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Fleischfresser beherrscht euch!

Die über Jahrhunderte währende Forderung der armen Bevölkerung nach einem ordentlichen Stück Schwein oder Rind im Mittagessen ist heute in eine maßlose Fleischfresserei ausgeartet. Der Ruf nach noch MEHR und BILLIG hat uns die abscheuliche, Antibiotika begleitete Massentierhaltung beschert http://www.peta.de/peta-ersucht-unterstuetzung-des-zentralrats-der-juden-zur-kampagne-holocaust-auf#.VfW2X5dKAtE . Gäbe es doch hier zu Lande einen für den Fleischverzehr zuständigen Diktator. Ich würde ihn anflehen, die wöchentlichen Fleischmalzeiten auf 300 Gramm pro Bürger zu beschränken, wobei der spezifische Preis durchaus auf ein vergleichbares Maß (zum heutigen Aufwand) steigen dürfte. Wir könnten Schweinen und Rindern ihren über Jahrhunderte zugestandenen freien Auslauf zurück geben und selber gesünder leben.

 

Bereits am 15. Mai 2013 hieß es:

Unter dem Titel „Schweinehalter: Tierschutz ruiniert uns“ hat die Rheinische Post eine Diskussion wieder belebt, die seit langem geführt wird http://www.rp-online.de/regionales/regionale-nachrichten/tierschutz-ruiniert-uns-1.3394939– wenn auch nicht in dem Tenor, den die RP bevorzugt. Es kann nicht darum gehen, einen Kompromiss zwischen Schweinequälerei und sogenannter „Bio-Haltung“ zu befördern. Vielmehr müssen alle Kräfte mobilisiert werden, die Boxenhaltung von Schweinen zu verbieten. Es ist ein Unding, dass diese Tiere auf derart engem Raum leben müssen. Derzeit sind es bei konventioneller Masthaltung nur 0,75 m2 bei 50-110 kg Lebendgewicht, was bei Erreichen der oberen Gewichtsgrenze nahezu Null Zwischenraum rund ums Schwein bedeutet. Schon der Gedanke, das Tier nahezu bewegungslos für die menschliche Fressgier aufwachsen zu lassen, ist perfide. Und um es deutlich zu sagen: Mich interessieren protestierende deutsche Viehhalter so gut wie gar nicht! Die sollten dafür sorgen, dass ihre Tiere artgerecht aufwachsen und dazu beitragen, dass die Fresswut und der unbedingte Drang nach billigem Fleisch nachlässt – und nicht neue Wege suchen, noch billiger (und natürlich auch schlechter) zu produzieren. Auch das Bestreben, die ausländische Konkurrenz das Fürchten zu lehren, ist mit Blick auf EU-Länder, die mangels Industrie sehr viel dringender auf Erträge aus der Tierhaltung angewiesen sind, nicht nur unsolidarisch, sondern völlig unnötig. Unter dem Strich geht es darum, die Schweinezucht auf ein normales, tiergerechtes Maß zurückzufahren. Ginge es nach mir, würde ich sie völlig aufgeben und den Bauern eine Alternative anbieten. Jeder weiß inzwischen, dass insbesondere Schweinefleisch der menschlichen Gesundheit eher abträglich ist. Ja, dass der Fleischkonsum mit Blick auf die Gesundheit auf maximal 2-3 Mahlzeiten pro Woche eingeschränkt werden sollte. Obwohl inzwischen viele Menschen diesem Trend folgen, setzen die Regierenden (im Verbund mit der Agrarlobby) alles daran, die Billigfleisch-Offensive weiter voranzutreiben. Das hat vor allem damit zu tun, dass auch prekär Beschäftigten (Leuten in Werkverträgen, Leiharbeitern und anderen Billig-Jobbern) und Hartz-IVern ein stabiler Zugang zu Fleisch eröffnet bzw. erhalten werden soll. Schon Jahrhunderte lang ist vor allem von armen Menschen das Fleisch in der Mahlzeit als Zeichen von Wohlstandes verstanden worden – nicht zu Unrecht, wie man weiß. Heute, da das Elend vergangener Zeiten fast überall überwunden ist, existiert das alte Empfinden weiterhin. Und man folgt ihm. Es gibt die stabile Nachfrage, und der Markt stellt sich darauf ein. Das alles scheint zunächst natürlich – ist es aber nicht. Denn es gibt eine politische/handelspolitische Komponente, die zunehmend an Bedeutung gewinnt. Deutschland ist im Zeichen der Globalisierung einem immer heftiger werdenden Wettbewerb ausgesetzt, den es selbst mit aller Energie anheizt. Schröder hat darauf mit der Einführung der Agenda 2010 reagiert, den verständlichen Applaus des politischen Gegners eingeheimst und eine Explosion bei Dumpinglöhnen und Billigarbeit ausgelöst. Das wiederum ermöglichte eine Reduzierung der Lohnstückkosten und damit wachsende Exportchancen.
Wer Niedriglöhne zum Konzept für mehr Wettbewerbsfähigkeit erklärt, muss Geringverdienern Billigpreise für den Grundbedarf anbieten – will er denn Konflikte mit den minderbemittelten Schichten des Volkes vermeiden. Hier nun schließt sich der Kreis. Nur wenn die Abwärtsspirale bei einfachen Lebensmitteln funktioniert, funktioniert auch die Abwärtsspirale bei den Löhnen. Beides ist mehr als kontraproduktiv – sowohl, was das notwendige Aufrücken schwacher EU-Partner als auch was die Schweine in Boxen, Kühe im permaneten Schwangerschaftsexzess, Hühner im gegenseitigen Verbiss und von Gentechnik bedrohten Getreide und Gemüse betrifft (man verzeihe mir die zu große Nähe der Begrifflichkeiten). Unsere Regierung schadet den europäischen Partnern mit den hohen deutschen Exportüberschüssen, sie zwängt Schweinezüchter, Milchbauern etc. in eine Existenz bedrohende, dekadente Wirtschaftsweise und glaubt in fataler Ignoranz/Dummheit, dass die Strategie von immer billigerer Arbeit …. im Wettbewerb mit Billiglohnländern wie China, Indien, Malaysia, Bangladesh etc. langfristig aufgeht. Eben das aber wird nicht geschehen. Europa wird bei Aufrechterhaltung der WTO-Regeln und des Freihandels immer tiefer in einen Sog gezogen, zumal auch viele mittelständische Betriebe durch konkurrierende Billigprodukte aus den o.a. Ländern ruiniert, sprich: Arbeitsplätze vernichtet werden. Wirksam gegensteuern ließe sich nur, wenn man den schrankenlosen Vergleich von Kosten, Preisen und Produkten – und damit auch das Lohndumping aufgäbe. Europa müsste zu einer neuen regional orientierten Wirtschafts- und Handelspolitik, einer neuen Arbeitsmarktpolitik sowie zu ethisch vertretbaren Normen für den Tierschutz und zu deutlichen Vorgaben für ein besseres Gesundheitsbewusstsein finden. Was wir langfristig bräuchten, wäre ein im Wesentlichen unabhängiges und eigenständiges Bündnis. Dessen Länder müssten sich darauf besinnen, den Binnenhandel auf seine bisherige Größe (wenn möglich sogar über 90%) zurückzuführen. Darüber hinaus sollten für ausländische Erzeugnisse, denen modernste europäische gegenüberstehen, Zölle erhoben, Kapitalverkehrskontrollen eingeführt und eine fairere innereuropäische Arbeitsteilung organisiert werden („Splendit Isolation“) – wie es auch Buchautor Gero Jenner in vielen seiner Publikationen fordert http://www.gerojenner.com/portal/gerojenner.com/Startseite.html. Nicht nur den Menschen, auch allen Tieren in der Union würde das gut tun.

