dort alle Ausgangsstoffe zur Verfügung. Ob sie allerdings in einem automatisch ablaufenden Prozess – ohne Anwesenheit des Menschen – in ausreichender Menge und Qualität produziert und gespeichert werden könnten, ist vorerst offen. Ähnlich wichtig ist die Frage des Raketenantriebs, weil er nicht nur auf die beförderbare Masse, sondern auch auf die Fluggeschwindigkeit (und damit Reisezeit) Einfluss hat. Zur Debatte stehen neben dem chemischen der thermonukleare sowie ein spezieller Turboantrieb, der den laserähnlich gebündelten Ausstoß eines ionisierten Gases vorsieht. Im zweiten Fall würde tiefgekühlter Wasserstoff (möglicherweise erst nach Erreichen des Orbits) nuklear erhitzt und gasförmig ausgestoßen werden – was den Treibstoffbedarf halbierte. Beim Turboantrieb – so die Wissenschaftler – könne die Flugzeit möglicherweise auf jeweils 90 Tage verkürzt werden. Aber nur, wenn man einen im Orbit erzeugten Plasmastrahl zu Hilfe nähme, der das Raumschiff berührungslos auf nahezu 30 km/s beschleunigt /48/.
Wo und vor allem wann derartige Techniken zur Verfügung stehen werden, ist vorerst kaum abzusehen. Mittelfristig scheinen deshalb nur konventionelle Projekte (chemische Antriebe) realistisch. Dabei gibt es drei Alternativen: den Start von der Erde, aus dem All oder vom Mond. Die zuletzt genannte Variante hätte den Vorteil, dass die erforderliche Beschleunigung auf über 40.000 km/h kraftsparender und schneller erreicht werden könnte als bei anderen Lösungen. Voraussetzung wäre allerdings eine aufwendige Mondbasis. Für den Flug selbst müssten Bedingungen eingestellt werden, die nicht nur ein Überleben, sondern einen zumutbaren Aufenthalt der Mannschaft sicher stellen. Pläne dafür, wie ein künstliches Gravitationsfeld erzeugt werden könnte, gibt es bereits (Rotation zweier verbundener Raketenelemente). Und an Technologien zur Erzeugung einer abgeschlossenen erneuerbaren Biosphäre wird heftig geforscht /27/.
Auch ein spezielles psychologisches Training des handverlesenen Teams ist zwingend erforderlich – als Prävention gegen »Lagerkoller«. Nur dem möglichen Strahlen-Gau weiß man noch nichts entgegenzusetzen. Weder eine Schutzverkleidung des Raumschiffes, noch das Zurückziehen der Mannschaft in einen besonders abgeschirmten Raum scheinen tauglich. Zwar ist es möglich, das Gesamt-Timing auf bekannte Sonnenzyklen abzustimmen. Volle Sicherheit gegen unkalkulierbare Überraschungen ist damit aber nicht gegeben. Die Besatzung könnte vor ihnen zwar gewarnt, aber nicht bewahrt werden. Schließlich drohen auch Gefahren von Meteoriten – ein Risiko, das mit steigender Flugzeit zunimmt.
Selbst die Tatsache, dass der Informationsaustausch mit der Erde bis zu 40 Minuten dauert (Frage bis Rückantwort), stellt eine psychologische Belastung dar. Sie dürfte auf den letzten 50-100 km vor der Landung – hier reißt der Funkkontakt völlig ab – ihren Höhepunkt erreichen.
Die Vorstellungen über den Marsaufenthalt selbst sind vage. Ein 18-monatiger Aufenthalt stellt höchste Anforderungen an Raumanzüge (Neuentwicklung), Unterbringung (Schutz vor kosmischer Strahlung) und Ernährung. Derzeit wird über die Mitführung/Errichtung eines Gewächshauses, Einbeziehung von Haustieren u. ä. debattiert.
