Vergesst Obama!

 

Spätestens seit dem  2. Mai 2011 ist klar, dass ein Schwarzer – wollte er weiterhin Präsident der USA sein – ungleich straighter auftreten muss als weiße Schwachköpfe à la Bush jun. Und so wie Mr. Präsident  da gemeinsam mit Hillary Clinton im Situations Room des Weißen Hauses – kamerafixiert und für die Weltöffentlichkeit sichtbar – dem Einsatz des von ihm befohlenen Killerkommandos folgte (http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,760622,00.html), ist er schon aus dem Schatten seiner Vorgänger herausgetreten. Spätestens seit dem 2. Mai ist klar, dass unser Bild von Obama  genauso mutiert, wie ich das in „Störfall Zukunft“ vor 30 Monaten vorausgesagt hatte (S. 463 ff.). Dieser Mann, der im Wahlkampf zum Vorkämpfer für ein neues Amerika hochstilisiert wurde und dazu selbst kräftig beitrug, ist alles andere als ein Hoffnungsträger für diese Welt. In den USA mag man das anders sehen, weil die Ereignisse des 11. September 2001 einen direkten Pool aus Schmerz und unbefriedigten Rachegelüsten hinterließen. Doch es waren ganz augenscheinlich weniger die Angehörigen der Opfer, die den Tod Bin Ladens bejubelten, es war der von den Medien aufgeputschte Mob.

Barack Obama hat mit der Intensivierung des Afghanistankrieges, den ferngesteuerten, völkerrechtswidrigen Attacken von US-Drohnen gegen Pakistan (die Zahl der getöteten Zivilisten wurde per 5. Mai 2011 mit dreiundfünfzig sicher zu niedrig angegeben) und der Bombardierung Libyens eine neue Blutspur gezogen. Er hat die Signale der sogenannten arabischen Befreiungsbewegung undifferenziert verkannt und im Westjordanland den israelischen Siedlern das Feld überlassen. Man darf auch vermuten, dass von den Geheimdiensten weiter gefoltert wird – ohne ausdrückliche neue Befehle und  … im Ausland (http://www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2011/0505/terror.php5).  Guantanamo –  wo mindestens 150 Gefangene unschuldig einsaßen und z. T. auch heute noch einsitzen – besteht weiter (http://www.taz.de/1/netz/netzpolitik/artikel/1/unschuldige-sassen-jahrelang-ein/). Dass die Opfer nur deshalb nicht freigelassen werden, weil sich niemand findet, der sie aufnimmt, ist grotesk.

Was also hat Obama – abseits einer halbherzigen, noch keineswegs gesicherten Gesundheitsreform und untauglicher Finanzmarktregeln – zu Stande gebracht?

Wo und wie ist er anders als bisherige US-Präsidenten?

Mir fällt da nichts ein.

Amerika bleibt – ob nun mit oder ohne Obama – ein Land mit Vormachtanspruch, ein Land, das mit Microsoft, Apple, Google etc. im Internet herrscht … das eine Vielzahl übermächtiger Global Player, die drei maßgeblichsten Rating-Agenturen der Welt, die fiesesten Rüstungsgüter, die weltgrößte Militärmaschinerie und das Abhörsystem Echelon etc. gegen die Restwelt ausschickt …,

das mit Schulden von gut 14 Billionen US-$ kurz vor dem Kollaps steht und damit eine reale Gefahr für die Finanz- und Realwirtschaft der gesamten Welt darstellt (http://www.abendblatt.de/wirtschaft/article1751239/Die-14-Billionen-Dollar-Frage-der-USA.html) …,

das seine Bevölkerung ungefragt mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln zuschüttet und  40 Millionen seiner Bürger dem radikalen Evangelismus ausliefert.

Dort, wo der Rauschgiftkonsum einsame Rekorde feiert, wo es jährlich mehrere tausend sexuelle Übergriffe gegen weibliche Militärangehörige gibt, wo mehr als 200 Millionen Waffen in privatem Besitz sind und pro Kopf der Bevölkerung achtmal so viele Leute eingelocht werden wie im europäischen Durchschnitt, wo Städte wie Maywood, Oakland, San Diego etc. einfach verkommen, wo deutsche Au Pairs immer mal gefragt werden, ob es in Germany auch Autos oder doch eher Regenwälder gebe, dort also … hat Obama gerade seine höchste Wertschätzung erfahren.