Elende Demokratien oder … auf den Knien vor Big Brother

Das dumme Wort „anti-amerikanisch“ hat jetzt, da Snowden die Machenschaften des NSA enttarnt hat, erneut Konjunktur. Und die, die schon immer dagegen antraten – haben Atemprobleme. Dabei wurde die Formel bewusst geboren, um den Spieß umzudrehen, sprich: die Verächter ans Kreuz zu schlagen. Ich erinnere mich gut an die Frage, die Allensbach vor zwanzig Jahren in die Menge warf: „Lieben Sie die Amerikaner?“ So platt kann Meinungsforschung im Grunde nicht agieren, schon gar nicht mit Noelle-Neumann an der Spitze –  etwas infam hintergründig aber schon. Denn welche Antwort erwartete man: Ja oder Nein. Und wer schon will ein ganzes Volk verdammen?

Auch heute hält man wenig von Differenzierung. Die Amerikaner sind mächtig, gewiss: ab und zu auch aggressiv und widerlich …  im Spionieren. Doch was soll’s? Die Anklage bedient für einen Augenblick die vordergründige Schlagzeile, sorgt für Auflage und Quote. Dann herrscht meist Ruhe.

Was ist diesmal passiert? Ein Mann, der vorgibt, sich bewusst eingeschleust zu haben, um aufzuklären, klärt auf. Er „entheimlicht“ den geheimsten der US-Geheimdienste und flieht dann. Zurück bleibt ein attraktives Trümmerfeld – ein Torso aus Erkundung und Impertinenz. Irische Banker werden entblößt, britische Geheimdienste als Oberschnüffler enttarnt und Deutschland aufs Netteste erniedrigt. Das, was die NSA aus Glasfasernetzen extrahierte oder einfach nur von kooperierenden IT-Firmen abforderte, scheint niederschmetternd. Da brandet für Momente Entsetzen auf. Da beginnt so etwas wie Hass, wenn sichtbar wird, dass auch EU-Institutionen und vor allem Deutschland im Fokus der Abschöpfung standen. Plötzlich glaubt man sich beraubt, weil der Datenklau natürlich auch das Kanzleramt, Finanzinstitute und Forschungseinrichtungen betreffen könnte, müsste, dürfte. Hier geht Wissen verloren, hier werden die Intrigen der Eurorettung observiert, hier hört man Banker verächtlich in den Äther husten. Nicht nur Amerika ist gegen uns, auch das weniger erfolgreiche Rest-Europa opponiert. Viel davon ist gespielt, manches macht hilflos – Heuchelei und Verdrängung bestimmen das Geschehen.

 

Haben wir nicht gewusst, dass die Amerikaner spionieren? Echelon gibt es sei mehr als 20 Jahren und Ami-Wanzen in deutschen Konzernen gehören zum Alltag. Ganz richtig: Eben das flackert immer mal auf, um ebenso schnell in Vergessenheit zu geraten. Es ist nun  einmal so: Die amerikanische Regierung, die amerikanischen Geheimdienste machen, was sie wollen. Sie peitschen weltweit den Washington consensus (gezielter Freihandel + Protektionismus, Privatisierung und Austeritätspolitik) durch, betreiben die Abschöpfung von Informationen und Wissen (weil kostengünstiger als die Umsetzung eigener Kreativität), ballern Drohnen in fremde Länder, entziehen sich dem Internationalen Gerichtshof und nehmen politisch Einfluss – bei den wirtschaftlich Unterworfenen. Wenn Frau Merkel punktuell aufschreit, wenn EU-Beamte jetzt die Aufkündigung des gerade anverhandelten Freihandelsabkommens USA-EU androhen, dann geschieht das ausschließlich deshalb, weil die Bürger eine solche Reaktion erwarten, oder anders herum: weil das Ausbleiben einer solchen zu eklatanten Verlusten im Wahlkampf führen müsste. Inzwischen ist man dem sanften Druck der potentiellen Profiteure gewichen: Es bleibt beim Abkommen, flankiert von Datenschützern. Wer sich jetzt nicht totlacht, ist selber Schuld.

Doch das Ganze dreht sich noch weiter: Plötzlich wird der liebe BND NSA-ähnlicher Spionage bezichtigt. Auch er habe die Datenkabel fremder Botschaften angezapft – freilich nicht im US-amerikanischen Ausmaß und nur bei Onkel Karsai. Gleichwie: Die Relativierung der Ungeheuerlichkeit ist in vollem Gange. So wie man Echelon schluckte, soll man schon ab morgen auch die Lauschangriffe der NSA wegstecken. Denn was hilft es schon, wenn Deutschland und die EU die Proteste verschärfen, oder gar auf detaillierte Aufklärung drängen? Bekommt man dann die eigenen Intrigen und Schlafzimmergeschichten  serviert, erfährt man dann Unliebsamkeiten, die man wiederum vor Lauschangriffen –  vor neuen Wistleblowers, den Medien und damit der breiten Öffentlichkeit – verbergen muss?