Was sich Projektanten/Ingenieure und Crew nicht leisten können, sind technische Fehler, Unsicherheiten bei der Navigation und sonstiges menschliches Versagen. Einmal auf den Weg gebracht, kann das Marsraumschiff nicht einfach wenden. Und Ersatzteile für ausfallende Komponenten dürften nur begrenzt zur Verfügung stehen. Experten halten das Unglücksrisiko für vertretbar. Sie sprechen von einer Misserfolgswahrscheinlichkeit von 1:10 bis 1:5 /48/.
Einer der ungeduldigsten Verfechter von Marsflügen ist der Amerikaner Robert Zubrin. Er favorisiert den Direktflug von der Erde, der die Mission von Mondexpeditionen/-basen unabhängig macht und aufwendige Raumschiffvormontagen im All vermeidet – ist dann aber auf extrem starke Raketen und/oder ein Abmassieren der Nutzlast angewiesen. Seine Kalkulationen für ein aus 4 Männern und 4 Frauen bestehendes Expeditionsteam erscheinen im Vergleich zu anderen äußerst »knappkantig«. So geht er von nur 1 kg Sauerstoff, 1,5 kg Nahrung, 4 kg Trinkwasser und 25 kg Nutzwasser pro Tag und Person aus. Andere Einschätzungen führten bislang zu 20 Tonnen Verpflegung und 110 Tonnen Wasser. Zubrin kann nach seinem Konzept derartige Lasten nicht befördern. Folglich unterstellt er deshalb die Produktion von Wasser und Sauerstoff auf dem Mars (auf Basis von 6 t mitgeführtem flüssigem Wasserstoff). Die Mannschaft verbleibe vor Ort in einem 5 m hohen Modul, der über ein Lebenserhaltungssystem mit geschlossenem Sauerstoff- und Wasserkreislauf verfüge. Ein Erkundungsfahrzeug mit klimatisierter Druckkabine müsse nach gefrorenem oder geothermisch erhitztem unterirdischem Wasser suchen. Es solle auch prüfen, auf welche Weise Mars-Atmosphäre und -klima verändert werden könnten.
Zubrins Pläne waren lange umstritten, wurden aber in letzter Zeit mehrfach aus der Schublade gezogen. Ginge es nach ihm, würde 2016 ein erstes, 2017 ein zweites unbemanntes Raumschiff Richtung Mars starten. Letzteres sollte einen Atomreaktor ausfahren, der eine gleichfalls an Bord befindlichen »Chemiefabrik« – zur Herstellung von Treibstoff – energetisch versorgen würde. 2018 müsste dann die Mannschaft folgen /50/.
Die NASA will es etwas anders. Ihrer Version (»semi direct«) zufolge umfasst das Projekt insgesamt 6 Raumschiffe, von denen jeweils drei um drei Jahre versetzt »auf Tour« gehen. Die erste Runde wird dabei von 2 Versorgungs- und einer bemannten Rakete, die zweite von einer bemannten Rakete (2. Crew) und zwei Reserveraketen (für künftige Expeditionen/ Notfall) bestritten.
Ob Vorstellungen dieser Art je realisiert werden, steht in den Sternen. Die Entscheidung wird vor allem vom Entwicklungstempo für neue Techniken abhängig sein. Vor allem von neuen Raketenantrieben und der »mannlosen« Treibstofferzeugung auf dem Mars. Voraussetzung wäre auch, dass Zubrins Einschätzungen zur Nutzlast einer Überprüfung standhalten – und seine optimistischen Einschätzungen zur Gesamtstrahlenbelastung während der Expedition zutreffen. Hier geht Zubrin von nur 0,6 Sievert aus, während andere Forscher mit 2-4 Sievert rechnen.
