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Quelle: Rheinische Post vom 25. September 2023
Es kommt einer Katastrophe gleich, dass es von Seiten des Westens, vor allem aber auch von Seiten Deutschlands keinen offiziellen Vorschlag für einen Waffenstillstand/Frieden im Ukrainekonflikt gibt. Die Chinesen, die Afrikaner, die Brasilianer etc. haben sich dazu geäußert. Scholz & Co. tun nichts an dieser Stelle. Und üben nur schaurige Solidarität, sprich: nehmen mit dem aussichtlosen Freiheitskampf/mit dem brutalen Stellvertreterkrieg fortlaufend Tausende Tote in Kauf. Traurig, dass dann Privatpersonen in die Bresche springen müssen. Prof. Peter Brandt, Prof. Hajo Funke, General a.D. Kujat und Prof. Horst Teltschik haben am 9. September in der Berliner Zeitung einen mutigen Plan nicht nur für die Beilegung des Konfliktes, sondern auch für die darauffolgende Zeit bis zum Abschluss einer europäischen Friedensordnung vorgelegt. Etwas, auf das z. B. Rheinischen Post bis heute nicht mit einem Wort eingegangen ist. Der Berliner Zeitung als derzeit einziger Tageszeitung, die an dieser Stelle ausführlich berichtet, ja mehr noch: als einer Zeitung, die wenige Tage darauf einen völlig konträren Beitrag und damit eben ein komplettes Meinungsbild von sich gibt, ist deshalb doppelt zu danken.
Wenn Letzterer moniert, dass Brandt, Funke, Kujat und Teltschik das Verbrecherische an Putins Feldzug zu wenig herausgestellt und die Ukraine mit ihrem Vorschlag düpiert und damit den Freiheitswillen der Freien Welt insgesamt beschädigt haben, dann stellen sich bei mir die Ohren auf. Klar: Putin ist ein Verbrecher, wie es nur wenige auf der Welt gibt (da fallen mir auf die Schnelle nur Truman, Bush jnr., Stalin, Hitler, Mao, Pinochet und die Nordkoreaner ein). Putin ist der Prototyp eines Imperialisten, der glaubt, tun und lassen zu können, was ihm gefällt, der sich Länder und Menschen greifen und in „eigene Reich“ einverleiben kann. Putin muss geächtet und dauerhaft aus dem Verkehr gezogen werden – ein innerrussisches Problem. Mit einem Nach-Putin-Russland wird man weiter verhandeln, leben und sich kulturell und wirtschaftlich austauschen können/müssen (?).
Soweit zur Beurteilung des aggressiven Angriffs selbst. Zur Kriegsschuld muss sehr viel weiter ausgeholt werden. Hier trifft es auch den Westen und die Ukraine. Dazu habe ich in den zurückliegenden Monaten ausführlich geschrieben, u.a. unter https://www.stoerfall-zukunft.de/das-problem-darf-nicht-mit-schweren-waffen-es-muss-diplomatisch-geloest-werden/.
Nach unserem Demokratieverständnis muss sich jeder Bürger einer imperialistischen Aggression entgegenstellen. Fragt sich, um welchen Preis und in welcher „Gefechtslage“ eine solche Haltung umsetzbar ist und wann man (notgedrungen) von ihr Abstand nehmen muss. Im Fall Ukraine ist der Blutzoll unvertretbar hoch, weil der Gegner in der vorliegenden „Konstruktion“ haushoch überlegen ist (das aber bisher nur bei unverantwortlichen Raketenattacken gezeigt und mit dem Verzicht auf Gegenoffensiven eine mögliche Besiegbarkeit an der Front suggeriert hat). Niemand kann von einem Volk erwarten, dass es sich und seine Infrastruktur sukzessive auslöschen lässt. Das Leben gibt es nur einmal, und ein Wiederaufbau aus dem Fast-Nichts heraus dürfte Jahrzehnte dauern. Ganz zu schweigen von dem bislang völlig ungelösten Vorhaben, Misswirtschaft und Korruption, die Herrschaft der Oligarchen, zu tilgen.
Ich wiederhole mich: Der Westen lässt seit mehr als zwei Jahren Tausende, oft schon schwer lädierte und traumatisierte ukrainische Soldaten für einen westlichen Freiheitsbegriff kämpfen und verbluten. Und profitiert noch dabei: Er kann die Bestände alter Waffen kostengünstig verhökern und den Konkurrenten Russland wirtschaftlich und militärisch schwächen.