Es ist lächerlich, und doch wird es aufgeführt. Man übt sich erneut im Kotau. Man schickt sich an, den Beteuerungen Obamas zu glauben. Er nämlich verspricht, es zu richten. Er verspricht, das neue Gleichgewicht herzustellen – das zwischen dem Anti-Terrorkampf und dem, was natürlich sein muss: der herkömmlicher Spionage. Welch ein Unsinn: Top-Terroristen bewegen sich außerhalb der Netze, und herkömmliche Spionage führt seit jeher ein Eigenleben. Wir sollten uns also straff darauf einstellen, dass die Schnüffelei weiter geht – künftig mit noch ausgefeilteren Techniken und Sicherheitsstandards. Daran werden auch Merkels Telefonate und Blitzbesuche im Weißen Haus nichts ändern. Gut, dass der Datenklau noch immer der Menschen  bedarf, und es folglich Leute wie Snowden immer geben wird, Menschen, denen das Gewissen schlägt. Dieser Wettlauf zwischen Spionage und Enttarnung bleibt bis auf weiteres unsere Hoffnung. Was dennoch ausbleibt, ist die gelebte Solidarität – das bewusste Schützen derer, die uns aufklären. Dass viele von uns Snowden und Co. sofort Asyl gewähren würden, zählt nicht in dieser Welt. Hier entscheiden Regierungen – zumeist in gewohnter Feigheit, respektive: falscher „Aliiertheit“. So hat es nun auch die Bundesregierung abgelehnt, Snowden in Deutschland aufzunehmen – obwohl sie mehr als andere von den offen gelegten Daten profitiert hat. Man sagt NEIN und geht zum Tagesgeschäft über. Ob unser Protest daran etwas zu ändern vermag, steht in den Sternen.

Ähnlich reagieren bislang auch alle anderen Länder, bei denen Snowden um Asyl nachsuchte. Sie alle fürchten Verprellungen und Restriktionen –  im und aus dem Land der Täter. Ein aus taktischer Sicht verständlicher Vorgang, könnte man meinen. Eine jämmerliche Schande, muss man schlussfolgern – vor allem für die sogenannten Demokratien. Diese Schande  allerdings passt gut ins westliche Establishment, das Transparenz und arabische Frühlinge lautstark und fortwährend zu beheucheln vermag.

Was wird aus Aufklärern wie Julian Assange, Manning Bradley und Edward Snowden?

Jeder von uns sollte sich die Frage strikt stellen. Müssen wir hinnehmen, dass sie ein Leben lang vaterlandslos umherirren oder irgendwann gefasst, ausgeliefert, eingekerkert oder gar zum  Tode verurteilt werden? Welche Reichweite hat unser Wille? Dürfen wir geschehen lassen, was nicht geschehen darf? Müssen wir nicht die große Petition, die Welt umfassende Freisprechung, wenn nicht gar die höchste Würdigung in Gang setzen? Sind nicht wir – die Bürger – in der Sache gefragt, wo doch die Politik so kläglich versagt?

Die USA werden eine Zeit lang am NSA-Gate zu knacken haben. Wirklich gefährden wird sie auch das nicht. Denn der Skandal löst – wie jede Krise – neue wirtschaftsrelevante Entwicklungen aus, und die Ablehnung von Seiten der Belauschten wird auch künftig nicht weh tun. Denn man bleibt (zumindest vorerst) Sieger, solange man Netz, Wirtschaftsimperien und Finanzmärkte am eigenen Ufer weiß. Die EU aber wird immer stärker physisch und mental verletzt werden. Hinzu kommt die Furcht, dass US-amerikanische Rating-Agenturen gezielte Infos der NSA nutzen, um Europa weiter gen Hörigkeit oder Abgrund zu treiben. Was bei Fiskalpakt und ESM im Geheimen lief, dürfte als Weggeber offen liegen.

Irgendwie passt es nicht hierher. Und doch ist es Teil des Gesamtspiels. Obama ist derzeit bemüht, das  ramponierte Image der USA irgendwie aufzupolieren. Ein Besuch in Südafrika schien geeignet. Befördert durch die emotional bestimmte „Hautfarbe-Identität“  geisterte der amerikanische Präsident durch die Gefängniszellen von Robben Island. Ein Glück für ihn, mehr aber noch für den todkranken Mandela, dass sich beide verfehlten – und die zwanghafte Heuchelei ausblieb. Obama nämlich – der schamlose Image-Absauger – hat bei Mandela nichts, und auch gar nichts zu suchen. US-Präsidenten haben das Apartheidregime stets toleriert – sie täten es heute erneut. Nur Erzfeind  Castro hat den ANC gegen Botha und Co. unterstützt – mit Menschenopfern und Waffen.

Auf meiner Wandtafel hängt ein Bild. Es zeigt Mandela und Castro. Sie gehen auf einander zu, breiten ihre Arme aus, um sich … in den Armen zu liegen. Mandela ruft:   Fidel, Fidel, Fidel …!

 

 

Ein Toast auf die Whistleblower!

Solange es Bürger gibt, die Steuersünder aufspüren, solange mutige Aktivisten wie Julian Assange http://www.zeit.de/2013/18/julian-assange-alexandre-lacroix, Manning Bradley http://www.taz.de/!117242/ oder Edward Snowden http://www.taz.de/US-Debatte-ueber-NSA-Enthuellung/!117937/ für Transparenz und demokratische Kontrolle streiten, ist diese Welt noch nicht verloren.
Nachtrag vom 23. Juni 2013: Hongkong hat sich von den USA nicht erpressen lassen. Edward Snowden, der die Überwachungspraktiken des US-amerikanischen Geheimdienstes NSA enttarnte und dabei u. a. auch die Machenschaften des britischen Geheimdienstes offenlegte http://www.sz-online.de/nachrichten/schlimmer-als-die-us-kollegen-2601566.html , durfte ausreisen. Wohin es ihn verschlagen wird, ist unklar. Auf jeden Fall ist er den US-Behörden, die ihn – für meine Begriffe völlig absurd – der Spionage gegen die USA bezichtig haben, entwischt http://www.tagesschau.de/ausland/snowden-nsa-peking102.html. Snowden hat, wenn er denn spioniert haben sollte, für die gesamte Menschheit spioniert – völlig zu Recht! Gratulation!

MONSANTO – das ist der Tod!