Trotz aller Unsicherheit – Zubrins Träume reichen noch weiter. Er möchte bis 2026 einen idealen Platz finden und 2030 die erste feste Station auf dem Mars einrichten. Künftige Forscher sollten dann beginnen, die Atmophäre des Mars »aufzupeppen«. Durch Erzeugung von Gasen könnte diese – so die abstrus wirkende Idee – über Jahrzehnte hinweg »urbar« gemacht werden. Gelänge es, nur 10 % des Sonnenlichts einzufangen, wäre in 100 Jahren auch eine merkliche Erwärmung des »Lebensraumes« möglich. Irgendwann sei so an den Anbau von Getreide und anderer transgener Pflanzen zu denken. Im 23. Jahrhundert schließlich stünde einer großflächigen Besiedlung unseres Nachbarplaneten nichts mehr im Wege /50/ – zumal dann auch der Mensch genetisch präpariert und bestens für die Einöde programmiert sei.
Zubrin wirkt wie ein Phantast. Sich vorzustellen, dass man dem Mars eine passable Atmosphäre verpassen, ja ihn sogar »aufwärmen« könnte, grenzt an Irrwitz. Denn die Frage, warum ein solches Szenario angesichts des in Mars-Urzeiten erfolgten Atmosphäre- und Wärmeverlustes gelingen sollte, bleibt unbeantwortet. Eiferer wie Zubrin gleichen Amokläufern, Typen, die schnell ans Ziel wollen und Risiken jeder Art billigend in Kauf nehmen – auf Kosten anderer. Mich macht das mehr als misstrauisch. Denn Muster wie diese gibt es bereits – in der Waffen- und Gentechnik, bei der Vermarktung von Chemikalien/Medikamenten. Ethik und Verantwortung werden auch dort schnell beiseite geschoben. Und kaum ein »Pionier« stellt sich selbst als Testperson. Es ist demnach Vorsicht geboten. Niemand kann ernsthaft davon ausgehen, dass bevorstehende Operationen im All ohne Opfer abgehen. Man wird sie – das impliziert jede Entwicklung – in bestimmtem Maße hinnehmen müssen. Sie indes durch rücksichtslose Verknappung von Ressourcen/Tests zu provozieren, käme einem Verbrechen gleich.
Ehe an den Transport von Menschen auf den Mars gedacht werden kann, müssen weit mehr Aufgaben als nur die der Kartografierung, geologischen/mineralogischen Erkundung und Treibstofferzeugung gelöst werden. Vor allem geht es darum, günstige Bedingungen für den Raumflug zu gestalten – was mit Blick auf die Querelen, die der All-Aufenthalt an Körper und Geist verursacht, nicht einfach ist. Zum einen führt die Schwerelosigkeit zu Verlusten an Muskeln, Knochen und roten Blutkörperchen. Andererseits sind Raumfahrer hohen Strahlenbelastungen ausgesetzt (Krebsrisiko/13/). Hinzu kommt, dass ein auf Erdschwere getrimmtes Herz mehr Blut in den Kopf pumpt als nötig – was zu »dünneren« Beinen und einer »aufgeblähten« Kopf-/Brust- bzw. Schulterpartie führt. Astronauten leiden zudem an Veränderungen des Augendrucks (Folge: Linsentrübung /13/) und an Rückenschmerzen. Noch ganz andere Probleme tun sich bei Geist und Psyche auf. Ein langer Raumflug zehrt/zerrt an den Nerven, weil nur wenig Raum zur Verfügung steht und absolute Askese angesagt ist. Selbst willensstarken und teamfähigen Akteuren dürfte das Sorgen bereiten /11, 47/. Ausflüge in fernere Gefilde bedingen zudem, dass Nahrungsmittel unabhängig von der Erde im Raumschiff erzeugt und aufbereitet werden können (Treibhaus an Bord). Darüber hinaus drohen Gefahren von mitgeschleppten irdischen und importierten marsianischen Keimen und Viren – sofern es letztere geben sollte /4/.