Für mich ist klar, dass dieser Krieg von keiner Seite zu gewinnen ist. Und dass es auch nicht dazu kommen wird, dass Russland vor jeglicher Vereinbarung seinen Abzug aus den besetzten Gebieten erklärt. Letzteres dennoch anzustreben, ist – ganz im Gegensatz zu Wittmann – kompletter Wahnsinn. Um den Krieg zu beenden, muss ein vorläufiger Raubfrieden – ganz so wie es die vier Autoren beschreiben – akzeptiert werden. Später müssen vorläufige Ergebnisse mit Hilfe der UNO/der Weltgemeinschaft/der großen politischen Bündnisse nivelliert, korrigiert oder annulliert werden.
Derzeit kann sich niemand den drohenden, endlosen Stellungskrieg, der kein Ergebnis zeitigt, leisten – auch Deutschland nicht. Rein wirtschaftlich hat der Krieg schon jetzt auch den Westen unendlich viel Geld gekostet. Geld, dass die Steuerzahler in den jeweiligen Ländern auch dann aufbringen mussten, wenn sie gegen den Konflikt votierten. Von den konjunkturellen Einbrüchen, von Inflation und Einbußen beim Lebensstandard will ich gar nicht reden.
Mein Appell geht an den bislang einzigen Profiteur – die USA, die Ukraine zum Einlenken, d. h. zum Abgehen von den derzeitigen Maximalforderungen, zu bewegen. Er geht aber auch an alle westlichen Bündnispartner, endlich zu erklären, dass die Ukraine diesen Krieg nicht gewinnen kann. Weder mit Hilfe gefälschter Verlustzahlen (s. Wittman, der die Zahlen unbesehen glaubt), noch aus rein militärtechnischer Sicht nicht. Denn die Vielzahl der vom Westen bereitgestellten – z. T. uralten Waffen – bringt größte Probleme mit sich. Abgesehen davon, dass es eine Frechheit ist, die Ukrainer mit alter Technik zu beliefern, können mit einer solchen Ausrüstung nur punktuelle Teilerfolge erzielt werden. Hinzu kommt eine totale Irritation/Hilflosigkeit. Fallen nämlich die Waffen des Rüstungskonzerns A aus, dann sind die Mannschaften nicht in Lage, in der Nachbarschaft verfügbare, aber völlig anders konstruierte, vom Rüstungskonzern B stammende Waffensysteme zu bedienen. Dieser Situation steht ein Feind gegenüber, der moderne und einheitlichen Waffensysteme in unendlicher Folge nachproduzieren und einsetzen kann. Und zudem das Know-how aus erbeuteten westlichen Waffen schöpft. Das wiederum wird keinen aktuellen technischen Stand repräsentieren und im Umkehrschluss deutlich machen, dass der Westen um keinen Preis, Ausrüstungen aus dem Hightech-Waffenprogramm exportiert hat und exportieren wird. Ein Sieg der Ukraine wird damit in weite Ferne gerückt.
Fragt sich, ob die Erkenntnisse aus erbeuteten russischen Waffen in umgekehrter Richtung Wunder bewirken oder eben nur die Patsituation befestigen.
Olaf Scholz vor einem Panzer der Bundeswehr, Analena Baerbock in einem Flugzeug der US-Airforce, „Panzer-Toni“ Hofreiter mit grünem Kriegsgebrüll, die Strack-Zimmermann auf Kurs der Rüstungsindustrie, Michael Roth mit Kampfflugzeugen für die Ukraine, Pistorius mit offensiven Taurus-Prognosen und all die ParteiOberen mit klarer Geste für die Fortsetzung des Ukrainekrieges.
Ich frage mich, wo die deutsche Politik gelandet ist, wie sie gegen mehr als 60% der Bevölkerung noch so regieren kann, wie sie regiert. Ich frage mich, wie unser Land das wieder gutmachen, wie es die Verantwortung für den Tod von russischen Soldaten durch deutsche Waffen übernehmen will. Ich frage mich, wie je wieder ein gutes Wort mit einem Russen gewechselt werden – oder zwei Level darüber – eine europäischen Friedensordnung unter Einbeziehung Russlands auf den Tisch kommen soll.