Man muss nur einmal gegen MONSANTO auf die Straße gehen, schon findet man eine Vielzahl von Leuten, die genau wissen, wie es um unsere Lebensmittel bestellt ist. Ein Thema: genmanipulierte Futter- und Nahrungsmittel/GVO. Wer genau hinschaut, weiß inzwischen, dass die Amerikaner seit gut 10 Jahren Lebensmittel konsumieren, die auf gentechnisch veränderte Vorprodukte zurück gehen. Gefragt hat sie dazu niemand. Dabei ist unbekannt, was die Gentechnik langfristig anrichtet. Man hat ihn einfach gestartet – den großen Menschenversuch. Genauso treibt man es heute mit Nanopartikeln in Körperpflegemitteln und Kosmetika – aber das ist ein anders Thema.
Selbst hier zu Lande, wo man mehrheitlich glaubt, vor GVOs sicher zu sein, sickern sie langsam ein – über die Futtermittel. Zwar ist es in Deutschland vorgeschrieben, auf Beimengungen dieser Art hinzuweisen (meist im Kleingedruckten) – doch bis zur durchgängigen großen Aufschrift OHNE GENTECHNIK wird es offenbar nie kommen. Denn geht es gegen die Interessen der mächtigen Agrarindustrien (USA, Kanada, Argentinien etc.), sind oft Hilflosigkeit und Korruption angesagt.
Derzeit gilt hier zu Lande Fleisch als gentechnikfrei, wenn das betreffende Tier x Wochen vor der Schlachtung kein „kontaminiertes“ Futter gefressen hat – eine bodenlose Heuchelei … als ob die Wirkung der GVO – pardon – ausgeschissen würde.
Auf dem Graf-Adolf-Platz in Düsseldorf erfuhr ich, wie beharrlich die Menschen für den Erhalt der natürlichen Lebensweise (und damit auch der natürlichen Ernährung) einzutreten vermögen. Naturkundler besangen die biologische Vielfalt, Bio-Bauern warben für ihre nachhaltige Landwirtschaft, Kinder liefen mit Obst und Pflanztöpfen umher und Aktivisten aller Couleur beschworen Geschmackserlebnisse, die uns abhanden kommen. Über all diese Themen hatte ich selbst auch schon geschrieben. Beeindruckt hat mich schließlich ein Mann der Agrargruppe von Attac Wuppertal. Er war mit einer Liste unterwegs. Auf der war vermerkt, wer welches Produkt in welchen Supermarkt delegiert. Später erfuhr ich, dass Greenpeace mit solchen Daten schon lange Politik macht. Als ich in deren Datenblatt herumstöberte, wurde mir schnell klar, dass es echt easy ist, Supermärkte, Firmen und Produkte zu meiden, die „GVO-verseucht oder –verdächtig“ sind. Ähnlich einfach ist es, die Guten im Spiel auszumachen. Wer sich also fürs erste ein paar gängige Produkte merken kann, ist ein ganzes Stück weiter. Ich vermeide ab sofort „Bärenmarke“, Abkömmlinge von Müllermilch, Sprehe und Weihenstephan und greife dafür nach „Landliebe“, „Rotkäppchen“, „tegut“, „Bauer“ und „Zott“. So einfach ist das. Und wer etwas für den Erhalt unseres Saatgutes tun möchte, der kann sich hier engagieren http://www.trueten.de/permalink/Saatgutvielfalt-in-Gefahr-gegen-eine-EU-Saatgutverordnung-zum-Nutzen-der-Saatgut-Industrie.html.

Die widerliche Aura des Militarismus (2)

Es gehört zu den Absurditäten unserer Zeit, dass die Erde von immer mehr Waffen überschwemmt wird, obwohl durch Kriege – wie man weiß – kein menschliches oder gesellschaftliches Problem gelöst wird. Da Waffenhandel und Krieg aber große Geschäfte implizieren und fast immer mit der Vereinnahmung von Rohstoffen einhergehen, gibt es überall auf der Welt Menschen, die Konflikte anheizen, anzetteln oder neu beleben. Dass Deutschland zu den Ländern gehört, die besonders viele Waffen exportieren, ist angesichts unserer Vergangenheit und der vollmundigen Beschwörungen nach 1945, besonders bitter http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-89932536.html. Da nehmen sich auch Beschwichtigungformeln, die den Einsatz deutscher Waffen in Spannungsgebiete untersagen oder ihren kollateralschadenfreien Einsatz beschwören, wie Ammenmärchen aus. Denn wie man weiß, werden die Entscheidungen für Waffenlieferungen vom Bundessicherheitsrat im geheimen Safe-Bunker zwischen Leuten ausgekungelt, die zu absolutem Stillschweigen verpflichtet sind. Dass dort neben den üblichen Verdächtigen mal ein Grüner, geschweige denn Linker mit verschwört, ist eher selten. Gleichwie: Die Rüstungsexporte rollen, und was heute wegen ausbleibender Bestechung nicht mehr nach Griechenland reinkommt, muss auf andere Höfe. Da wird Saudi-Arabien von der diktatorischen Aura reingewaschen, da geht’s in die Abseiten der Spannungsgebiete. Und wir wissen ja, wer in Libyen und woanders mit weitergereichten deutschen Waffen geschossen hat oder weiter schießt.