Der Problemkatalog »Raumfahrt« ist folglich prall gefüllt – Ideen für mögliche Abhilfen wachsen langsam. Nicht von ungefähr taucht die Frage auf, ob der Schritt ins entferntere All überhaupt möglich ist. Wenn Astronauten schon heute 6 Monate brauchen, um sich nach Rückkehr aus dem Weltraum zu regenerieren, dann dürfte ein »Reset« nach dem Marsaufenthalt ungleich schwieriger ausfallen. Verschärfend kommt hinzu, dass die während einer Marsmission aufgenommene Strahlung nicht nur ein Vielfaches der normal zulässigen beträgt, sondern auch immens lange wirkt. Sollten die Probanden dann zusätzlich sogenannten Flares/Coronare Mass Ejections (extrem starken Sonnenaktivitäten) begegnen, wäre das mehr als die Hölle (bis zu 10 Sievert pro Tag /13/). Auch eine zentimeterdicke Aluminiumbeplankung des Raumschiffs wäre ihnen nicht gewachsen.
Die »Marsflieger« müssten – klassischen Berechnungen zufolge – ein tägliches Strahlenvolumen von 0,7-1,5 Millisievert verkraften. Die vergleichbare Dosis auf der Erde (Deutschland auf Meereshöhe) beträgt etwa 2,1 Millisievert pro Jahr /13/. Astronauten sollten folglich über 50 Jahre alt sein, weil eintretende Chromosomenschäden dann weniger ins Gewicht fielen.
Dass die aufgezeigten Probleme den Menschen nicht hindern, über Camps oder gar Hotels auf Mond und Mars nachzudenken, macht eines deutlich: Der Homo sapiens hält fast alles, was ihm heute Bauchschmerzen bereitet, für lösbar. Und er ist gewillt, Kontaminationen, körperliche Einbußen, farblose Wüsten /36/ und Wahnsinn in Kauf zu nehmen.
Vorerst jedoch sind die kleinen Ausflüge angesagt: mit »rotierenden« Wissenschaftlern und 2-Wochen-Touristen. Hier will sich künftig auch Deutschland beteiligen /32/. Hobby-Astronauten sind im Vorteil: Sie können ein wenig im All fenstern und gleichzeitig das Erdenleben genießen. Ihre Fotos im Kosmos werden diesen Luxus deutlich und Furore machen – zum Verdruss des Nachbarn, der wieder nur Neuseeland geschafft hat.
Bleiben der Urknall, eine nicht definierte Anzahl schwarzer Löcher und energiespuckender Zwerge, Nebel und Galaxien, die Antimaterie, ein riesiges, anscheinend planeten- und sternefreies Loch bei Eridanus (1 Milliarden Lichtjahre Durchmesser) /15/, die noch immer ausbleibenden Signale ferner Zivilisationen und die Außerirdischen selbst. Auf all das Spektakel will ich Ihnen nur kurz einen Reim machen. Denn Vollprosa wäre wie ein Brett, das prächtig verheizt werden, schnell aber auch vor den Kopf schlagen könnte.
Mir fällt da immer ein Witz ein: Zwei Leute schauen aus entgegengesetzten Richtungen in ein gerades Rohr von zwei Meter Durchmesser – und sehen sich nicht. Warum nicht? fragt der Erzähler und erntet Verständnislosigkeit. Nun klar, erklärt er verschlagen, der eine schaut Montag rein, der andere Dienstag. Die Zuhörer lachen dann amüsiert, bleiben aber in ihrer Sphäre. Würden sie sich dem Weltraum zuwenden, stießen sie vermutlich auf eine Analogie. Signale aus der Ferne müssten ein winziges (irdisches) Zeitfenster treffen – wollten wir sie wahrnehmen. Sie könnten Jahrtausende oder Jahrmillionen unterwegs gewesen sein und uns Menschen trefflich verfehlen – weil wir in der galaktischen Zeitrechnung nur einen Wimpernschlag lang existieren.
Kurz und gut. Man schickt Sonden an den Ort des vermutlichen Beginns (»New Horizons«) /8/, fokussiert mittels »Hubble« schwarze Löcher, die alles anziehen und verschwinden lassen und hofft, dunkle Materie, dunkle Energie und Antimaterie ausfindig zu machen. Ganze Scharen von Wissenschaftlern lauschen mit Riesenteleskopen auf Signale, die irgendwann an unbekannte Adressaten ausgesandt wurden oder einfach nur galaktischen Ereignissen entstammen. Sie setzen auf grüne Männchen und sind sicher, dass ihre Hoffnungsfülle ein Gegenüber hat.
