Die Friedensbewegung …

… braucht eine deutliche Abgrenzung

Werden da die „echten“ deutschen Friedensaktivisten gerade bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt? Drängt da ein unwissender, emotional erregter, ansonsten aber eher vor sich hin träumender Teil unserer Gesellschaft plötzlich in düstere Kolonnen, die mal Putin, mal Poroschenkow, immer aber die bösen Islamisten verdammen? Vor Wochen gab sich das noch klarer. Da wurde gegen die entstellende Berichterstattung von ARD und ZDF in Sachen Ukraine protestiert. Da ging es heftig gegen den IS, doch gleichzeitig auch gegen deutsche Waffenlieferungen in Spannungsgebiete. Da stand der Frieden noch weitgehend unbeschädigt auf der Agenda. Dann aber vermischte sich alles völlig regellos und waberte schließlich nahezu eingleisig. Plötzlich ging es nur noch gegen die Islamisten, sprich: Salafisten, dann aber mit sehr viel mehr Schwung gegen alles, was den Islam in Deutschland hoffähig macht. Zu viele Muslime, stöhnte die Qualle – ein Gebilde, dass sich selbst aufbaute, ergänzte und anstachelte. Was da in Dresden abging und sich heute über die sächsische Landeshauptstadt hinaus ausbreitet, ist beispiellos. Gerade dort, wo der Anteil zugewanderter Migranten besonders gering ist, bäumt sich die Schar der Verächter. „Wir sind das Volk“ brüllen die und beschmutzen, was uns allen wichtig war/ist. Dieser „Gemengeschar“ treten dann ebenso viele Multi-Kulti-Bunti-Anarchi entgegen – deren Standort auch nicht immer klar auszumachen ist. Noch treffen die Gruppierungen nicht aufeinander. Noch trennt sie ein massives Polizeiaufgebot. Aber demnächst? Könnte nicht morgen schon so etwas wie ein kleiner Bürgerkrieg stattfinden? Etwas, dass bestimmt und nach klaren Winkelzügen geordnet den Ruf absondert: Bleibt, wo der Pfeffer wächst! Deutschland ist alles andere als ein sicheres Land. Und sein Luxus ein Gral für Gutbetuchte, umkränzt von Scheinblüten.

Sicher: Deutschland kann nur so viele Flüchtlinge/Migranten aufnehmen wie politisch aushaltbar ist. Gegen massiven Widerstand läuft nichts – allenfalls die Wiederholung von Hoyerswerder und Mölln. Angesichts der Weigerung gut situierter Länder, ebenfalls Hilfe – und zwar in gleichem Umfang – zu leisten, steht die Politik nackt da. Sie soll auch hier den Vorreiter spielen, was alles andere als fair, aber angesichts deutscher Wohlsituiertheit wohl angesagt ist. Das ist so ähnlich wie Italien und Lampedusa, noch aber verlustloser.

Es geht auch um Arbeitsplätze. Vor allem im Osten. Diejenigen, die die wenigen noch verfügbaren Jobs ausfüllen, fühlen sich bedroht. Und die Arbeitslosen noch aussichtsloser in die Ecke gedrängt. Ja, die Schere zwischen ARM und REICH öffnet sich hier zu Lande immer mehr. Die Wirtschaft interessiert das nicht. Sie agiert wie immer gnadenlos. Sie braucht gut ausgebildete, preiswerte Arbeitskräfte. Und die finden sich zunehmend in zugereisten Ausländern, in Spaniern, Portugiesen, morgen vielleicht auch in Syriern und Afrikanern. Wer einmal den Fuß in der Tür hat, nimmt ihn nicht wieder heraus. Und den Konzernen ist es scheißegal, wer die anstehende Arbeit ableistet. Hauptsache sie wird … und das in der notwendigen Qualität. Wenn dann die Regierenden den aufkommenden Brain Drain durch Lockrufe zusätzlich schüren, wenn sich also die Lobbyisten nach und nach durchsetzen, dann lassen sich die Produktionskosten noch einmal senken, was die ohnehin exzellente Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands (aber sagen wir besser: der großen deutschen Player) neuerlich steigert. Davon hat der kleine Mann herzlich wenig, denn die Steuern der Unternehmen, die ihm über Infrastruktur-Maßnahmen der öffentlichen Hand theoretisch zustünden/zufließen müssten, werden Zug um Zug ausgedünnt. Siehe Luxemburg!

