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Dem Freundlichen, dem Positiven mehr Raum geben!

Keine Frage: Die Zeiten sind nervig und ermüdend. Man spürt ein Verlangen nach guten, nach entspannenden, heiteren, kurz gesagt: nach positiven Nachrichten. Die allerdings gibt es nicht zum Nulltarif – auch wenn das bisweilen so scheint.  Man muss das Erfreuliche mühsam zusammensuchen. Weil, nun ja: Weil sich gute Nachrichten nur schlecht verkaufen lassen – und deshalb in den Medien vergleichsweise rar sind. Genauer gesagt: Weil die allgemeine Kommunikation durch schlechte Nachrichten, durch Fake News und Horrormeldungen dominiert wird, ist nicht nur unsere unmittelbare Umgebung, sind nicht nur Deutschland und Europa, nein: sogar die gesamte Welt zu finster dargestellt. Die Wirklichkeit ist sehr viel freundlicher, aufgeschlossener und positiver – auch wenn das auf den ersten Blick nicht zu stimmen scheint.

Florian Vitello geht in seinem Buch „Good News“ noch weiter https://www.amazon.de/Good-News-lernen-schlechter-Nachrichten/dp/383120599X/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=1F4JNZ7AFLEOY&keywords=Good+News&qid=1678730473&s=books&sprefix=good+news%2Cstripbooks%2C106&sr=1-1 und https://www.journalismuslab.de/2021/04/20/wie-das-good-news-magazin-konstruktiven-journalismus-in-den-mainstream-holen-will/. Er attackiert die an der WirklichkeitsVerzerrung beteiligten Akteure – zum einen die Medien, die unrealistische, vor allem negative Bilder verbreiten, zum anderen aber auch Konsumenten/Verbraucher, die Nachrichten nicht nur relativ unkritisch annehmen, sondern ihnen auch missmutig aufsitzen, Angst gebären und kaninchenmäßig vor der Schlange hocken. Viele Menschen würden angesichts der Komplexität unserer Welt, angesichts der oktroyierten Auffassung, dass der Einzelne nichts oder nur wenig beeinflussen/ändern kann, hilflos und inaktiv.

Vitello ruft die Medien auf, zu einer Ausgewogenheit in der Berichterstattung zu finden. Und animiert die Bürger, sich von den Unbilden dieser Welt (die es natürlich gibt) nicht erdrücken zu lassen. Vitello wörtlich: „Wollen wir, dass Menschen die Gesellschaft zum Wohle aller mitprägen, dann muss Journalismus auch in starkem Maße anregen und positive Beispiele veranschaulichen. Reportagen, Analysen, Recherchen, Kommentare und Meldungen müssen gleichermaßen zeigen, dass gesellschaftlicher Wandel bereits passiert, dass sich Menschen massenhaft engagieren für eine freie, gerechte und nachhaltige Gegenwart und Zukunft, dass es unzählige Lösungsansätze gibt und dass jeden Tag neue dazukommen.“

Ein Stück weiter verhebt sich Vitello allerdings. Er meint es gut, unterschätzt aber die Kräfteverhältnissee auf unserem Planeten. Denn nicht die Menschen an sich, sondern ganz bestimmten Typen des Homo sapiens steuern das Schiff, auf dem wir unterwegs sind – es sind leider die machtbewussten, geldgierigen, cleveren und rücksichtslosen. Die aber werden von Vitello nicht gesondert herausgestellt. Ohne die anzumahnende konkrete Blickrichtung formuliert er: „Der konstruktive Journalismus verschließt keineswegs die Augen vor dem Negativen, sondern erweitert den Kontext, gibt diesem eine andere Bedeutung oder zeigt die andere Seite zum Ausgleich […]. Positiver Journalismus wird genährt von der unbeugsamen Überzeugung, dass die Welt gut werden kann, wenn Menschen sie zum Guten verändern.“ Eine gleichermaßen zweckoptimistische wie platte Vorausschau. Hier hätte man sich mehr Realismus gewünscht.