Die Amerikaner, die weltweit noch mehr Waffen verteilen als die Deutschen, haben seit kurzem ein echtes Problem: die Drohnen. Achthundert Stück von denen sind täglich weltweit unterwegs, und man kann durchaus davon ausgehen, dass die meisten auf US-amerikanischen Mist gewachsen sind. Wenn ich die Drohnen als Problem benenne, dann diesmal nicht, weil diese völkerrechtwidrig und gegen den ausdrücklichen Willen von Menschen und Regierungen genau dort platziert werden und töten, wo es die Amis gern haben – nämlich in Afghanistan, Pakistan und im Jemen. Sondern deshalb, weil die Drohnen ein Dekorationsdebakel hervorrufen. Präsident Obama nämlich will den Soldaten, die aus sicheren Kommandozentralen heraus Killerdrohnen lenken, bei herausragenden Abschussquoten neue Orden verleihen und zwar solche, die ihrer Bedeutung nach noch vor dem Verwundetenabzeichen „Purple Heart“ rangieren. Solch fehlende Sensibilität und Geschmacklosigkeit ist bei vielen US-Militärs auf Protest und brüske Ablehnung gestoßen („Süddeutsche Zeitung“, 8. März 2013). Kein Wunder: Gilt doch in der Army das Zumarkte-Tragen der soldatischen Haut als höchstes Zeichen für Ehre und Opferbereitschaft – ganz gleich, ob der Waffengang ein verbrecherischer Vietnam- oder Irakkrieg war oder eben nur ein leichtsinniger Patrouillengang im friendly fire. Wie auch immer: die Auseinandersetzung um Orden und Werschätzung dauert an – mit hässlichen Begleitgeräuschen. Kein Wunder, dröhnen da die einen, dieser Präsident habe „für seinen Friedensnobelpreis weder Freiheit noch Leben riskiert“ oder „Es kann schwere Folgen haben, das Sich-Opfern-Müssen aus dem Krieg zu entfernen.“ Wer solches liest, hat Probleme zu orten, was oben und unten ist. Thomas de Maizière , der deutsche Verteidigungsminister, scheint diesbezüglich ebenfalls ein schlechtes Gefühl zu haben. Nicht, dass er Ordensprobleme hätte. Doch die Abneigung gegen Drohnen, die nicht nur bei der LINKEN, sondern nahezu parteiübergreifend in jedem der politischen Lager, vor allem aber im Gros der deutschen Bevölkerung wächst, hat ihn sichtbar ausgebremst. Er will die Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr jetzt bis zur Bundestagswahl aussetzen http://www.sueddeutsche.de/politik/ausruestung-der-bundeswehr-bewaffnete-drohnen-erst-nach-der-wahl-1.1645882. Ein kleiner mieser Trick, wie man schnell erkennt. Denn niemand kann uns weismachen, dass Deutschland mittelfristig auf diese Waffe verzichtet. Immerhin gilt es, militärtechnisch am Ball zu bleiben. Und vielleicht lassen sich die anstehenden Rückzugsgefechte in Afghanistan noch als lohnende Übungseinsätze gestalten. Immerhin wäre dann EIN Sinn dieses Krieges – wenn auch ein verwerflicher – erfüllt. Um es kurz zu sagen: Mir kommt immer häufiger der Ekel – ob der heuchlerischen Argumentationen, der Ehrbegriffe und Indoktrinationen. Einfach grauenhaft fand ich Popen in Saigon oder Bagdad – wo der einfache Soldat ausblutete, was Verbrecher am grünen Tisch befahlen. Und noch furchtbarer jene Politiker, die den Lobbyisten des Krieges verfielen, fingierte Krieggründe absegneten und ihre Landleute für die Schlachtbank fit machten. Sämtliche von den USA nach dem Koreakrieg vom Zaun gebrochenen Konflikte bedienen genau dieses Muster.

An jedem Krieg verdienen vor allem diejenigen, die Waffen und Munition liefern und Zerstörtes wieder aufbauen. Das zynische Miteinander von Vernichtung und Wiederkehr ist typisch für fast jedes Schlachtfeld. Es beschert Milliarden für große Konzerne – zu Lasten der am Kriege Beteiligten und der Steuerzahler im Land des Aggressors/“Befreiers“. Obwohl das alles einleuchtend ist, wird weiter produziert – jede neue Waffe noch scheußlicher als die abgelöste. Auf der Waffenmesse in Abu Dhabi konnten die Hightech-Kreationen der letzten Saison besichtigt werden http://www.spiegel.tv/filme/waffenmesse-magazin/. Ein verheerender Anblick! Selbst die südkoreanische Firma Samsung, die bislang tunlichst um ihren (friedlichen) Ruf bemüht war, ließ ihren Kampfroboter von der Leine. Der schießt ferngesteuert aus allen Rohren und Kalibern und überwindet dabei noch Hindernisse. In den Kampfzonen dieser Welt werden folglich die bösen Aufständischen immer weniger gegnerischen Soldaten, dafür aber Jets, Laser-Pointer- und Gewehren, Drohnen und eben Kampfrobotern begegnen. Und ihnen trotz freiheitlichem Begehren auch unterliegen. Das dürfte genauso frustrieren wie der Cyberkrieg, der Gegner, resp. deren Bilder abstrahiert/virtualisiert, um im Gegenzug stuxnette Würmer, Viren oder Bundestrojaner in x-beliebige Richtungen auszuschütten. Bleibt die schmutzige Bombe, bleiben die Hightech-Waffen, mit denen präzise daneben seziert wird. Ihnen dürfte die Zukunft gehören. Schmutzig klingt einfach und nach Aktentasche, präzise und seziert wie das Märchen vom Hightech-Fleischermesser. Doch was macht das? Das Gros der Bürger hat sich darauf eingelassen, Krieg als unvermeidlich zu akzeptieren. Und man begnügt sich mit der Freude über einen, der vor der Zeit zu Ende geht. Die Schar der Akteure reagiert meist gespalten. Die einen verschwinden ungesehen, um zu vergessen. Andere pöbeln, prügeln oder morden nach ihrer Rückkehr http://www.spiegel.de/politik/ausland/britische-studie-junge-kriegsveteranen-neigen-oft-zu-gewalttaten-a-889193.html. Der Rest ist gänzlich geschädigt und deshalb schnell abgemeldet http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Afghanistan/ptbs2.html. PTSB ist bis heute nicht heilbar, auch nachwachsende Gliedmaßen sind nicht in Sicht. Wer hier ein Nachhinken der Rekonveleszenz-Techniken hinter den Fähigkeiten der Waffen-Narren vermutet, hat Recht und irrt dennoch. Weil die Wiederherstellung von Menschen aus (weitgehend) mannlosen Kriegen im Grunde entfällt – und die Probleme des Gegners Probleme des Teufels sind und damit … irrelevant bleiben.

Nachtrag vom 13. Mai 2013: „Kein Mensch braucht Krieg“ – unter diesem Motto ist de Maiziere, der an der Humboldt-Uli, Berlin, einen Vortrag zum Thema „Bundeswehr“ halten wollte, am 10. April von Studenten niedergebrüllt worden. Das hatte ohne Zwiefel auch mit der Problematik „Drohnen“ zu tun. Die Süddeutsche Zeitung hat dem Thema in ihrerer Wochenendausgabe vom 11./12.Mai 2013 eine ganze Druckseite gewidmet. Fazit: Wenn die Deutschen die bewaffneten Drohnen nicht wollen, dann dürfen sie auch keine Soldaten außerhalb Deutschlands in Kampfeinsätze schicken. Na bitte, ist doch toll diese Empfehlung!

Die widerliche Aura des Militarismus“, Teil 1

Nachtrag vom 23. Mai 2013: Die Zahl der PTBS-Erkrankungen in der Bundeswehr sei von 245 (2008) auf heute mehr als 1143 (2012) gestiegen. Nahezu jeder zweite Fall bleibe unbehandelt – so das Nachrichtenmagazin Frontal21 http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1897216/Kranke-Soldaten-Vom-Vaterland-vergessen#/beitrag/video/1897216/Kranke-Soldaten-Vom-Vaterland-vergessen

 

Bleibt Venezuela rot?

