Ich habe 40 Jahre meines Lebens als Ingenieur verbracht. Da muss es niemanden wundern, dass ich auf den in der ZEIT publizierten Beitrag von Marcus Jauer („Was kann der deutsche Ingenieur“ https://www.zeit.de/2018/41/ingenieure-autoindustrie-motoren-dieselskandal-ansehen) engagiert und sicher auch etwas emotional eingehe. Ich kann euch nur bitten, die angeführte Quelle ausgibig zu studieren.
Ja, der Ingenieur – nicht nur der deutsche, sondern der Ingenieur überhaupt – wird heute ambivalent betrachtet. Weil er wenig verstanden wird und ebenso wie der NaturWissenschaftler für das Streben des Menschen nach immer höher, immer weiter und immer schneller steht. Und nirgendwo Halt zu machen verspricht.
Ja, und diese Haltlosigkeit begleitet ihn tatsächlich – so er denn nicht in der Lage ist, die auch negativen Folgen seines Tuns, die pekuniären und MachtGelüste seiner Auftraggeber zu erkennen und in selbst auferlegte Schranken zu weisen. Tatsächlich muss die höhere Kunst des Ingenieurs gerade darin bestehen, den erzielbaren Fortschritt an die Ressourcen unseres Planeten anzupassen. Was bekannter Weise nur in Ausnahmefällen geschieht, oft erst, wenn das Kind – wie bei der Atombombe, bei Fukushima, beim Klimawandel und Monsanto – in den Brunnen gefallen ist oder solches vorhat.
Und ja: der Ingenieur muss gerade in der heutigen Zeit über seine Fachidiotie hinwegreichen. Er muss im Sinne der Technikfolgenabschätzung verantwortungsvoll handeln, ja mehr: Er muss sein Tun sofort verweigern, wenn er sich missbraucht fühlt, wenn er glaubt für Katastrophen verantwortlich zu werden. An genau dieser Stelle wird die Selbsterkenntnis oft genug zugeschüttet oder sagen wir besser: von falscher Ideologie korrumpiert. Wie auch sollte ein intelligenter Mensch in einem technisch-industriellen Rüstungskomplex – wie ihn die Großmächte zu Hauf unterhalten – keine Skrupel bekommen, wenn er Splitterbomben entwickelt. Ihm „hilft“ hier fataler Weise das beschwichtigende Argument, dass diese Bomben gegen Terroristen eingesetzt werden, über die moralische Hürde hinweg – eine Hürde, die niemals überschritten werden darf. Dass es dennoch geschieht, liegt auf der Hand. Der Job verheißt Sicherheit und gutes Geld, und auf der richtigen Seite steht man ohnehin – wenngleich etwas angepisst.
Jauer fordert zu Recht das Verantwortungsbewusstsein der Ingenieure ein, lässt sie dann aber auch für alles bluten, was geschieht. Hier tut er der Zunft Unrecht. Denn nicht der Ingenieur bestimmt, was in Zukunft geschieht, welche Erfindungen für Positives, welche für Negatives genutzt werden. Sondern sein Auftraggeber: der profitgierige Konzernboss, der Finanzoligarch, ja in der Verlängerung: auch der Politiker. Den Ingenieuren von VW die Schuld für den Dieselskandal anzulasten, ist halbherzig. Denn sie konnten zwar feststellen, dass der Betrug funktioniert, sind aber sicher nicht auf die aberwitzige Idee gekommen. Die ist Winterkorn &Co. zuzuschreiben, denen es darum ging, die Konkurrenz mit getrickster höherer Leistungsfähigkeit ihrer Motore aus dem Feld zu schlagen. Denn jede NO2-Eindämmung kostet PS.
Auch der E-oder KI-Ingenieur, der wichtige Elemente auf dem Weg zu Energiewende und Robotik erfindet, ist für die Struktur jetziger und künftiger Anwendung/Versorgung nicht haftbar zu machen. Wenn die Braunkohle allzu lange im Portfolio verbleibt und Roboter auf feindliche Soldaten losgehen, dann ist das der Hinterlist fossiler und waffenproduzierender Lobbyisten und den Politikern zu verdanken, die auf ihrer Lohnliste stehen.
Das alles bedeutet nicht, dass ich den Ingenieur freisprechen will. Im Gegenteil. Ich möchte ihm Carl-Friedrich von Weizäcker vor Augen führen und sagen: So wie dieser Mann und 17 weitere Kernforscher gegen die Atombombe votiert haben, so muss jeder andere Ingenieur aussteigen, wenn sein Wissen und seine Arbeit auf Menschenfeindliches/Verbrecherisches ausgerichtet wird. Das trifft bereits auf weit niedrigerer Eben zu – wenn es um Entwicklung und Einsatz von Drohnen, Fassbomben, PflanzenGiften und dergleichen geht.
Ich habe in meinen Schriften mehrfach darauf verwiesen, dass Wissenschaftler und Ingenieure parallel zu ihrer Fachausbildung ein EthikStudium absolvieren müssten.
Dem ist nichts hinzuzufügen.