Wenn sie nicht kommen oder ewig auf sich warten lassen, dann machen wir sie selbst – die Außerirdischen. Warten Sie ab, irgendwer narrt uns irgendwann damit!
Zwar ist es denkbar, dass Außerirdische bei uns ankern wollen, dass sie großhirnig oder schleimmassig den Kontakt suchen /17, 18/. Eine Kommunikation aber, so die Experten, wäre nur mit Hilfe technischer »Apparate« möglich. Ihr Ergebnis sei ungewiss. Denn ständen die Besucher bereits am Boden, würden sie vermutlich absaugen – Dinge, die sie wollten oder dringend benötigten. Abkömmlinge aus fernen Galaxien nämlich könnten wie Menschen auf der Flucht sein – auf dem Level des 22. oder x-ten Jahrhunderts. Dabei wären sie abgeschlagen – gänzlich ohne Beziehung zu dem, was sie verloren haben oder verließen. Sie kämen – sähe man es freundlich – als potentielle Mieter. Fragt sich, ob wir uns – so gelandet/so überrumpelt – arrangieren würden oder überhaupt die Wahl hätten. Harald Lesch, Professor für Astrophysik in München, sieht das ähnlich. Der Entdeckte – so seine Vermutung – habe naturgemäß »schlechte Karten« /38/. Gut vorstellbar, dass ein Kampf um die Plätze begänne – mit ungewissem Ausgang.
So weit denkt heute niemand. Wir wollen im Grunde «ET« (den Extra-Terres-
trial) und beginnen zu lieben.
Was auch immer geschieht, wir sollten für den Ernstfall gewappnet sein. Und zumindest erkennen, was und wann etwas auf uns zukommt. Vorerst könnten es Asteroiden/Kometen sein. Ihr Auftauchen ist durchaus wahrscheinlich. Und ihr Zuschlagen könnte mehr bedeuten als das Aufsetzen von UFOs. Weltraumforschung an dieser Stelle macht zweifellos Sinn. Denn nicht alles, was auf unseren Planeten niedergeht, ist vom Schlage des Dinosaurier-Töters (Komet von vermutlich 10 km Durchmesser). Gegen kleineres »Geröll« hätten wir durchaus Chancen – zurzeit allerdings nicht. Das hat der letzte Brocken, den man erst sichtete, als er vorüber war, anschaulich demonstriert. 30.000 km waren ein winziger Abstand. Da halfen weder SETI (der emsige US-amerikanische Sucher nach außerirdischer Intelligenz), noch nacheilende Gebete. Die Expertenwaren erschrocken. Plötzlich investieren die USA in neue, aufwendige Technik zur Überwachung – in ein Observatorium auf dem Mount Haleakala ((Insel Maui/Hawaii). Mit 4 Riesenteleskopen ausgestattet, soll es ab 2010 große Ausschnitte des Alls (jeweils 90-fache Mondfläche) beobachten. Prof. Ralf-Peter Kudritzki, Leiter des Institute for Astronomy, Hawaii, will die Suche auch auf die kleinen Asteroiden/Meteoriten fokussieren – ihr Durchmesser: 140-1000 m. Gefährliche Gesteinsbrocken – so seine Annahme – kämen mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem zwischen Mars und Jupiter befindlichen Asteroidengürtel (»Oortsche Wolke«). Dieser berge Zehntausende von Objekten, von denen einige schon mal in Kollision gerieten. Die Trümmer aus diesen »Ereignissen« würden neue Bahnen annehmen und könnten durchaus in Richtung Erde stürzen. Kometen seien noch bedrohlicher, weil ihr Schweif erst dann sichtbar werde, wenn er in den Bereich der Sonne gelange /19, 20/.