Ich hätte mir ein deutlicheres Ergebnis gewünscht. Was Nicólas Madura am Sonntag hingelegt hat, war und ist katastrophenverdächtig. Er hat gegenüber seinem Vorgänger Chaves fast 5% der Stimmen verloren http://www.taz.de/Praesidentenwahl-in-Venezuela-/!114536/. Und dennoch freut mich dieser knappe Sieg. Immerhin hängt vom Wahlausgang ab, ob Venezuela dem westlichen Wirtschaftsmodel oder aber dem neuen Model sozialistischer Prägung folgt. Die Unterschiede zwischen beiden Optionen sind groß, in wichtigen Bereichen aber durchaus überbrückbar. Allerdings können die Einnahmen des Staates (u. a. die Erlöse aus den Erdöleinnahmen) nicht zweimal verteilt werden. Woraus folgt, dass die Reichen im Lande auf bisherige Pfründe (Steuerleichterungen, bessere Bildungschancen, Gesundheitsversorgung etc.) zumindest teilweise verzichten mussten und weiterhin müssen. Insider wissen, dass der Gini-Koeffizient – er beschreibt die Einkommensunterschiede im Lande – in Latein- und Südamerika weltweit am höchsten ist und nicht nur in Venezuela der Korrektur bedurfte/bedarf. Hugo Chaves hatte 2001 über einen 30 Millionen-US-$-Fond dreißig sogenannte „bolivarische Missionen“ gestartet, die große Teile der Bevölkerung aus dem Elend befreiten sowie Bildung, Gesundheitsfürsorge, Umweltschutz etc. vermittelten – meist gegen den Widerstand der bestehenden Institutionen, die er erst 2003 in die Knie zwang. Kurz nach Chaves’ Amtsantritt lebten nach Angaben der UN-Wirtschaftskommission knapp 50 % der Bevölkerung Venezuelas in Armut. Im Jahr 2006 war diese Quote auf 30 % gesunken. Der Gini-Koeffizient sank von 0,5 auf 0,44. Dies ist unter anderem den eben erwähnten Missionen zu verdanken. So haben die Armen kostenlosen Zugang zu zahlreichen Medikamenten, darunter retroviralen Cocktails gegen AIDS. 15 Millionen Menschen werden durch die Mercal-Supermärkte mit verbilligten Lebensmitteln versorgt. Die Lebenserwartung stieg von 72,18 Jahre (1999) auf 73,18 Jahre (2004); die Kindersterblichkeit konnte von 18,5 Promille auf 16,8 Promille im Jahr 2004 gesenkt werden. Die Arbeitslosigkeit reduzierte sich von 16,6 % (1999) auf 11,5 % (2005) – vor allem, weil die Regierung (z. B. im Rahmen der Misión Vuelvan Caras) die Gründung von Kooperativen anregte und deren Produkte bevorzugt aufkauft. Die Analphabetenquote wurde nach Angaben des Bildungsministeriums in wenigen Jahren von 6,12 auf 1 % gesenkt http://de.wikipedia.org/wiki/Bolivarianische_Missionen. Im Gesundheits- und Bildungswesen waren es vor allem kubanische Ärzte und Lehrer, die großzügige Unterstützung gewährten – vor allem dort, wo sich venezolanische Experten weigerten, in Elendsquartieren Hilfe zu leisten.

Eine neue Regierung unter dem Oppositionsführer Henrique Capriles Radonski würde zweifellos viele der von Chaves durchgeführten Reformen annulieren, die Reprivatisierung von Ölförderanlagen und Raffinerien beschließen und die auf Eis liegenden Verbindungen zu den USA wieder aufnehmen. Ja, mehr noch: Capriles könnte die Mitgliedschaft in den von linken Regierungen dominierten Bündnissen ALBA und CELAC aufkündigen http://amerika21.de/audio/48752/alba-celac. Was das bedeutet hätte, kann sich jeder, der Grundkenntnisse über Lateinamerika besitzt, schnell ausmalen. Venezuela ist als erdölreiches Land der Dreh- und Angelpunkt für die wirtschaftliche Entwicklung auch der Nachbarn. Vor allem Kuba, Ecuador und Bolivien profitieren von der großzügigen Unterstützung, aber auch arme Familien in den USA, denen Maduros Vorgänger immer mal Heizöl für den Winter herüberschipperte. Das unter Chaves sichtlich erstarkte Bündnis zwischen Venezuela, Ecuador, Bolivien und Kuba hat auch in den anderen latein- und südamerikanischen Ländern Spuren hinterlassen. Argentinien, Brasilien, Peru, El Salvador und Nikaragua sympathisieren offen mit dem neuen sozialen Experiment, andere Staaten scheuen zumindest jede Konfrontation. Auch der Wirtschaftsverbund Mercosur, dem Argentinien, Brasilien, Paraguy und Uruguay angehören, hat sich inhaltlich gewandelt. In den Augen von USA-Experten gilt er inzwischen als amerikafeindlich. In der Tat: Konfiguration und Kräfteverhältnisse südlich der Vereinigten Staaten haben sich grundlegend verändert – was zweifellos mit der Jahrzehnte währenden ausbeuterischen Politik des großen Nachbarn zu tun hat. Was United Fruit & Co. nach dem 2. Weltkrieg nicht zerstören konnte, schlugen die Chikago-Boys und die von ihnen gesteuerten Diktatoren, Rauschgifthändler und Todesschwadronen platt . Che Guevara, Allende, Victor Jara und vielleicht auch Pablo Neruda sind darüber zu Tode gekommen http://www.otz.de/startseite/detail/-/specific/Leiche-von-Pablo-Neruda-wird-exhumiert-160029937. Wer diese Zusammenhänge kennt, weiß sehr schnell, wie wichtig Wahlergebnisse in Venezuela sind. Und er kann sich das Ausmaß westlicher Unterstützung für Capriles Radonski vorstellen. Nun, dieser Mann musste sich geschlagen geben, was jetzt wegen des knappen Ergebnisses für Zeter und Mordio sorgt. Dass Maduras Gegner über 49% der Stimmen holte, ist überaus ernst zu nehmen. Denn die Zahl vermittelt, dass in Venezuela ein Riss mitten durch die Gesellschaft geht, sprich: die Zahl der Gegner immens ist. Wenn Madura den Kurs von Chaves erfolgreich fortsetzen möchte, bedeute das nicht nur viel Arbeit und reformerisches Denken, sondern vor allem auch Konzessionen an seine Gegner. In einer ständigen Konfrontation nämlich kann nichts gedeihen. Hier gilt es, mit parteiübergreifenden Lösungen sehr viel mehr Menschen vom neuen Weg zu überzeugen bzw. abgefallene Wähler zurückzugewinnen. Andererseits müssen die „positiven Errungenschaften“ (Ergebnisse der Missionen etc.) konsequent geschützt werden – notfalls unter Einsatz des Militärs.

