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Zwei Menschen von Rang sind tot, und wir sind traurig

Wir haben zwei herausragende Persönlichkeiten verloren: Hans-Christian Ströbele und Michael Gorbatschow. Plötzlich wird einem dann klar, wie leer das Feld gefegt ist. Dass es kaum noch vergleichbare Charaktere wie diese beiden gibt.

Der Grünen-Politiker ist für mich ein Unikat und gleichzeitig wohl ein Auslaufmodell. Ich behaupte: Soviel Ehrlichkeit, Tatkraft und Standfestigeit hat es bisher bei keinem deutschen Politiker gegeben. Auch in der eigenen Partei ist er immer wieder gegen weltfremde Spinner,  Opportunisten und Kriegsbrandstifter angetreten. Hätte er in Berlin kein Direktmandat erlangt, wäre er wohl nie in eine wichtige Position gelangt. So aber konnte er seine alternativen Positionen oft und überzeugend dem Mainstream entgegenstellen. Er gilt uns zeitlenes als Vorbild.

Gorbatschow – so heißt es – habe als Staatsmann wenig Qualität bewiesen. Vor allem, weil er den Zerfall der Sowjetunion zugelassen hat – ohne bewusst und kraftvoll ein neues, tragfähiges Ziel anzusteuern. So eine Wertung ist schnell formuliert. Vor allem, wenn der Mann tot ist. Ich meine, dass es quasi unmöglich war, ein Land ohne Demokratieerfahrung schmerzlos in Sicherheit zu bringen. Glasnost und Perestroika markierten den richtigen Weg. Sie hätten durch eine taugliche (demokratiefreundliche) Staatsmacht kraftvoll begleitet werden müssen. Doch letztere konnte nicht aus dem Boden gestampft werden. Wenn der Westen heute beklagt, dass G. es versäumt habe, die alten Strukturen zu entmachten, dann klingt das angesichts der putinschen Politik – gemeint ist die aktuelle Politik – logisch. Wer aber hätte den „Laden“ nach 1990 zusammenhalten sollen? Ein Jelzin gewiss nicht. Unter ihm wäre die Sowjetunion durch Milton Freeman (die ChikagoBoys) im Tabula-Rasa-Takt filetiert worden.

Kurzum: Gorbatschow mag als Politiker seine Fehler gehabt haben. Für Deutschland ist er derjenige, dem die Wiedervereinigung zu verdanken ist. Das zählt übermächtig, und man liebt ihn dafür! Gorbi hat sich bei den 2+4-Verhandlungen vom Westen über den Tisch ziehen lassen https://www.mdr.de/geschichte/zeitgeschichte-gegenwart/politik-gesellschaft/zwei-plus-vier-verhandlungen-deutsche-einheit-nato-osterweiterung-putin-100.html. Er musste miterleben, dass sich die NATO in ganz Osteuropa etablierte – gegen seinen ausdrücklichen Willen. Er hat Putin nach dem 24. Februar kritisiert und damit in seiner Heimat Russland einmal mehr für negative Schlagzeilen gesorgt. Das Gros der Bevölkerung hasste ihn.

 

Gysi im Selbstporträt

Wer sein DDR-Bild ein wenig komplettieren und gleichzeitig den charismatischen Gregor Gysi abseits des TalkshowLärms genauer kennen lernen möchte, der stöbere doch in „Gregor Gysi – ein Leben ist zu wenig“.

https://www.amazon.de/Ein-Leben-ist-wenig-Autobiographie/dp/3351036841/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1513085241&sr=8-1&keywords=gregor+gysi+ein+leben+ist+zu+wenig#reader_3351036841

Der Politiker/Autor hat sein Buch gestern auf dem Düsseldorfer Flughafen signiert. Die Fans waren erfreut  und kauffreudig …

Helmut Schmidt – Schlussbemerkung

Schmidt_Bild_20_1_16Jetzt, da Helmut Schmidt unter der Erde ist, ist es Zeit, kein gutes Haar an ihm zu lassen. Ein schlechter Scherz? Natürlich!

 

Dennoch bleibt die Frage, ob der Macher Schmidt mit seinem sozialdarwinistischen Machtempfinden („Der Stärkere hat Recht, und der Schwächere hat sich danach zu richten“), mit dem aus den Wehrmachts-Kasinos entlehnten Freundschaftsbegriff , mit seiner Abneigung den 68ern gegenüber, mit seinen Ambitionen zur Wiederbewaffnung Deutschlands (NATO-Doppelbeschluss), seiner Nähe zum Pinochet-Steigbügelhalter Kissinger, schließlich mit seiner altväterlichen Arroganz tatsächlich diesen Status des Über-Kanzlers ausfüllt, der ihm vielfach angedient wird http://www.taz.de/!5105836/.

 

Schmidt war ein SPD-Rechter, der Härte und Führungskompetenz bewies, der in kritischen Situationen (beim Hamburger Hochwasser, bei Auseinandersetzungen mit der RAF und der Befreiung der von Terroristen entführten „Landshut“) seinen Mann stand, aber der Arbeiterschaft (der damals noch wichtigsten Klientel) sehr viel weniger zu sagen (und nachzufühlen) wusste als Willi Brandt. Der kühle Rechner folgte der Wellenbewegung des Kapitalismus und stützte dabei vor allem diejenigen, die ihn antrieben.
Bereits im Oktober 2015 wurde der Briefwechsel zwischen Brandt und Schmidt bekannt. Freunde scheinen die beiden nicht gewesen zu sein – und die SPD selbst –  so heißt es in einem Kommentar – habe beide schwer gedemütigt https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/lieber-willi
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Eines muss man Schmidt zu Gute halten: Gegenüber Russland und China hat er in den letzten Jahren eine glaubhafte, realistische Haltung vertreten. Die ebenso lächerliche wie peinliche Hetze gegenüber beiden Großmächten hat er ebenso wie Exkanzler Schröder strikt abgelehnt. Und auch sonst dafür plädiert, andere ihr Schicksal selbst bestimmen zu lassen. Davon ist auf die heute Regierenden leider nichts abgefärbt.