Die kompromisslose Formel, dass man die von Putin vereinnahmten Gebiete um jeden Preis zurückerobern müsse, aber auch die Tatsache, dass der Agressor Putin anektiertes Land nicht preisgegebn will – beides stiftet täglich neues Leid. Trotzdem ist nicht ansatzweise an eine Konfliktlösung, geschweige denn an einen Sieg einer der beiden Seiten zu denken. Die nahezu erfolglose Offensive der Ukraine wird schon in einem Monat im Schlamm versinken, und Putin wird unverändert dagegen halten. Was nichts anderes bedeutet, als dass man wieder da ist, wo man immer war: im bewegungslosen, aber wiederum tödlichen Stellungskrieg, am Gegenüber ohne Entscheidung. Dass dafür Tausende Soldaten ins Gras beißen mussten und müssen, dürfte auf beiden Seiten als Heldentum deklariert werden. Freilich mit dem Unterschied, dass eine Seite den gerechten Krieg führte. Aber tot ist eben tot. Und das Leben gibt es nur einmal.
Abgesehen von einigen irrsinnigen Patrioten will kein Mensch freiwillig in den Krieg – auch … in keinen Verteidigungskrieg. Der – mit modernen Waffen ausgetragen – noch brutaler ist als es die zurückliegenden Weltkriege waren. Die Überlebenschancen sind gering und die edlen Motive schnell aufgebraucht – wenn, wie zumeist – der Tod oder das Krüppeldasein ansteht. Für wen kämpfen die Soldaten. Auf der einen wie auf der anderen Seite für ein korruptes Regime, das von Autokraten und Oligarchen beherrscht wird. Für Länder also, in denen totale Rechtlosigkeit herrscht, für Länder also, die Demokratie nicht einmal im Ansatz kennengelernt haben. Denn auch Timoschenko, Poroschenko, Melnyk, ja eigentlich alle, die in der Ukraine herrschten/herrschen und etwas zu sagen hatten/haben, rochen bzw. riechen nach bösestem Wildwuchs. Da ändern auch die jüngsten Massenentlassungen aus Militär und Versorgung gar nichts. Nimmt man die Tatsache hinzu, dass der gewählte Präsident Janukowitsch durch einen Putsch vertrieben wurde, dass auf dem Maidan bezahlte Demonstranten mitmischten, dass damals Schüsse fielen, für die es bis heute keine Erklärung gibt, nimmt man hinzu, dass US-Politiker monatelang die ukrainische Regierung „verstärkten“ und Biden jnr. die politische Einflussnahme durch finstere Eskapaden auf dem Energiesektor begleitete, dann ist plötzlich unklar, welche Werte dort verteidigt werden.
Vom Regime Putins muss ich gar nicht erst reden. Es spiegelt die Autokratie in ihrer aggressivsten und verabscheuungswürdigsten Form (der russischen Bevölkerung werden Informationen und fundamentale Rechte vorenthalten. Russland führt einen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine – auch gegen zivile Einrichtungen und Infrastruktur, was einen permanenten Bruch des Völkerrechts bedeutet). Aus der komplizierten Gemengelage resultiert eine indoktrinierte, verblendete und reglementierte Bevölkerung, die Putin mehrheitlich folgt, andererseits aber weder eine kraftvolle Opposition hervorbringt noch nennenswert unterstützt – ja mehrheitlich tatenlos zuschaut, wenn Dissidenten für Jahrzehnte weggesperrt werden.
Männer, die dem Krieg entfliehen, stehen grundsätzlich in schlechtem Ruf. Auf ukrainischer Seite, weil sie den Freiheitskampf einfach aufkündigen, auf russischer Seite, weil sie ebenfalls als unpatriotisch und feige gelten. Dass die Ukraine von der EU verlangt, geflüchtete Landleute auszuliefern, zeugt davon, dass man Menschen auch gegen ihren Willen in den Tod schicken möchte. Vermutlich, weil es ein zu rechtfertigender, sprich: gerechtfertigter Tod zu werden verspricht. Einfach ekelhaft, da doch der Wille, an keinem Krieg, an keiner Selbstvernichtung teilzunehmen, ein urmenschliches Verlangen darstellt (im Gegensatz dazu ist lt. Internationalem Recht ein Land, dass angegriffen wird, berechtigt, Soldaten – auch gegen ihren Willen – einzuberufen und zum Kampf zu verpflichten).