Dass die westlichen Medien die Verdienste von Chavez mehrheitlich ignorierten und heute zu immer neuen Rufmordkampagnen gegen Maduro antreten, ist das Ergebnis dieser Gemengelage. Was man den beiden vorwirft, ist beispiellos und doch nur ein Remake dessen, was auch Allende oder Castro erlebten/erleben: Durch die erbrachten Sozialleistungen sei die Wirtschaft des Landes geschädigt worden (Originalton ARD vom 14, April 2013). Man habe Oppositionelle mundtot gemacht und eingekerkert und der überbordenden Kriminalität im Lande wenig entgegengesetzt. Wahr ist, dass Chaves gegen all diejenigen Front machte, die ihn unmittelbar angriffen, für Kapitalverbrechen und andere feindliche Aktionen gegen Staat und Gesellschaft verantwortlich waren und Lügen verbreiteten. Tatsächlich sind neben vielen Kriminellen auch einige Oppositionelle festgesetzt worden. Wobei die meisten von ihnen später amnestiert wurden. Leider begreift man im Westen nicht, dass strukturelle Verbesserungen zu Gunsten der Unterprivilegierten auch administrative Härten und unverhältnismäßige Eingriffe mit sich bringen. Beides gibt es, wenn auch in umgekehrter Färbung, auch in unseren sogenannten Demokratien – täglich und immer wieder. Ärgerlich ist, dass sogenannte Menschenrechtsorganisationen, aber auch Amnesty International statt der Gesamtsituation nur einzelne Härtefälle im Auge haben und diese zuweilen aufbauschen. Bestes Beispiel: die im Hausarrest befindliche Richterin Maria Lourdes Afiuni . Chaves hatte sie wegen Korruption anklagen und (angeblich) zu 30 Jahren Gefängnis verurteilen lassen, weil sie zwei politische Gegner Chaves’ frei ließ. Jetzt wurde die Strafe in Hausarrest umgewandelt – was bei der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte auf die Schlagzeile „Hausarrest statt medizinischer Versorgung“ hinausläuft http://www.igfm.de/laender/lateinamerika/venezuela-hausarrest-statt-medizinischer-versorgung/. Die Diskreditierung der Wahlsieger ist also Programm. Natürlich muss sich jedes Land um die Einhaltung fundamentaler Menschenrechte nicht nur kümmern, sondern sie strikt einhalten. Das gilt auch in Venezuela und wird genauso wahrgenommen. Wenn allerdings aus Einzelschicksalen politische Kapital geschlagen wird, wenn schließlich die Gesamtsituation eines Landes an höchst untypischen Vorfällen festgemacht werden soll, ist Schluss mit lustig. Schließlich hilft jede verleumderische Attacke dem äußeren Feind, den US-Amerikanern, die ihren früheren Einfluss auf Latein- und Südamerika wieder herstellen wollen, den Europäern, die die ALBA- und CELAC-Länder in ihrem ausbeuterischen Freihandel zwingen möchten und den zahllosen Ölgesellschaften, die ihre Saugnäpfe bereits auf das venezolanische schwarze Gold programmiert haben.

Dass Venezuela über immense, ja vielleicht sogar über die größten Erdölvorräte der Erde verfügt, ist brisant. Folglich wird das Land auch in Zukunft von massivem Störfeuer all derer bedroht, die vor allem eines fürchten: dass sich der junge Sozialstaat auf Basis seines Bodenschatzes auf ewig etablieren und weitere Länder in die antiwestliche Allianz einbinden könnte.

Wenn Sie also künftig die Zeitung aufschlagen und Hasstiraden gegen Nicólas Maduro begegnen, dann bleiben Sie bitte ruhig. Das meiste davon ist übertrieben oder

… gelogen.

Nachtrag vom 21. April 2013: Die Wählerstimmen werden neu ausgezählt.

 

Steinbrück hat die Hyänen von der Leine gelassen

Stichwort Hypo Real Estate (HRE). Dass sie überhaupt gerettet werden musste, wird bis heute bezweifelt. Möglicherweise wäre ein Zusammenbruch a la Lehmann Brothers mit Blick auf notwendige Reformen des Bankensektors heilsamer gewesen. Die Frage der Abwägung zwischen dem Getanen und dem wahrscheinlich Zweckmäßigeren stellt sich nicht – oder allenfalls theoretisch. Indiskretionen brachten es knapp ein Jahr nach dem spektakulären September 2008 an den Tag: Vor allem die Hauptgläubiger der Hypo Real Estate – die Allianz, die Münchener Rück, die Bayrische Landesbank, die HypoVereinsbank, die Deutsche Bank und die Commerzbank – hätten beim Absturz der HRE gigantische Geldmengen abschreiben müssen: 5 Milliarden Euro, 4 Milliarden Euro, 3 Milliarden Euro, und je 1-2 Milliarden Euro. Kein Wunder also, wenn gerade sie den systemischen Status der Hypo Real E. so dramatisch einforderten. Wie heiß es wirklich brannte, werden wir nie erfahren. Die Bundesregierung hat ihre Rettungspakete (so auch das für die HRE) in völliger Intransparenz und ohne jede parlamentarische Kontrolle installiert. Nur neun Bundestagsabgeordnete haben unter dem Siegel absoluter Verschwiegenheit Einblick in die Maßnahmen des in diesem Zusammenhang gegründeten Finanzmarktstabilisierungsfonds/des SoFFin. Deshalb weiß die Öffentlichkeit nichts darüber, welche Banken mit welchen Summen gestützt werden, welche Manager für welche Verluste verantwortlich sind und unter welchen Modalitäten die Staatshilfen vergeben oder verweigert worden sind (Attac-Reader vom April 2010: »Das Bankentribunal – weil die Krise System hat« – http://www.attac.de /aktuell/krisen/bankentribunal/weiterlesen/).

Unterm Strich. Peer Steinbrück ist maßgeblich für die mit der Finanzkrise einhergehenden Katastrophen verantwortlich. Um es genau zu sagen: Er hat die Hyänen von der Leine gelassen.