M.E. richtig beurteilt er das Gros der Bürger: „Wir sind darauf trainiert und gepolt, dass wir Negatives stärker wahrnehmen als Positives […]. In Wirklichkeit wird die Welt immer besser, aber selbst Menschen an der Datenquelle vergessen das systematisch […]. Obwohl früher das meiste schlechter war, behauptet unser Nostalgiefilter konstant: früher war alles besser […]. Wer früh lernt, vermeintlich hilflos zu sein, neigt dazu aufzugeben und sich Negativem hinzugeben […]. Um unsere Gewohnheiten in eine Richtung zu lenken, die mit unseren Träumen, wünschen und Werten übereinstimmt, braucht es drei Dinge: Wiederholung (das, was wir selbst als positiv erkennen, erneut und immer wieder tun d. R.), Belohnung (die Belohnung lässt uns positive Gewohnheiten aufbauen und fortsetzen d. R.) und Kontext (Umgebung, Begleitumstände-Veränderungen und ihre Folgen d. R.).“

Vitello möchte die Menschen ermutigen, sie für das Konstruktive, Nachhaltige und Kooperative gewinnen. Und mit allen Mitteln verhindern, dass diejenigen Kräfte die Oberhand gewinnen, die den Planeten ruinieren. Er fordert eine naturnahe Zukunft, die würdevolle Zusammenarbeit zwischen Menschen aller Hautfarben – unabhängig von deren gesellschaftlicher Stellung, deren Geschlecht und sexueller Orientierung, er fordert Respekt und die Anerkennung von Lebensleistungen – ganz gleich, wann, wo oder von wem sie erbracht werden. In diesem Sinne wirkt er durchgehend positiv und man möchte ihm wünschen, dass er mit seine Botschaften durchdringt.

 

Ausschließlich erfreuliche Nachrichten liefert das Good News Magazin https://goodnews-magazin.de/ ‑ die negativen gibt’s ja eh schon …

 

 

Heute mal großes Lob!

der Freitag
hat sich in einer Medienwelt, die linksliberales Denken mehrheitlich ausschließt, fantastisch etabliert. Ich sage das nicht, um den Akteuren zu gefallen. Es ist einfach offensichtlich – und es hat mit Mut zu tun

Niemand kann davon ausgehen, dass einem die Medien das vorsetzen, was man gern hören oder lesen möchte. Folglich ist in regelmäßiger Folge Ärger programmiert. Was allerdings nicht mehr bedeutet als ein Hadern mit der Vielstimmigkeit. Und genau das liegt im menschlichen Wesen. Unegoistisch, großzügig und liberal zu denken/zu handeln eben nicht unbedingt.

Wozu sage ich das? Ich zitiere – vor allem in schwierigen Zeiten wie den heutigen – sehr häufig den FREITAG. Obwohl ich einiges vom dem, was er vermittelt, immer mal von mir weise: Meist geht es um die Flüchlingspolitik (alles rein, was rein will!), um politische Auseinandersetzungen, die deshalb geführt werden, weil der politische Gegner a priori im Unrecht ist, dann aber auch um Beiträge im Kulturteil, die mir unverständlich, grotesk abgehoben oder herbeigeholt erscheinen.

Sei es wie es sei! Andere Leute sehen das sicher anders.

Bei aller Kritik an einzelnen Beiträgen des FREITAG – unter dem Strich gibt es ein fettes Lob (besonders für die Nummern 11 und 12/2022). Denn m. E. existiert im deutschsprachigen Raum keine einzige Zeitschrift, die es bewusst vorhatte und der es auch gelingt, zu den höchst sensiblen Themen „Corona“ und „Ukrainekonflikt“ ausgewogen zu berichten, zu argumentieren und Wissen zu vermitteln.

Den Mitarbeitern gebührt in einer Welt, die vor Lügen und Missverständnissen geradezu anquillt, viel Dank und Anerkennung.

Mein Brief an den FREITAG: Bitte ausgewogener berichten!

Tut mir leid, aber ich empfinde es als Skandal, das in der neuen Ausgabe des FREITAG weder die Demo in Leipzig, noch der europaweite Terror der Islamisten kommentiert wird. Außerdem scheint mir die mehrfach beobachtete Polemik gegen die CoronaMaßnahmen total überzogen. Der politische Gegner darf offenbar nichts richtig machen. Auch die unterschwellige Kritik an den „regierungsamtlich“ agierenden Virologen Dr. Drosten/Dr. Cisek ist alles andere als abwegig. Man muss da auf Krampf Leute zitieren, die kaum fundiertes Wissen und Mitstreiter haben. Der NDR-Corona-Podcast informierte in über 60 Folgen wie keine andere Quelle über das aktuelle Geschehen – eine MeisterLeistung (Grimme-Preis!). Auch das Geschrei über die Einschränkung der persönlichen Freiheit ist überzogen. Man muss doch nur vergleichen, wie es in anderen Ländern zugeht. Aber auch diese Linse ist oft trüb. Immerhin sehen wir, was ein Zuviel an Freiheit coronamäßig erbringt. Dass Deutschland noch einigermaßen gut über die Runden kommt, muss ja wohl auch auf positives Handeln zurückgeführt werden. Aber diese Schlussfolgerung findet sich fast nirgendwo im Freitag. Klar, man muss den in kleinen Wohnungen Eingesperrten, den Soloselbständigen, Künstlern etc. schneller und strikter helfen. Da ist Druck nötig, aber nicht generell/prinzipiell und in jeder Sachlage.