Interessant auch, dass der Westen russischen Deserteuren – ganz gleich, ob sie bereits einberufen oder vor der Einberufung geflohen sind – seltener Asyl gewährt als ukrainischen https://www.tagesschau.de/inland/asyl-kriegsdienst-verweigerer-russland-100.html. Wo doch klar ist, dass diese Personen einem ungerechten Krieg entfliehen. Unbegreiflich auch, dass die Grenzen der EU für Russen zunehmend geschlossen werden. Als ob das Russischsein an sich schon Bösartigkeit und Schuld bedeutet – also einen Generalverdacht rechtfertigt.
Daran, dass sofort ein Waffenstillstand herbeigeführt werden muss – schon, weil es die Regimes auf beiden Seiten nicht wert sind, dass man für sie stirbt – denkt derzeit offenbar niemand. Weil Elend, Zerstörung und Tod außerhalb der Ukraine und Russlands kaum wahrgenommen werden oder wehtun. Denn Wohlleben und Luxus laufen – vor allem hier im Westen – unbehindert weiter. Auch dann, wenn auf hohem Level über Inflation, hohe Energiepriese und Militärausgaben geklagt wird.
Ein Witz der Sonderklasse ist die Münsteraner Friedenskonferenz, die sich auf das einvernehmliche Ende des 30jährigen Krieges beruft https://www1.wdr.de/mediathek/video-westfaelische-friedenskonferenz-in-muenster-100.html. Das – wie kaum vernehmlich festgestellt wird – nur deshalb zustande kam, weil beide kriegführenden Seiten Erfolge ausweisen konnten. Parallelen zum Ukrainekonflikt werden trotz dieser Binsenweisheit vehement zurückgewiesen.
In Münster geht es – wie eh und je einseitig, sprich: ohne Beteiligung aller am Krieg beteiligten Seiten und ohne Einbeziehung gewichtiger Schlichter zu – mit dem absehbaren Ergebnis, dass außer Show und Dummenpulver fürs Volk nichts geschehen ist. Außer der Maximalforderung a la Selenskij nach Rückzug sämtlicher Putintruppen aus den besetzten Gebieten einschließlich der Krim liegt nichts auf dem Tisch. Gegenüber dem Aggressor herrscht beredtes Nichtstun. Es gibt keinerlei Botschaft, nicht einmal den Versuch, etwas zu versuchen.
Den Amerikanern kann das alles Recht sein. Sie wurden und werden im eigenen Land nie angegriffen, ihre Rüstungskonzerne verdienen glänzend (und bescheren Wachstum) und Russland wird weiter geschwächt. Hinzukommt, dass man Vasallen, solche, die schon mal aufmucken, mit Phrasen auf Kurs bringen kann. Schließlich würden in der Ukraine Demokratie und Freiheit verteidigt. Werte, die freilich einer reaktionären, US-amerikanischen Deutung unterliegen. Was mit Blick auf große Teile der amerikanischen Gesellschaft und ihre Errungenschaften der reine Hohn ist.
Das ist ja zum Kotzen, sagt Ida, da reist man einmal im Leben nach Garmisch und dann das hier. Schlangen über Schlangen auf dem Weg zur Zugspitze und wenn ich auf Point 4 mal auf Felsen und Täler gucken will, sind auch da zwölf oder dreizehn vor mir, die auf Reihenfolge drängen.
Tatsächlich scheint längst abgemacht, dass nur zwei Dinge gehen: Entweder etwas sehen und dafür touristisch bluten oder zu Hause bleiben und die Mediatheken abklappern.
Nix ist so wie das Original, mault Ida und tatsächlich hat sie irgendwie Recht. Solange uns die virtuelle Realität, solange uns 3D-Fernseher mit Geruch vorenthalten werden, ist das Rumhängen auf Balkonien keine reizvolle Alternative.
Aber läuft das mit der lärmigen, abgasigen und aufdringlichen Liveversion wirklich netter? Und wenn ja: wie oft und wie lange noch?
Eines stellt sich schnell heraus: Nur in total unattraktiven Gegenden und zu grauslig kalten und nassen Zeiten sind Urlaube, nämlich die ruhigen, selbstbestimmten, noch möglich. Was die Frage aufwirft, ob es nicht besser sei, zu Hause zu bleiben. Man hat es dort in fast jeder Hinsicht besser, weil einem Kälte und Regen egal sein können, weil die Infrastruktur stimmt, weil die Dinge an Ort und Stelle sind, weil niemand stört oder rummeckert.
