Deutsche Energiepolitik 2022 – wie verrückt ist das denn?

Was derzeit in Deutschland passiert, ist außerordentlich. Ich meine, dass Politiker noch nie über solch ein  gewaltiges Problemfeld entscheiden mussten wie es heute vor uns liegt. Vor allem Corona und der UkraineKrieg brennen auf der Haut – und die Politik versiebt fast alles, was zur Krisenbewältigung nötig ist. Man hat den Eindruck, dass die wahre Tiefe und Brisanz der Konflikte bewusst verheimlicht, respektive: durch ein Unzahl unwirksamer Maßnähmchen kaschiert wird. Dabei ist längst klar, dass die angesteuerte Loslösung von russischem Gas ein Desaster garstellt. Ein Desaster, das die Regierenden ganz bewusst dem Volk zumuten – weil Ideologie und Moral das gebieten. Man kann  von einem Aggressor keine Energieträger importieren, braucht sie aber unbedingt noch, um über die (Winter)Runden zu kommen. Um dann sehr plötzlich den letzten Rest von Vereinbarung in den Müll zu treten. Wenn das man aufgeht, sage ich da ….

Der Bezug von alternativem Gas ist nicht nur extrem teuer, er ist in weiten Teilen auch unmöglich – weil Katar erst 2026 liefern kann, weil die Flüssiggasterminals erst Anfang 2023 stehen (wenn sie nicht zur Kopie der BER-Katastrophe werden). Ein bisschen hilft Norwegen, ein bisschen Holland und dann – man mag es nicht glauben – will die Ukraine liefern. Letztere vermutlich auf Basis von noch bestehenden Lieferverträgen mit Russland. Wäre das jetzt eine Versorgung Deutschlands auf verqueren Umwegen? Vielleicht gegen Panzer? Der deutschen Politik wäre selbst dieser Deal zuzutrauen.

Vorerst stöhnen die Gasimporteure und -verteiler, weil ihnen wegen der ausfallenden Importe Umsatz und Gewinne wegbrechen. Uniper muss schon gerettet werden und braucht inzwischen mehr Geld als bisher veranschlagt war. Und andere, sekundär betroffenen Unternehmen machen ebenso Ansprüche geltend. Selbst die Profiteure des Krieges nagen am auszureichenden Kuchen. Die Regierung versucht, die entstandenen und ständig neu entstehenden Löcher mit einer Gasumlage zu stopfen, die den Gaskunden neben den steigenden Gaspreisen aufgebürdet werden soll. Eine Unverschämtheit. Die deutsche Politik hat sich im Ukrainekonflikt NATO-gemäß positioniert, hat mit  antirussischer Propaganda und der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine  ganz maßgeblich zur Abschnürung der russischen Gaslieferungen beigetragen und damit außer Rechnung gestellt, dass diese Weichenstellungen von nicht einmal 50% der deutschen Bevölkerung mitgetragen wird. Jetzt sollen allein die Gaskunden die beispiellose Rechnung bezahlen. Wer so schlussfolgert, also zweimal gegen elementares Denken verstößt, gehört in den Bau, zumindest aber abgewählt.  Alles andere wäre eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, ein Akt, der die bereits vorhandene Spaltung im Volk vertieft.

Die Energiekrise ist bereits deutlich zu spüren: Die Preise für Gas, Öl, Holz, Kohle, Benzin, Diesel und Lebensmittel gehen durch die Decke. Einige Produkte sind quasi ausverkauft und kaum mehr beschaffbar. Die Bürger quittieren die Situation mit offenem Mund. NOCH! Aber schon in Kürze wird man sie auf der Straße antreffen, weil vielen die Existenz wegbricht. Auch dann wegbricht, wenn die Regierung ihr lächerliches Entlastungspaket verabschiedet. Was sind Einmalzahlungen von 300 Euro für Rentner und 200 Euro für Studenten – wenn sich z.B. die Gaspreise verdrei- bis verzehnfachen. Den Leuten an der Spitze ist offenbar noch immer nicht klar, dass ihre Politik scheitern wird. Auf dem Altar von Demokratie und Freiheit wird die Versorgung der deutschen Bevölkerung geopfert. Wenn es zur Revolution kommt – und darauf deuten bereits die DemoAnkündigungen von linken und AfD-Protestlern hin – wird die Rückwärtsbewegung extrem schwer. Wie sollte man das den Russen und Ukrainern erklären. Und wie würden beide Seiten reagieren? Ein schneller Friedensschluss im Osten könnte die Lage entspannen, aber noch tut der Westen nichts, aber auch gar nichts dafür. Man lässt es laufen und drauf ankommen. Eine Haltung, die mehr als verstörend beim Volk ankommt.