Ich hoffe, dass die Zeitung auf das Niveau zurückkehrt, das sie vor Corona hatte. Kritische Berichterstattung ist wichtig. Aber nicht alles. Ich zitiere häufig aus dem Freitag und diskutiere auch, was dort steht. Aber viele der höchst einseitigen /wenngleich oft richtigen Bewertungen, die auf das ND oder die Jungen Welt zurück gehen, sollten und müssten vom Redaktionsteam des Freitag um fehlende Aspekte komplettiert werden – durchaus in separaten Beiträgen. Die aus dem Guardian beigestellten Texte sind fast immer erste Klasse. Danke!

Wird der Sohn von Walser und Augstein eine Art Lichtgestalt im finsterer werdenden Deutschland?

Keine Frage:  Die Kolumnen von Jacob Augstein, die in fast allen  renommierten Blättern der Bundesrepublik erscheinen, sind interessant und ein wichtiger Kontrapunkt zum laufenden Mainstream. Augstein hat sich eine scharfe, linksliberale Zunge bewahrt, und er holt kräftig aus, wenn es gilt, Auswüchse des Kapitalismus zu geißeln. Dabei bleibt er immer auf grundgesetzlichem Teppich und watscht schon mal Extremisten von links und rechts gehörig ab.

2012 bekam er Probleme mit der jüdischen Gemeinde, die ihn glatt als Antisemiten abstempeln wollte. Das allerdings gelang nicht. Der Vorwurf fiel auf die Verleumder zurück. Antisemitismus ist seitdem mehrfach Thema im Freitag, dem er als Chefredakteur und Verleger vorsteht. Das offizielle Israel – so hört man immer wieder – bastele sich seine anklägerischen Definitionen so zusammen, dass es sich alles, auch die menschenverachtenden Aktionen gegen Palästiner und jüdische Protestler  erlauben kann (s. auch den separaten, beistehenden Beitrag).

Ich habe DIE ZEIT satt

Tatsächlich habe ich mich immer wieder auf ein kostenloses Abo für DIE  ZEIT eingelasen. Das hat jetzt ein Ende. Diese Zeitung hat ein UnFormat, bedient zu 80% Themen, die mich nicht interessieren – schwelgt in Schicki-Micki, wirbt für Produkte und Reisen, die sich nur Millionäre leisten können, hoffiert Grüne mit SUV-Monstern und Blondinen mit SexSeiten, ist mit Herrn Joffé politisch stock konservativ und  bei  stupider Seitenfüllung langweilig und -atmig.

Schlimm, dass es es bei Wochenzeitungen fast nichts Besseres gibt – ausgenommen der freitag www.freitag.de!

„Störfall Zukunft – Schlussfolgerungen für einen möglichen Anfang“

Rezension vom Dezember 2008:

„Ich kenne kein Buch, bei dem sich der Verfasser die Mühe gemacht hat, aus einer solchen Fülle von Einzelinformationen die einflussreichsten Entwicklungslinien unserer Zeit und die wichtigsten Gedankengebäude der ´Opinion leader´ herauszuarbeiten.“

Drucken
Ulrich Scharfenorth: Störfall Zukunft – Schlussfolgerungen für einen möglichen Anfang – Heiner Labonde Verlag, Grevenbroich 2008, Taschenbuch, 632 Seiten, ISBN 978-937507-15-6, Preis: 34,- € .