An einen attraktiven Ort zu fahren, wird seit Jahren immer unsinniger. Weil die Reiserei ein erschreckendes Ausmaß erreicht hat. Gewiss, man ist selbst mit dabei, wenn man auswärts urlaubt, und da muss es mich nicht wundern, wenn andere dasselbe ebenso blöd finden.
Es werden immer mehr. Immer mehr Menschen können sich Urlaube leisten und die Billiganbieter tun alles, um auch jenen, die kleine Brötchen backen, Meere und Landmassen zu erschließen.
Manche nehmen Urlaub für die Sauferei am Oktoberfest, kotzen und pissen in Flatrate auf Bänke und Gehsteige. Andere schießen bei Schützenfesten sämtliche Vögel ab oder ballern – wie in Neuss – irre auf Holzklötze. Wer es luxuriöser will, wer die nötige Knete hat und die auch im Urlaub arbeiten lässt, vergräbt sich in abgelegenen Villen, befielt Schlagbäumen und Securities dicht zu halten und hängt in Pools rum, die kein Wasser lassen. Solchen Leuten will und wird man nie begegnen, und so sind sie auch keines weg relevant für das, was ich sagen will.
Der normale Tourist muss sich durchschlagen. Er geht entweder voraus, folgt, reiht sich ein oder pöbelt und setzt Ellenbogen ein. Beide Typen haben kräftig gespart. Es ist ihnen wichtig, bei teuren Snacks und Kaffees mit dabei zu sein. Typ 2 klettert auf sämtliche Hänge, läuft mit bei den nächtlichen Trailrunnings durch fiese Geröllhalden und steht dann besser da als Typ 1, der auch zu Hause nichts geregelt kriegt.
Zur Urlaubskasse: Einen Unterschied gibt es schon – zwischen den kleinen Ansparern und denen, die genau das nicht müssen, letztlich aber auch schwach werden und rumprotzen. Zum Beispiel in den Alpen. Dort kann die Übernachtung auf halber Höhe – ohne Dusche und Klosett- schon mal 1000 Euro kosten. Und das auch, wenn man nachts kein Auge zukriegt. Immerhin sitzt man früh am Frühstückstisch und lässt sich feststellen. Ah, Herr Dr. Ungewohnt , auch hier dazwischengekommen?
Nur fünf Meter von diesem Tisch entfernt, schiebt sich alles, glotzt von draußen aufs Frühstück, selfiet und kommentiert – ganz gleich ob das Sinn macht, oder einfach wegbleiben kann.
Du musst es aushalten, sagt Ida, wenn du in der Schlange stehst. Du musst warten. Auch wenn du nur durch Glasstege in die Tiefe starren wills oder erschreckt geradeaus gucken musst.
Wie denn Glas, stöhnt Ida, haben die denn keine richtigen Baustoffe?
Leider ist Ida jetzt eingeklemmt, konnte im Grunde nichts sehen und … steht. Steht, bis alles wieder lostrampelt und dem Folgegipfel zuströmt.
Keine Ahnung, aber dort kulminiert das. Ida steht zwanzig Minuten zwischen zwei schwitzenden Kerlen bei Null Aussicht auf Berg und Veränderung.
Und … an diesem Punkt genau beginnt sie an Permafrost zu denken, daran, dass morgen alles einfach wegtauen könnte, dass die Felsen – ihres Kitts beraubt – reihenweise zu Tal krachen.
Irgendwann – ich denke in etwa 20 Jahren – gibt es das nicht mehr – nicht die Seilbahnen, nicht die Berghütten und … Hotels auf voller Höhe schon gar nicht. All das liegt murenmäßig verschüttet und breiähnlich im Tal – das seinerseits von Brücken und Straßen entblößt ist. Weil dieser Starkregen dazukam.
Fragt sich, was Touristen tun, wenn sie solcher Dinge gewahr werden, fragt sich, wo es sie dann hinverschlägt. Sicher nicht mehr in die Berge, die sich allseits kleinmachen. Vielleicht ins Ausland.