Wenn es den Interessierten also gelingt, die Migrantenflut durch abschreckende Ereignisse wie Straßenschlachten und Pogrome einzudämmen und andererseits die Möglichkeit für gut ausgebildete Fachkräfte eröffnet wird, die Green- oder Blue-Card zu erwerben, dürfte sich einiges zu Gunsten des marodierenden Neoliberalismus ordnen. Genau so scheint das Ziel definiert. Bleibt die Frage nach den Drahtziehern. Sind diejenigen, die für ausbleibende Resultate bei den NSU-Prozessen sorgen, auch auf dieser Baustelle aktiv? Ist es das geheime Kalkül der großen Volksparteien, auf der einen Seite den heuchlerischen, migrantenfreundlichen Schleim abzusondern und im Backstage heimliche Hetze zu betreiben?

Ich weiß nicht, in welcher Gruppe ich demonstrieren sollte. Für die Pegida und ihre zahlreichen Ableger habe ich nichts übrig, obwohl auch in diesen, von Rechtsextremen durchsetzten „Truppen“ Forderungen aufgemacht werden, die man ernst nehmen sollte. Nur leider scheinen die allzu oft in huliganen, anarchistischen oder neofaschistischen Kontexten zu schwimmen.

Die Gegen-Demo umfasst einige der maßgeblichen Parteien und Organisationen, auch Kirchen und Migranten-Verbände. Selbst die Gewerkschaften (ja, wie viele eigentlich?) tönen mit. Doch größere Pulks der LINKEN, der attacis und campactis sucht man vergebens. Hier dürfte es ähnlich unschlüssig zugehen wie in meinem Kopf und Studierzimmer. Wer schon will mit CDU-Leuten gegen Rechts antreten, wenn er vermuten muss, dass eben diese mit der zweiten Arschbacke im falschen Club sitzen. Dort nämlich, wo die große Verschwörung angeheizt/ignoriert oder gebilligt wird.

Was wir brauchen, ist massiver Druck auf die Regierenden. Auf diejenigen, die die Suppe einfach kochen lassen – ohne Rezepte, ohne Konzepte. Merkel muss endlich Farbe bekennen. Sie muss sich von der Sparpolitik verabschieden (die wegen weiter einbrechender Wirtschaft in den Südländern ganze Heerscharen von ausländischen Fachkräften nach Deutschland schwemmt), sie muss klare Ansagen zur Zuwanderungspolitik machen, einen Gleichheitsgrundsatz für Migration in der gesamten EU einfordern/durchsetzen, die zugewanderten Migranten sinnvoll unterbringen, die Asylverfahren beschleunigen und gleichzeitig dem neofaschistischen Mob die Grundlagen entziehen. Letzteres geschieht am besten dadurch, dass man im öffentlichen Bereich mehr Arbeitsplätze schafft. Jeder weiß, dass allein in der Daseinsfürsorge Tausende Pflegekräfte, bei den Ordnungskräften Tausende von Polizisten, bei der Steuerfahndung ebenso wie bei der Massentierhaltung Tausende von Inspektoren fehlen. Diese Reihe ließe sich beliebig fortsetzen. Aber NEIN! Schäuble will die lügnerische schwarze NULL. Keine neuen Kosten, obwohl all das, obwohl auch tausende, akute Infrastrukturmaßnahmen nach Geld schreien.

Da kann ich nur sagen. Das Geld ist da. Nehmen wir’s von der Bundeswehr und lassen die künftig … schön zu Hause !

Por Cuba – alles über die rote Insel

Politische Analysen, Erzählungen, Menschen

 