Wir leben in einer Informationsgesellschaft – so sagt man jedenfalls. Tag für Tag strömen auf jeden von uns Dutzende von Informationen ein, Informationen, die meist keinen inneren Zusammenhang aufweisen. Die widersprüchlichsten Aussagen werden in Umlauf gebracht, von den Medien häufig ungeprüft übernommen,. Wir hören, sehen, lesen all das und sind verwirrt. Es fehlt der Überblick. Wie soll man in solch einer Situation eine Vorstellung davon gewinnen, wie die Zukunft unseres Planeten und die künftigen „Rahmenbedingungen“ unseres eigenen Lebens aussehen werden? „Störfall Zukunft“ heißt ein neues Buch, ein Kompendium von bemerkenswerten Fakten, wichtigen Positionen und gegensätzlichen Meinungen in zwölf technisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich und politisch für uns alle sehr bedeutsamen Feldern. Die hauptsächlichen Themen sind: Weltraumfahrt, Biotechnologie und Gentechnik, Agrarwirtschaft , Nanotechnik, Bildungsreform, Energieversorgung, Globalisierung der Wirtschaft und Arbeitsmärkte, Klimawandel, weltwirtschaftliche Ungleichgewichte und Finanzkrise, Denk- und Verhaltensmuster der Menschen, politische Dauerprobleme und Zukunftsszenarien. All diese Themen werden nicht isoliert für sich, sondern in ihrer Verknüpfung und Verflechtung untereinander betrachtet. Der Autor hat sage und schreibe über 1.600 Zeitungsartikel, Fernsehbeiträge und Bücher der Jahre 2006 bis 2008 (alle im Anhang einzeln dokumentiert ! ) ausgewertet und daraus die bemerkenswertesten Informationen und Positionen herausgezogen und gegenübergestellt. Ich kenne kein Buch, bei dem sich der Verfasser die Mühe gemacht hat, aus einer solchen Fülle von Einzelinformationen die einflussreichsten Entwicklungslinien unserer Zeit und die wichtigsten Gedankengebäude der „Opinion leader“ herauszuarbeiten und gegenüberzustellen.

Wenn man das Buch liest, hat man das Gefühl, man befindet sich auf einem Aussichtsturm: Man kann den Blick rundum über unsere „technisch-sozio-ökonomisch-gesellschaftlich-politische“ Landschaft schweifen lassen. Man erkennt deutlich jeden Hügel und jedes Tal, die Kleinstadt mit Krankenhaus und Kreishaus, Hochspannungsleitungen, Mobilfunkmasten, die Windräder, den Gewerbepark, sogar die Kläranlage und die Mülldeponie, und man sieht den Verlauf der verbindenden Straßen – besser als wenn man sie mit dem Auto entlang fährt. Man wundert sich, wie viele Tatsachen der Autor zu Tage fördert, von denen man selbst als gut informierter Mensch noch nie etwas gehört hat. Und man stellt fest, die Landschaft, in der wir leben, ist extrem verwirrend.

Der Autor scheut sich nicht, die Probleme im Klartext auszusprechen. Er schreibt subjektiv, provokativ, oft polemisch. Er sagt seine Meinung unmissverständlich, er will den Leser provozieren und damit zum Nachdenken anregen, aber er stellt – journalistisch sauber – seine eigenen Ansichten den Meinungen anderer klar unterschieden gegenüber. Er will auch dem Leser keine Meinung aufdrängen, und er tut nicht das, was Interessengruppen so gern tun: ihre ausschließlich dem eigenen Nutzen dienende Meinung hinter ausgewählten richtigen oder gar falschen Fakten unsichtbar zu machen. Das Buch ist dick (600 Seiten), aber man kann es abschnittweise studieren. Das Layout kommt dem Leser entgegen: Wichtige Zitate sind durch Fettdruck aus dem laufenden Text hervorgehoben. Man kann daher sehr gut selektiv lesen, indem man zunächst nur die fett gedruckten Zitate betrachtet oder sich einzelnen Kapiteln zuwendet, die einen besonders interessieren. „Störfall Zukunft“ ist erstaunlich aktuell, es schließt mit den Konsequenzen aus der Wahl Obamas.