Beobachten hin, Abwehren her. Die bedrohlichen Felsen auszumachen, dürfte vergleichsweise einfach sein – sie abzulenken, ungleich schwerer. Denn niemand weiß, ob nukleare Sprengsätze auf ihnen angebracht und wirksam zur Explosion gebracht werden können. Keinesfalls darf das «Objekt« gesprengt werden, weil es dann Trümmer gäbe, die unkontrollierbar einschlügen.
Die europäische Raumsonde »Rosetta« ist seit März 2004 auf dem Weg zum Kern des Kometen »Tschurjumow-Gerasimeko«, den sie 2014 umrunden und studieren soll. Im September 2008 flog sie am Kleinplaneten »Stein« vorbei, den sie ausgiebig fotografierte /52/.
Die Vorstellung, dass man den Stein- oder Eisbrocken entgegenfliegen, sich auf ihnen einnisten und dann ausreichend große Ladungen auf/in ihnen anbringen könnte, steckt noch in den Kinderschuhen. Zuerst aufgegriffen wurde sie offenbar von den Japanern. Die nämlich schickten das Raumschiff «Hayabusa« in Richtung eines Asterioden /2/, landeten dort eine Sonde und sind derzeit bemüht, Proben zu nehmen. Auch die NASA-Raumsonde »Dawn« ist auf Gesteinstripp – hier in Richtung Asteroidengürtel. Sie allerdings soll »nur« fotografieren – zwei unterschiedliche Kleinplaneten /29/. Beides klingt beachtlich und könnte die Vermutung nähren, dass sich wirksame Prävention durch Automaten erledigen ließe. Dem ist nicht so – zumindest aus heutiger Sicht. Experten meinen, der Mensch müsse schon »vor Ort« sein. Das aber setzte geeignete Raumfahrzeuge, Andockmechanismen und Werkzeuge voraus, die derzeit nicht zur Verfügung, wohl aber im Bypass zu neuen Mondraketen (Projekte »Ares 1« der NASA /7/ und »Vinci« der ESA /4/) auf dem Programm stehen. Ein Bonbon nebenbei: Auch Marsfahrer könnten sich (theoretisch) eines Asteroiden bedienen /22/ – vorausgesetzt, dass er Höhlen besitzt. Das mögliche Verkriechen vor kosmischen Strahlen allein nützte allerdings wenig, wenn das Ziel verfehlt würde (ab in die Unendlichkeit!).
Wie man Forschungsgelder künftig zu verteilen gedenkt, ist schwer auszumachen. Was Weltraumforscher davon abbekommen, dürfte von Interessenlagen geprägt sein. Rohstoffe vom Mond versprechen mit Sicherheit höhere Profite als bloße Kollisions-Prävention. Und Ideen wie künftiges Siedeln im All suggerieren scheinbare Zukunftsorientiertheit. Dabei ist das Abwandern ein Traum künftiger Jahrhunderte – ein Beschwichtigungsvehikel, das eben mal in die Gegenwart gezerrt wird. Könnte heißen: Wenn wir die Erde nicht retten wollen/können, bleibt immer noch die Flucht. Oder: Kommt ein wirklich dicker Brocken, dann weichen wir eben. Oder: Siedeln im All folgt zwanghaft einem Forschungsdrang.
Das alles ist Zukunftsmusik und teilweise anrüchig. Denn es schwächt die Kräfte, die auf Bewältigung irdischer Probleme setzen – aber auch die, die sich intensiv auf die Abwehr bedrohlicher Objekte konzentrieren.
Welches Handeln künftig präferiert wird, ist nicht absehbar. Allem Anschein nach werden Egoismus, das »separate Wursteln«, das Nebeneinander von wenig koordinierten Aktivitäten zunächst fortdauern. Man wird die Möglichkeiten der Allbeobachtung verbessern, an Mond- und Marsprojekten basteln und den Weltraumtourismus weiter vorantreiben. Irgendwann geht es dann konkret um Rohstoffe (vom Mond oder aus dem Asteroidengürtel /27/).