Vielleicht nach Spanien, nach Barcelona, nach Mallorca oder auf die Kanarischen Inseln. Doch halt: An diesen Locationes wird gerade auf Notstand gemacht. Die Zahl der Touristen, so heißt es, übertreffe die Zahl der Einwohner um das Hundert- bis Tausendfache. Dort stellen sie bereits Schilder auf, Papptafeln mit dem freundlichen Tourist go home. Wieder andere drehen die Hinweisschilder ins Gegenteil – eben so, dass alles verquer läuft. Ja, die Einheimischen, die Überwältigten, die Niedergewalzten wehren sich. Nicht jeder von denen kassiert, nicht jeder hat ein Hotel, ein Restaurant, eine Eisdiele, nicht jeder setzt sich angesichts der Gewinne über das hinweg, was an Lärm, Müll, Urin, Drogen oder Pöbel ins Bewusstsein dringt. Der einfache Bürger ist dem Mix aus allem ausgeliefert – ohne zu profitieren. Er muss es hinnehmen oder sich aus dem Staub machen – so er denn Staubloses in petto hat.
Letztes Jahr war ich in Venedig. Die Stadt schien dem Untergang geweiht. Heute kommt es mir vor wie gestern. Die Lagunenbrühe brodelte. Es stank zum Erbarmen. Zeitgleich mischten sich die Silhouetten der Kreuzfahrtschiffe mit heimischen Gemäuern. Ein 5stöckiges Haus schien zwischen Dogenpalast und Nationalbibliothek eingeklemmt. Neuerdings müssen die Pötte weiter draußen ankern. Die Leute, so heißt es, werden dann per Beiboot ausgeschifft. Was die Sache nicht einfacher macht, denn es bleibt bei der Zahl derer, die auf Land, auf den bootdichten CanaleGrande müssen – ganz einfach, weil sich die Vorstellung breit macht, dass die BeibootEnge dann aufhört. Selbiges ist natürlich nicht der Fall. Denn die Stadt, die man gerade betreten möchte, ist gleichfalls eng. Nicht baulich eng, aber eng, was die Bewegungsfreiheit angeht. Tausende schlängeln sich durch die engen Gassen, immer die Handys in Bereitschaft, weil Sehens- und SehensUnwertes unmittelbar gebannt werden müssen.
Sie trinken … diese Tausende, sie trinken aus mitgebrachten Flaschen, schaukeln mit Pizzen und Burgern durch die Gegend, lümmeln sich in Nischen und auf Steinsimsen und diskutieren über Urlaub, etwas, das den Jüngeren total cool, den Gesetzteren und Alten aber eher wie Irrtum vorkommt. Das alles tut sich, bis bei St. Marco die Abendglocken läuten, bis die Schatten der Umgebung in Finsternis übergehen, bis die Riesenkähne das flaniermüde Publikum aufgesogen haben und die Sirenen der letzten Boote das Ende des Tagestourismus beschließen. Auf Straßen und in Kneipen kehrt Ruhe ein, Ruhe, die eigenartig anmutet. Denn man ahnt schon, wie das am nächsten Tag weitergeht. Vielleicht mit Typen, die fröhlich aus China einfallen, vielleicht mit den schnauzbärtigen Grönländern, die mal Eis essen statt frieren wollen.
Alle jedenfalls Fotos schießend, selbst bei Wind und Wetter gestikulierend und bereit, die verkorksten, weil verregneten Bilder über Bing Image Creator aufzuhübschen. Ja, niemand ist künftig sicher vor fakepictures, vor den tausend SUVs, den Staus, den Touristenbusssen und Straßenrandpinklern, die monoton, täglich, ja stündlich, wiederkehren.
Man fragt sich natürlich, wie das weiter geht.
Solange sich mit Tourismus Geld machen lässt, solange Leute raus wollen, wird es Angebote geben. Die dürften künftig moch spektakulärer ausfallen, immer neue, radikal erschlossene Refugien aufstoßen und indigenes Malheur – wie gehabt – mit Coca zukleistern. Da geht’s mutmaßlich ins Innere der Erde, da geht’s an Steilhänge, die Climbing suggerieren, dann aber auch reale Abstürze hergeben. Da geht’s gruppenweise in Western-Kulissen, wo man sich lustig mit Gummigeschossen beharkt. Da geht’s an Nester, wo große Greifvögel zuhacken, an Gelege und Haifischbecken, wo die Inhaber auf Besucherfleisch aus sind. Da wird zum Breitlatschen eingeladen – immer rauf auf das, was Bio- und Geologen noch gar nicht entdeckt haben.