Sicher – bereits in einem halben Jahr wird sich manches verändert haben, und die Aktualität wird sinken. Das wird aber nur in Einzelbereichen der Fall sein, aber meiner Meinung nach spielt das keine Rolle, im Gegenteil: Ein Vergleich der überholten mit den dann aktuellen Fakten wird die längerfristigen Trends umso klarer erkennen lassen. Um das Bild vom Aussichtsturm noch einmal aufzugreifen: Das Buch ist wie ein Panoramafoto der Landschaft und als solches ist es eine Momentaufnahme. So wird man später leicht erkennen können, wo eine neue Straße gebaut wurde oder wo der Wald abgeholzt wurde. „Störfall Zukunft“ ist bemerkenswert dadurch, dass ein Dutzend wichtiger Gebiete weiträumig und intensiv behandelt wird, und einem die Informationen der letzten drei Jahre gebündelt „unter die Nase gehalten“ werden mit allen Widersprüchen, die darin enthalten sind.

Wenn man das Buch gelesen hat, dröhnt einem der Kopf – kein Wunder bei dieser Fülle an Themen und Fakten mit ihrer immanenten Widersprüchlichkeit. Wenn man es aus der Hand legt, hat man das Gefühl, einen riesigen Patchworkteppich betrachtet zu haben. Aber das sollte man nicht dem Autor anlasten, und daran darf man sich nicht stören: Unsere Informationsgesellschaft ist genau das: ein kurioser Patchworkteppich. Aber damit müssen wir jeden Tag leben, und so ist das Buch eine hervorragende Ausgangsbasis, um sich selbst mit dem einen oder anderen Bereich noch gezielter auseinander zu setzen und seine eigenen Ansichten zu überprüfen. Der Rezensent ist der Meinung, dass dieses Buch für jeden politisch interessierten Bürger von großem Nutzen sein kann.