Die Story: Als die Condor gegen 20 Uhr 20 Ortzeit auf dem Flughafen Havanna aufsetzt, liegen elfeinhalb Stunden Flugzeit hinter uns. Draußen ist es dunkel, mein Nacken ist verspannt und Joe, der mich begleitet, guckt schief in die Gegend. Wir hatten auf Abendsonne und eine zügige Abfertigung gehofft. Dann natürlich auch auf die nette Dame von SoliArenas, die uns abholen würde. Nichts von dem sollte sich erfüllen, aber davon später. Zunächst hatte ich ein komisches Gefühl im Magen. Es rührte von der Ansage her, die mir gut eine Stunde vor der Landung aus dem Bord-Lautsprecher entgegenschlug. Es ging um den Zoll. Man müsse – so hieß es – auch Geschenke deklarieren – so sie denn für Kubaner bestimmt seien. Nun, ich hatte etwas bei mir. Zwei Kartons, die mir ein UNESCO-Mitarbeiter aus Bonn geschickt hatte. Sie waren für einen Ex-Botschafter der kubanischen Regierung bestimmt. Was so drin war im Paket, konnte ich nur ahnen. Die Absender hatten das AUTOERSATZTEIL genannt. Ich war nicht neugierig, hatte das Paket einfach nicht aufgeschnürt. Jetzt, im aufgegebenen Koffer verstaut, wog es doppelt schwer. Sollte ich auf das Geschenk hinweisen, es aufführen, obwohl nicht sicher war, dass es das war, wofür ich es halten musste. Würde die Anonymität des Gegenstandes oder dessen unbedachte Einfuhr mich oder aber den Empfänger in Schwierigkeiten bringen? Nun, ich hatte kaum Zeit, die Varianten durchzuspielen. Jo und ich gingen bereits die Gangway hinunter. Ein paar Augenblicke später standen wir vor der Passkontrolle. Ich beschloss, gar nichts zu tun, sprich: den Koffer einfach passieren oder eben auffliegen zu lassen. Nun, ich hatte Glück – und kam unbeschadet in die Eingangshalle. Dort bot sich ein buntes Bild – auch bestimmt durch den Schilderwald derer, die Leute aus Frankfurt abholen wollten. Ein Logo unseres Reiseveranstalters war nicht dabei. So war es Jo vorbehalten, die Leute einzeln zu befragen, ob denn irgendwer irgendwo unseren Namen verschluckt habe. Die Suche dauerte. Dann aber hatte Jo Glück und wurde fündig – unter einem Schriftzug, der uns unbekannt war. Als Mensch mit wenig Nachsicht, als Mensch mit wenig flexiblen Vorstellungen zu Information, Kommunikation und Logistik ist man verkehrt auf Cuba. Wer bleiben will, tut gut daran, deutsch-übliche Abfolgen und Verknüpfungen schnell zu vergessen. Die Dinge kommen auch so ins Lot – manchmal etwas spät, dafür aber höchst unaufgeregt.
Wir saßen schließlich in einem Bus, von dem wir nicht wussten, ob er uns ins richtige Hotel bringen würde. Der dann aber losfuhr und genau dort ankam, wo wir hin mussten. Im Foyer stieß José zu uns. Er war Reiseleiter und vertrat Cubanacan, eine inländische Reisegesellschaft, von der wir bisher nichts gehört hatten.
Wer jetzt vermutet, dass die Reiserei auf Kuba ein Problem ist, irrt heftig. Jo und ich jedenfalls würden das nie behaupten. Denn zum einen wussten und wissen wir nicht, ob unser Fall typisch war. Noch machte uns die höchst undeutsche Art zu reisen, wirklich zu schaffen. Immerhin hatte sich im Verlauf der Tour so etwas wie eine Schicksalsgemeinschaft gebildet, die jeder neuen Wendung gespannt entgegen starrte. Abenteuer pur, ungeplant, quasi aus der Hüfte heraus. Während der Standard-Tourist auf den morbiden Mix aus kolonial und „Castro-light“ wartete und beides im Regelwerk des ihm Zugedachten auch vorfand, waren wir im richtigen Kuba. Und kaum mit den geführten Hochglanzfotos beschäftigt.
Die organisatorischen Pannen waren also weniger wichtig. Und José natürlich ein netter Kerl – stämmig, einsachtzig und Patriot. Wie zu erwarten, war der Mann stolz – nicht nur auf Job und Fidel, sondern auch auf sich und so, wie er aussah. Es gebe auf Kuba zweiunddreißig Hautschattierungen, witzelte er: von ganz weiß bis ganz schwarz. Er selbst habe sich bei siebzehn eingeordnet.

Der nächste Morgen verging wie im Zeitraffer. Aufstehen, Früh- stücken, Koffer fassen und los. Kaum dass wir saßen, lag halb Havanna schon hinter uns.
Zuerst war der Westen dran: Ein Ausflug ins Zigarren-Tabakland, in die Cuhiba-Geheimkammern, in denen niemand fotografieren oder filmen durfte, wo die Blattsortierer, -schneider und -roller, eng aufgereiht, am Werk waren – den Betrachtungen, Bemerkungen und gelegentlichen Lachsalven der Besucher ausgesetzt. Dass hier eines der wichtigsten Exportgüter zum Leben fand, war angesichts des druckvollen, aber irgendwie puppenkistenhaften Aufeinandertreffens von Touris und Tabaceros nicht recht greifbar. Gerochen hat es dennoch gut.

Wir haben natürlich die Hemingway-Runde mitgemacht, wir haben die Villa des Schriftstellers besichtigt und bei Cojímar nicht nur an ihn, sondern auch an die vielen Flüchtlingen gedacht, die von hier aus – legal oder illegal – auf tausenden, selbst zurecht gebastelten Flößen in Richtung Florida abfuhren. Da überkam einen glatt das zweifache Heulen, eines wegen der Ertrunkenen, ein anderes wegen der noch immer prekären Lage im Land.

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