Die Ukrainekrise hat uns über höhere Energieträgerpreise eine Kostenexplosion beschert, die nahezu einzigartig ist. Die Inflation hat Werte um 9 % erreicht, und das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Jetzt versucht die Regierung mit den oben schon erwähnten Entlastungspaketen gegenzusteuern. Was nicht funktionieren wird, denn die erdachten Geschenke können nur einen winzigen Bruchteil der anstehenden und weiter steigenden Belastungen kompensieren. Zu Recht wird dann auch vermutet, dass man kommenden Demos ein wenig den Wind aus den Segeln nehmen möchte – mehr nicht. Aber so dumm ist die Bevölkerung nicht. Sie wird schon bald spüren, dass man sie verschaukelt. Und die Frage, warum selbst in dieser kritischen Situation offensichtliche Finanzreserven nicht angetastet werden, wird zunehmend auflodern. Über die Übergewinnsteuer ist bereits heftig diskutiert worden. Sie ist von der FDP bisher rigoros abgelehnt worden und dürfte auch nach veränderter Namensgebung (Zufallsgewinne) mehr vom als auf dem Tisch sein. Dabei ist es doch voll logisch, dass diejenigen, die mit der Krise als reine Abschöpfer oder Trittbrettfahrer unterwegs waren, jetzt abgeben müssen. Es kann nicht sein, dass der Wahnsinnsstrompreis von heute allen Stromerzeugern – auch wenn die Null Mehraufwand haben – Geld ohne Ende in die Kassen gespült wird. Nur, weil sich der Strompreis nach dem zuletzt in Anspruch genommenen Stromerzeuger (nämlich dem, der Strom aus Gas erzeugt) richtet, der für seine Produktion wegen des hohen Gaspreises hohe Gestehungskosten hat. Die Kopplung des Strompreises an den Gaspreis ist zumindest jetzt, wenn nicht überhaupt, ein Unding. Sie müsste sofort aufgegeben werden! Die FDP trötet dagegen, weil auch die Erzeuger von alternativen Energien Geld zurückgeben müssten. Na und? Leistungslos erworbene Vermögen sind uns doch seit jeher suspekt (s. die Spekulationen an den Börsen).  Nein! Hier muss strikt abgeschöpft werden. Andere europäische Länder (die USA, Großbritannien, Frankreich, Rumänien etc.) sind längst auf dieser Strecke und auch die EU-Kommission scheint die „unzulässigen“ Gewinne abfordern zu wollen.

Zurück zu den Entlastungspaketen: Schon jetzt wird deutlich, dass nicht nur die Hartz-Vierer, sondern auch Ein-Mann/Frau- sowie andere kleine und mittlere Unternehmen bei den Zuwendungen nicht berücksichtigt wurden (Künstler, „energieintensive“ Gewerbetreibende u. ä.). Da mag es noch Änderungen geben. Doch jeder weiß, dass eine wirkliche Kompensation von künftigen Verlusten Hilfsleistungen in hoher zweistelliger Milliardenhöhe erfordern würde. Die aber dürfte es – da sei die FDP vor – mit Sicherheit nicht geben.

Bleibt nur noch … auf den bevorstehenden heißen Herbst und den kalten Winter zu warten. Spätestens im Januar dürfte die Frage russischer Gaslieferungen neu gestellt wird. Denn wenn uns heute schon suggeriert wird, dass Gasknappheit aufkommt, ist es wohl zehnmal schlimmer. Die Gashähne müssen – zumindest bis zum Frühjahr – wieder aufgedreht werden. Dann hoffentlich im Verbund mit dem überfälligen Friedensschluss im Osten.

Und die Atom-Meiler? Sollen sie nun oder sollen sie nicht. Die Fronten sind sachlich und ideologisch verkeilt. Und die Grünen – jahrzehntelang erklärte Gegner der Kernkraft – aus einer vermeintlichen Notlage heraus – entzweit. Harbeck will zwei der Meiler in Reserve halten, eine Wirtschaftsweise plädiert ebenso wie weite Teile von FDP und CDU/CSU für einen mehrjährigen Weiterbetrieb https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/wirtschaftsweise-veronika-grimm-kraftwerke-akw-bereitschaft-notreserve-100.html. Letztere sind sich vermutlich nicht im Klaren darüber, dass ein Weiterbetrieb der drei anstehenden AKW eine umgehende Sicherheits- und Umweltverträglichkeitsprüfung bedingen würde (die Meiler hätten bereits 2019 überprüft werden müssen) https://www.tagesschau.de/inland/akw-laufzeiten-faq-101.html. Ganz abgesehen davon, dass neue Brennstäbe teuer beschafft und eingebracht werden müssten https://www.focus.de/finanzen/news/prozess-ist-unumkehrbar-atomausstieg-wer-jetzt-den-rueckgang-will-ist-fuenf-jahre-zu-spaet-dran_id_47520813.html. Was mit der anschließenden Stillsetzung aber ökonomisch kaum vereinbar wäre. Ich bin der Meinung, dass man die drei AKW bis zum Frühling weiter laufen und dann stilllegen sollte. Zumal ihr Anteil an der Lösung des Energieproblems verschwindend gering ist (Anteil an der Stromversorgung: 6%).