Der Inhalt der einzelnen Kapitel: Die Weltraumfahrt ist aus den Berichten der Medien weitgehend verschwunden. Wer weiß schon, dass Amerikaner, Russen, Europäer, Chinesen und Japaner nach wie vor weitgehende Pläne für die wirtschaftliche Nutzung des Mondes, ja sogar des Mars verfolgen und dass das hochspekulative Wettrennen um den Vorrang im Weltraum weitergeht? Die Biotechnologie – und vor allem spektakuläre Erkenntnisse der Gentechnik – stehen oft im Focus der Aufmerksamkeit, auch wenn ihr praktischer Nutzen bislang eher gering ist. Im Gesundheitswesen jedoch sind die Volkskrankheiten Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs, Diabetes und zunehmend auch Altersdemenz die dominierenden ungelösten Probleme. Der Verteilungskampf der Teilnehmer am Gesundheitsmarkt sowie die Desorganisation des staatlich geregelten Gesundheitswesens prägen den Alltag. Auch hierzu liefert das Buch eine Fülle von Fakten und Denkanstößen. Wer weiß, dass heute in Deutschland jährlich 400.000 Gentests von den Krankenkassen bezahlt werden, dass es inzwischen weltweit Patente auf 5000 bis 6000 Gene gibt, dass in Deutschland 1,4 Mio. Menschen von Schlaf- und Beruhigungsmitteln abhängig sind und dass 80 % aller Arzneiwirkstoffe aus Indien und China stammen? Die Agrarwirtschaft ist aufgerufen, auf unserem Planeten acht, zehn oder noch mehr Milliarden Menschen ausreichend zu ernähren. Im vergangenen Jahr gab es in der Welt 33 durch steigende Nahrungsmittelpreise verursachte Aufstände und in Haiti wurde aus diesem Grund die Regierung gestürzt, während der Deutsche im Durchschnitt nur 11 % seiner Konsumausgaben für Lebensmittel verwendet. Nahrungsmittel als Spekulationsobjekt, der Ruin der Landwirtschaft in den Entwicklungsländern durch subventionierte Billigimporte, fehlende Risikoabschätzung bei den neuen gentechnisch veränderten Organismen sind nur einige Stichworte zu den behandelten Problemkreisen. Die Nanotechnik spielt im Bewusstsein der Öffentlichkeit bisher so gut wie keine Rolle. Winzigste Quarzkügelchen können beispielsweise Lacken, Textilien oder der Oberfläche von Metallen ganz neue Eigenschaften verleihen, sie z.B. schmutzabweisend machen. Dieser Technik wird eine große Zukunft vorausgesagt – aber was bewirken z.B. aus Kosmetika freigesetzte Nanopartikel im menschlichen Körper? Die Bildungsreform ist – anders als die Nanotechnik – ein Lieblingsthema der Medien, und in der öffentlichen Wahrnehmung ergibt sich das Bild von Inkompetenz und Durcheinander bei den Schulbehörden. Interessant ist es, über die Grenzen zu schauen. So zitiert das Buch einige Untersuchungen und Erfahrungen der USA, der OECD und der EU. Beispielhaft ist das Schulsystem in Finnland, das sich in einfacher, aber schlüssiger Weise der Integration der Einwanderer sehr erfolgreich annimmt. Die Energieversorgung ist ein weiteres umstrittenes Feld der öffentlichen Aufmerksamkeit. Obwohl die Experten weltweit mit äußerst unterschiedlichen Prognose-Szenarien arbeiten, sind sich alle einig, dass der Energiebedarf in Zukunft nicht schrumpfen, sondern wachsen wird. Aber die Ausbalancierung der richtigen Maßnahmen ( z. B. im Transportwesen „Schiene/Straße“, in der Energieversorgung „Kohle/Gas/Öl/Kernkraft/Wind/Solarstrom“, bei der Energieerzeugung „zentral/dezentral“) scheint eine fast unlösbare Aufgabe zu sein – ebenso wie die Bewertung möglicher Energiesparmaßnahmen und der technischen Innovationen z.B. zur Verbesserung der Wirkungsgrade. Hier als Beispiel nur eine Zahl: Um 10% der fossil erzeugten Energie durch Atomstrom zu ersetzen, sollen 1.000 neue Atommeiler erforderlich sein; welche Schlussfolgerung aus diesem Fakt macht Sinn? Die Wachstumsideologie nimmt der Autor im folgenden Kapitel unter die Lupe und er sei hier wörtlich zitiert: „Überschreitet exponentielles Wachstum eine kritische Grenze, so bedroht sie damit ihr eigenes System als Ganzes. Die Gefährdung wirkt grotesk. Doch schließlich sind weder eine unendlich große Bevölkerung auf unserem Planeten, noch eine unendlich hohe Industrieproduktion, eine Lufthülle mit 80% CO2, ein Ölpreis von 10.000 US-Dollar pro Barrel oder hundertstellige Vermögen denkbar, ohne dass vorher etwas explodierte.“ Vor diesem Hintergrund werden die Globalisierung der Wirtschaft, die Nachhaltigkeit, das ökonomische Wettrennen, die WTO-Organisation und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands betrachtet. Wenn Rohstoffe, Energie, Nahrungsmittelerzeugung und Wassernutzung zum Ziel ungebremster Finanzspekulation werden, wirkt das mit Sicherheit krisenbefördernd. Der Arbeitsmarkt ist ein weiteres Feld der Betrachtung. In ganz Europa blüht die Schwarzarbeit, am meisten in den Niederlanden. 2007 gab es in Deutschland insgesamt 39,7 Mio. Erwerbstätige, davon 7,5 Mio. Industriearbeitsplätze, außerdem 4,5 Mio. Selbständige. Es gab 3,8 Mio. Arbeitslose, rd. 7 Mio. Hartz IV-Empfänger und 1,5 Mio. offene Stellen. 6,5 Mio. Arbeitnehmer verdienten Anfang 2008 im Westen weniger als 9,61 €/h und in Ost weniger als 6,81 €/h und bezogen somit Niedriglöhne. Allein diese nackten Zahlen – einfach nebeneinandergestellt – (warum findet man in der Presse immer nur Einzelwerte??) spiegeln schon einen Großteil der Probleme, die der Autor eingehend beleuchtet. Der Klimawandel ist im öffentlichen Bewusstsein in den Hintergrund getreten, auch wenn er jetzt in der deutschen und europäischen Politik zahlreiche mehr oder weniger sinnvolle Maßnahmen ausgelöst hat und noch auslösen wird. „Nebel im Treibhaus“ hat der Autor dies Kapitel treffend bezeichnet, und er beleuchtet die unterschiedlichen Positionen. Der Finanz- und Wirtschaftscrash war und ist vorprogrammiert . Es gibt Studien, die belegen, dass die Ereignisse an den Börsen zu 80 % nicht makro-ökonomisch (durch die Situation der Wirtschaft usw.) erklärbar sind. McKinsey hat festgestellt, dass das Geschehen an den Finanzmärkten zunehmend von vier institutionellen Investoren getrieben wird: den Petrodollar-Investoren, den asiatischen Zentralbanken, den Hedge Fonds und den Private Equity-Gesellschaften. Zusammen verwalteten diese vier Ende 2006 etwa 8,4 Billionen US-Dollar, dreimal so viel wie im Jahr 2000. Die neuen Großanleger verfolgen aggressive Anlagestrategien und gehen höhere Risiken ein, um größere Erträge zu erreichen. Diese neue Strategie hat an den Finanzmärkten die Finanzinnovationen beflügelt. Hedge Fonds wiesen das größte Wachstum auf und machten 2007 bereits 30 bis 50 % des Handelsvolumens an den angelsächsischen Börsen aus. Und noch ein paar Informationen am Rande: Wussten Sie, dass von den fünf weltgrößten Banken sich drei in China befinden, dass China seinen Bürgern Spekulationen mit ausländischen Währungen Mitte 2008 verboten hat und dass der Finanzsektor mehr als alle anderen europäischen Wirtschaftsbereiche von der Globalisierung profitiert hat? Wie wird der Mensch auf das alles reagieren? Im Verzögern, Vergessen, Nichtlernen und Hinnehmen sieht der Autor die größten Gefahren für die Zukunft, und unter diesem Aspekt macht er noch einmal eine Rundum-Panorama-Aufnahme unserer Gesellschaft, die besonders spannend ist, aber sicher auch zu den Abschnitten gehört, die besonders kontrovers diskutiert werden dürften. Die Politik ist das Thema des umfangreichsten Kapitels des Buches. Die Außenpolitik der großen Mächte im Kampf um Ressourcen und wirtschaftliche Vormachtstellung, der instabile Nahe Osten, die Dauerfehde zwischen Israel und den Palästinensern, der Terrorismus, die Lage in Afghanistan und Pakistan, der Kampf um Öl und Gas, die machtpolitischen Positionen Russlands, Chinas und Indiens, die verworrenen Verhältnisse in Afrika und die Wahrscheinlichkeit von zukünftigen Kriegen sind die Schwerpunkte dieses Kapitels. „Über den Absturz ans Licht“, so hat der Autor sein letztes Kapitel benannt: Die Erde beherbergt 192 Staaten, 6.000 unterschiedliche Völker (Ethnien) und neun größere Gruppen in den „Weltkulturen“. 50-60% der Staaten sind Demokratien – nur ein Teil entspricht dem westlichen Muster. Kann es unter diesen Umständen eine Weltregierung geben? Oder eine Weltordnung durch Nichtregierungsorganisationen? Wohin wird der Weg des weltweiten Freihandels, der globalen Spekulation, der global operierenden Unternehmen uns führen? Sind die bisher überwiegend national gewachsenen politischen Strukturen für die globale Zukunft noch geeignet? Woran sollte sich die Gestaltung neuer Strukturen orientieren? In diesem Abschnitt werden die Zukunftsentwürfe von rund einem Dutzend verschiedener Autoren präsentiert, ohne dass sich schlüssige Antworten daraus ergeben, allerdings – wie im ganzen Buch – viel, viel Stoff zum Nachdenken.