2005 gab es acht und 2006 neun kommerzielle Ausflüge in den Weltraum – alle mit russischer Technik /8/. Vier von ihnen organisierte das US-amerikanische Unternehmen Space Adventures. Virgin Galactic – ebenfalls USA – wollte ähnliche Leistungen ab 2008 anbieten (voraussichtlicher Preis: 200.000 US-$). Die EADS-Tochter Astrium Space Transportation rührt sich ebenfalls. Ab 2012 möchte auch sie Schwerelosigkeit vermitteln – in 100 km Höhe (voraussichtlicher Preis: 150.000-200.000 E). Die Firma Bigelow Aerospace (USA) geht einen Schritt weiter. Sie entwickelt ein Weltraumhotel. Es soll bis 2015 bezugsfertig sein. Ähnlich extrem ist ein Anliegen der Russen. Ihr Unternehmen RKK Energija plant gemeinsam mit Space adventures Exkursionen um den Mond (ab 2011 – für 100 Millionen US-$).
Bei aller Aufbruchstimmung: Art und Ausmaß künftiger Expeditionen könnten auch ganz anders ausfallen – dann nämlich, wenn erdnahe Krisen brennender oder unser Planet als Ganzes zum Problem würde (Kriege, Klimakatastrophen etc.). Doch selbst wenn dieser Fall nicht eintritt, bleiben offene Schecks. Größere Unternehmungen kann keine Nation allein schultern. Sie erfordern das Miteinander der Menschen/Länder/Unternehmen – ganz unabhängig davon, ob man diese für »moralisch reif« hält oder nicht. Und sie setzen Frieden voraus – eine Basis, die angesichts zahlloser Differenzen, Konflikte, Kriege und Katastrophen kaum gegeben scheint. Folglich wird es Korrekturen geben – an den Plänen und in zeitlichen Abläufen. Der Griff nach den Sternen ist auf Nachfassen programmiert.
Bangemachen gilt nicht, sagen Roman Retzbach und Ning Huang. Die Menschen werden auf fernen Planeten siedeln, und die Mutmaßung, der Mensch würde auch dort nur Verwüstungen anrichten, sei irrelevant /53/.
Viele der heutigen virtuellen Gebärden werden auf Dauer Science fiction bleiben – in guter Gesellschaft mit den anspruchsvollen und platten galaktischen Attitüden (Stanislaw Lem, Gebrüder Strugazki vs. Independence Day), mit den Warp-Antrieben der Enterprise /12, 34/ und den Beam-Exzessen. Ach Warp! Wer verpasst dir Tempo jenseits des Lichts, wenn das illusorische Gravitationsfelder voraussetzt – und zehn Milliarden mal mehr Energie als die gesamte sichtbare Masse des Universums aufbringt /28/.
Es sind die Phantasten, die uns löchern. Sie löschen (für Momente) unsere Desillusion und liefern die erfundene Zukunft. Wer, wenn nicht sie, können unsere Sorgen, Hoffnungen und Ängste besser spiegeln /30/. Da beamt man sich schon mal weg – ganz gleich, ob das möglich scheint oder nicht /28, 35/. Und schießt die, die das miesmachen, genüsslich auf den Mond.
Nach Roman Retzbach und Ning Huang seien bis 2010 alle bekannten Technologien »nur« Übergangsformen und Nachbesserungen bisheriger Fehler, Irrtümer und Vernachlässigungen. Große Schritte in die Zukunft werden heute vor allem durch drei Dinge behindert: durch zeitlich zu früh verortete Neuentwicklungen, fehlende Benutzerfreundlichkeit/zu hohe Multifunktionalität und zu hohe Kosten von EDV- und anderen Hightech-Tools (Anwendung bleibt auf betuchte Eliten beschränkt). Bis heute gebe es noch keine wirklich intelligenten Produkte, sondern nur Placebos. Erst in 10-15 Jahren komme es zur Entwicklung von intelligiblen, integrierten und interaktiven Erzeugnissen, die instant rund um uns herum existieren /41/.
Text und Quellen s. „Störfall Zukunft“, Heiner Labonde Verlag, Grevenbroich 2008