(http://www.sueddeutsche.de/digital/echelon-berunruhigt-das-europa-parlament-die-big-brother-hotline-1.622678)

http://programm.ard.de/TV/Programm/Jetzt-im-TV/weltbilder/eid_287216400135086?list=themenschwerpunkt&start=21;

http://www.sueddeutsche.de/wissen/privater-waffenbesitz-mehr-schusswaffen-mehr-opfer-1.833490;

http://de.wikipedia.org/wiki/Gefangenenquote;  http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/services/nachrichten/ftd/PW/60047559.html;

„Rheinische Post“/Regionalteil Ratingen, 23. Juni 2011).

 

Nachtrag vom 24. Juni 2011: Am 13. Juni wurde in den USA ein streng gehütetes Staatsgeheimnis gelüftet: Der Vietnamkrieg war illegal. Er wurde unter falschen Voraussetzungen begonnen, mit Lügen fortgesetzt − und zu gewinnen, auch das wird jetzt offiziell bekannt gemacht, war er auch nicht. Ganz neu ist die Erkenntnis nicht: Vor genau vierzig Jahren stahl ein ehemaliger Elitesoldat, der Regierungsberater Daniel Elsberg, die hoch geheimen „Pentagonpapiere“, kopierte sie und trug sie zur New York Times, die sie nach einigem Zögern veröffentlichte. Präsident Nixon persönlich versuchte, die Zeitung zu verbieten. Elsberg wurde als Landesverräter verhaftet und wäre beinahe für Jahrzehnte im Gefängnis verschwunden. In Vietnam aber starben Millionen Vietnamesen und fast 60.000 Amerikaner.

Derzeit beschäftigt ein ähnlich gelagerter Fall die USA. Wieder ist ein Soldat, diesmal der Obergefreite Bradley Manning, auf erschreckende Missstände/Verbrechen gestoßen. Die diesmal nicht über die Presse, sondern über den inzwischen inhaftierten Julian Assange  und Wikileaks an die Öffentlichkeit gelangten (http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,750257,00.html). Wir wissen, dass im betreffenden Dossier von fundamentalen Menschenrechtsverletzungen und anderen tödlichen Übergriffen der US-Army die Rede ist – in einem Krieg, der ähnlich wie der in Vietnam … unter falschen Voraussetzungen begann, mit Lügen fortgesetzt wurde und nicht zu gewinnen ist.

Obama nun tut nichts, um dem unter unwürdigen Umständen eingekerkerten Bradley Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen (http://www.sueddeutsche.de/politik/wikileaks-informant-bradley-manning-held-hinter-gittern-1.1107592). Im Gegenteil: Er billigt die laufende Prozedur. Und fährt dafür – ebenso wie für die Bin-Laden-Show – Pluspunkte ein. Der mittlerweile achtzigjährige Ellsberg missbilligt Obamas Verhalten ausdrücklich, ja er nennt es einen Verstoß gegen die amerikanische Verfassung („Süddeutsche Zeitung“, 11./12./13.Juni 2011).

Der US-amerikanische Philosoph Noam Chomsky  ging vom 6. – 8. Juni 2011 in der Kölner Universität einen Schritt weiter. Wörtlich formulierte er: „Seit der Monroe Doktrin 1823 betrachteten die Vereinigten Staaten die Welt als politische und wirtschaftliche Verfügungsmasse, den eigenen Interessen untergeordnet oder noch unterzuordnen.“

Kersten Knipp, der Chomskys Vorlesungen beiwohnte, spürte einmal mehr dessen Grundannahme. Knipp wörtlich: „Die Außenpolitik der USA ist die Wurzel aller Übel weltweit. Ändert sich diese Politik, steht es auch um die Welt als Ganzes besser“ („Süddeutsche Zeitung“, 10 Juni 2011).

Auszug aus „abgebloggt“ , Heiner Labonde Verlag 2011, S. 368 ff.