Den Versuch, landestypische Kulturen zu erleben, kann sich Tourist 4.0 – sofern er nicht gerade mit Studiosus 4.0 unterwegs bist – sofort abschminken. Was da noch mal aufgepeppt wird, sind virtuelles Geklapper und Getanze vor gepolsterten Stühlen, ist federfarbige Schreierei, begleitet von Eisbeinen und Bouletten aus Germany. Alles adaptiert und … gut ist.
Das Typische, das eigentlich Vorzeigbare dürfte dort, wo die Massen einfallen, gänzlich wegrutschen. Weil, ja weil schiefe Mauern, finstere Pagoden und Tempel, weil Schlangen, Hunde, Quallen und die großen Tausendfüßler keineswegs Unwillen, geschweige denn Schrecken verursachen dürfen. Es sei denn, der Touri hat tatsächlich Schockurlaub gebucht. Aber auch dann wird man weglassen, umformen oder abschotten.
Der Massentourist möchte es leicht haben, nicht durch Unwissen auffallen und Neues leicht speichern können. Er will für 15 Euro zum Ballermann und dann … bitteschön ballern. Er will auf die Sixtysix, in der Wüste ein bisschen dursten oder auf die Tomatenhänge von Malaga.
Tomaten mit ein bisschen Pestizid oder Tomaten auf den Augen? Malaga soll eine schöne Altstadt haben. Vor allem aber hat es fahle Touri-Hochhäuser und dann hunderte Treibhäuser mit Abdeckplanen, Plastikscheiß, der ganze Gebirge verschlingt. Doch was solls? Nicht jeder Fels, sagt der Malagese, ist vorzeigbar und dort vor Ort …. man ahnt es bereits … schon gar nicht. Trotzdem gilt auch in Malaga: Teilnehmen oder ausgeschlossen sein. Wer die Altstadt wählt, könnte gerade noch Glück haben. In Hallstadt sähe das anders aus. Dort muss man in Kürze Tickets kaufen, um überhaupt reinzukommen. Venedig scheint dem schon nachzueifern.
Ich gucke nicht gern auf Kreuzfahrschiffe, auf die Riesenpötte, die überall rumschippern, ihr Altöl verbrennen und am Liegeplatz Abgase ablassen. Gewiss, inzwischen gibt es Auflagen: kein Altöl und keine Plastikentsorgung ins Meer. Und Strom von den angesteuerten Häfen gibt es auch schon. Fragt sich, wer das kontrolliert. Einmal unbeobachtet und es rappelt es wieder. Die Kosten, die Kosten, schreien die Reeder und heulen sich ins Fäustchen. Die Kreuzfahrer, tönen sie, hätten es doch gerade bestens. All inclusiv – der Verbrauch an Umwelt, die Müllentsorgung in Kamerun und Malaysia, die Diebstähle von Korallen, Tieren und historischen Artefakten und die Fahndung danach, die Schlichtung von Saufkrawallen – alles sei derzeit noch eingepreist. Für morgen allerdings könne niemand mehr garantieren …
Wer Geld hat, macht alles Mögliche möglich. Da gibt es Leute, die 15 oder 20-tausend Dollar auf den Evest oder den K 2 rauf wollen. Und andere andere, die für Millionen ins scheiß TauchBoot einzusteigen. Ida meint, das seien Verrückte, Leute, die ihr veritables Leben noch toppen wollten. Typen wie diese stünden Schlange an den Einlassstellen zum Gipfel oder vergäßen, dass sie zwischen Leuchtfischen und Stahlschrott verrotten könnten. Da herrschten Kicksucht, Zuversicht und Ignoranz, dass die Schwarte knackt. Da passierte es glatt, dass Menschen auf Nimmerwiedersehen verschwinden, dass Nebenmänner am Berg umgeschubst würden und Umgeschubste sich selbst überlassen bleiben. Selbst Hassgesängen auf Hans Hass und Messmer würden daran nichts ändern. Weil niemand sie hörte, weil die Adventurebosse sehr viel lauter intonierten. Und Tiefsee wie Berge beherzt schwiegen.