Die persönliche Sicht des Autors klingt nicht sehr optimistisch: „Wir müssen durch ein Tal, bevor es aufwärts gehen könnte …Ich glaube nicht an eine vernunftgesteuerte, sondern an eine katastrophenbedingte Wende“. Dem halte ich entgegen: Es kann so kommen, aber es muss nicht so kommen. Und um zu verhindern, dass es so kommen wird, hat der Autor ja sein Buch geschrieben. Sinngemäß schlussfolgert er: Nur die radikale Abkehr vom heutigen Wachstumswahnsinn und Raubbau sowie nachhaltiges Wirtschaften und die Realisierung des EINE-WELT-Gedankens gestatten das langfristige Überleben der Menschheit. Allein die Konzepte, die allen Menschen ein auskömmliches Leben in Würde ermöglichen, sind zukunftsfähig. Die kommenden vierzig Jahre werden vom Ringen um diese neuen Positionen und folglich durch das Zusammenwirken von Crashs und Umdenken bestimmt sein. Am Ende des Kapitels nennt der Autor in einem kurzen Epilog von anderthalb Druckseiten seine persönlichen Konsequenzen: In einem Satz zusammengefasst, könnten sie etwa so lauten: „Sei achtsam und folge Deinem Gewissen – Dir, Deinen Mitmenschen, Deinen Kindern und Deinen Enkeln zuliebe.“

Dipl.-Ing. Peter Greis, Journalist & Autor, Düsseldorf