Der Witz ist, dass viele das gar nicht glauben, einfach ihrer Vorfreude nachhängen und meinen: Urlaub ist schön, der Rest wird schon. Man ist dann oft den Werbefilmen der Branche aufgesessen, den von Touristen befreiten Hochglanz-Videos, die eigentlich nichts sagen. Und klar: Irgendwas wird schon.
Dabei ist es ziemlich einfach, die Webcams abzurufen: MarkusPlatz, die spanische Treppe, der schiefe Pisa, Monterosso, Villa Rufolo, Mont Saint Michelle blah, blah blah….das alles liegt doch blank vor euch. Oder türmt sich das, was da rumrennt, -läuft oder –liegt, bis hoch ans Objektiv und … ihr seht nichts?
Zweite Frage: Gibt es die Ökodiktatur mit Windrädern vor schönen Aussichten?
Gibt es sanften Tourismus, der auf Filzlatschen daherkommt und uns vorgeigt, dass alles anders oder gar nicht so schlimm ist? Folgt das Ganze dem Alptraum Kapitalismus, der kein Ende, wohl aber das Ende der Menschheit anpeilt. Bleibt es bei den fußballfeldgroßen Kisten, bei Aida, Carnival, Margret II und all den anderen. Bleibt es bei den Hafermann-, Gerstenmeier- und Weizen on Tour-Reisen oder treibt es die Reeder zu noch regideren Angeboten? Planen sie bereits 1000 und mehr Meter lange Schiffe, kilometerlange durchsichtige Glas- und Acryl-Plattformen auf Meeren und Gebirgen. Träumen sie von Plastikstrudeln, die man bevölkern kann?
Leute, vergesst, dass der Tourismus 8% der weltweiten Emissionen verursacht. Und lasst das Fremdschämen. Die Leute fliegen ja sowieso. Und es werden jährlich mehr …
Über Reisen ins All will ich eher schweigen. Zumal nur wenige, ich sage mal: wenige Hundert sich so etwas leisten werden. Bei all dem Schrott, der da umherfliegt, müsste man kräftig KI einsetzen. Doch wer hat schon Lust, ständig hin- und hergeworfen zu werden?
Ich fasse mich kurz, weil auch der Fahrstuhl ins All noch Zeit braucht und meine Fantasie nicht ausreicht, um künftiges Schlangestehen vor, im und hinter dem Orbit liebevoll zu beschreiben.
Schlimm wird es allerdings wenn dich morgen dein Sohn anruft und dich anfleht, ihm Geld zu schicken, weil er in Thailand bei zwei Nutten festsitzt, die bezahlt werden wollen. Ich meine, wenn dich morgen eine Stimme anmacht, die so klingt, als wäre sie die deines Sohnes, nicht aber die deines Sohnes ist.
Was das mit dem Reisen zu tun habe, fragt Ida. Nun ja, antworte ich, ähnliches könne bei künftigen Reisen vorkommen. Denn so, wie dich jemand falsches mit gestohlener Stimme anrufen kann, kann dir auch Dein gefaktes Reisebürofräulein gefakte Billigtickets verkaufen – natürlich mit Vorkasse. Und solltest du tatsächlich dort hinkommen, wo du hinwolltest, könnten dir schnell mal Plagiate aus dem 3-D-Drucker, vergilbte Gaugins oder neue Bali-Romane begegnen. Machwerke, die es dir ermöglich, liebe Mitmenschen per KI millieugetreu einzubauen und auszugestalten. Bodo B., dein Intimfreund, würde dann Millionär unter Palmen und Klaus, den du nie leiden konntest, Pädophiler. Was das später mit dir zu Hause macht, verschweige ich mal. Aber es wird … machen …
Ja, ja, Reisen und Zukunft können schön sein. Ich schwöre, dass mir das dennoch an der Urne vorbeigeht.
Um noch kurz beim Hiersein zu bleiben: Ich werde nur noch die Leute kontaktieren, mit denen ich ein VorausPasswort verabredet habe. Ob sie es dann sind, ob ich es dann bin. das wird sich zeigen. Reisen will ich jedenfalls durch Gespräche Ich werde mich weder nach Thailand noch nach Bali einschiffen. Und schon gar nicht den blöden Fahrstuhl vorausdenken. Ja, ich werde nicht einmal im Stau stehen, keine noch so renommierte Stadt – und schon gar nicht
Garmisch – besuchen …