Gehen wir zurück ins Jahr 2003.  In der damals gegründeten »Initiative Finanzstandort Deutschland« sitzen von diesem Zeitpunkt an Großbanken und Versicherungen gemeinsam mit dem Bundesministerium für Finanzen und der Bundesbank an einem Tisch. Damals powerte die rot-grüne Bundesregierung auf Druck der Finanzlobby zwei Vorhaben. Deren Ziel war es, die Verbriefung von Bankkrediten und Kreditrisiken auch in Deutschland zu ermöglichen. Zum einen ging es um den »Finanzmarktförderplan«, der Hedgefonds in Deutschland zuließ und unbegrenzte Leerverkäufe erlaubte, zum anderen um die Stützung der von 13 Banken ins Leben gerufenen Lobby-Organisation »True Sale Initiative«, die sich für die Deregulierung des Derivatemarktes einsetzte. Gleichzeitig wurde das »Kleinunternehmensförderungsgesetz« verabschiedet, das den Banken in Offshore-Zentren die Ansiedlung von so genannten Zweckgesellschaften ermöglichte. Diese sogar staatlich subventionierten Einrichtungen (»Conduits«) befassten sich ausschließlich mit den o. a. Verbriefungen, die aus den Bankenbilanzen offiziell ausgegliedert werden durften und der Finanzaufsicht entzogen waren (!). Ja mehr noch: Die Gewinne aus diesen Aktivitäten, die bei anfänglich erfolgreicher Spekulation milliardenschwer zu Buche schlugen, blieben frei von jeder Gewerbesteuer (!). http://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/100329_Bankentribunal_Anklageschrift.pdf. Die so privilegierten, sprich: mit nahezu jeglicher Freiheit ausgestatteten Finanzinstitute versprachen eine wichtige Gegenleistung. Sie wollten den deutschen Landen treu bleiben (also nicht in Richtung der lukrativen Märkte – Großbritannien und USA – abwandern) und den deutschen Mittelstand sehr viel großzügiger als bisher mit Krediten versorgen (ARD/«Kontraste«, 26. August 2010). Peer Steinbrück, der der großen Koalition von 2005 bis 2009 als Finanzminister angehörte, hat dann im Verbund mit den Länder-Ministerpräsidenten zugelassen, dass auch die Landesbanken massiv in die riskanten Verbriefungsgeschäfte einstiegen. Unter dem Strich hatten die rechten SPD-Führer, die bis 2005 an der Macht waren und danach weiter an der Regierung partizipierten, die Arbeit des politischen Gegners getan, sprich: den Protagonisten der deutschen Finanzwirtschaft Tür und Tor geöffnet. Dass dies mit Hinweis auf die renditeraffende Konkurrenz im Ausland geschah, versteht sich – dass Finanz-Politiker die Risiken eines solchen Spieles nicht begriffen haben, keinesfalls. Wer den Hund von der Leine lässt, muss wissen, ob der Pudel oder Pitbull ist und was er anzurichten vermag. Nein, diesen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht, diesen Vorwurf gegen Schröder und Steinbrück im Besonderen, wäscht niemand ab. Wenn der Ex-Finanzminister heute darauf verweist, dass sowohl er als auch Merkel Reformen der internationalen Finanzarchitektur angemahnt haben, stimmt das formal. Sicher wissen beide, was auf diesem Sektor – zumindest aus ihrer Sicht– geschehen müsste. Die Liste existiert, doch auch dem jetzigen Verbund Merkel/Schäuble gelingt es nicht, auch nur Teile davon umzusetzen – selbst in der EU nicht. Auch hier vernebelt Steinbrück, der manches … als erreicht, einiges als nicht durchsetzbar und vieles in Arbeit sieht. Welch Schönfärberei! Von dem, was Experten im Sinne einer durchgreifenden Finanzmarktreform für nötig erachten, ist bis heute fast NICHTS realisiert, und ebenfalls nichts spricht dafür, dass es an irgendeiner Stelle zu einschneidenden Veränderungen kommt. Peer Steinbrück muss man folglich mehr vorwerfen als er selbst an Fehlern zugibt. Sie lesen richtig: Steinbrück übt in seinem Buch „Unterm Strich“  auch Selbstkritik. Ob er das tut, um lauter/wahrhaftiger zu wirken, ist schwer auszumachen. Der flüchtige Leser wird ihm da schnell Pluspunkte zuwerfen. Ich sehe das gemischt. Denn die Kritikpunkte sind so gravierend, dass sich Steinbrück quasi rückwirkend des Postens enthebt. Denn was moniert er an sich selbst? Dass er nichts zur Umstrukturierung der Landesbanken unternahm und damit deren spekulative Aktivitäten indirekt unterstützte, die mit dem »Finanzmarktförderplan« und dem »Kleinunternehmens- förderungsgesetz« ausufernde Spekulation sämtlicher deutscher Banken nicht rechtzeitig erkannte, geschweige denn eindämmte und dem Thema »Bankenaufsicht« zu wenig Aufmerksamkeit schenkte. Da fragt man sich doch: Gehört nicht eben das, was Steinbrück offenbar un- terlassen/vernachlässigt hat, zu den wichtigsten Aufgaben eines Bundesfinanzministers? Und ist es nicht ziemlich fies, den Eindruck zu erwecken, als gehörten Globalisierung, die komplizierten Verwerfungen im internationalen Finanzsystem und die Agenda 2010 wie selbstverständlich zum Kapitalismus, der in unseren Zeiten eben anders ticke als früher, eben harscher und dann auch chancenreicher. Steinbrück betrügt uns offenbar. Denn weder macht er brauchbare Vorschläge zu einem neuen, nachhaltigen Wirtschaftssystem, noch thematisiert er den teuflischen Circulus vitiosus, dem das Finanzsystem seit eh und je ausgesetzt ist. Die Banker beteuern heute, dass es unmöglich sei, die mit dem Staat vereinbarten Maßnahmen zur Rettung ihrer Institute demokratisch zu kontrollieren, sprich: ihre Inhalte und ihr Zustandekommen offen zu legen. Weil dann die Märkte wie verrückt darauf reagierten und »noch Schlimmeres« anrichten würden. Deshalb sei die rigide Geheimhaltung unverzichtbar – und der Staat müsse sie abnicken. In einer solchen Lage aber ist unbedingt davon auszugehen, dass Banker bestimmen, was zur eigenen und zur »Systemheilung« notwendig ist. Nämlich die Fortsetzung dessen, was immer geschah: weiteres Wirtschaftswachstum nach altem Muster, weitere Spekulation, weitere Vermögensverteilung von unten nach oben – mit exponentieller Entwicklung der großen Vermögen, erneuter Rettung aus geplatzten Finanzblasen zu Lasten der Steuerbürger und … und … und …

Kaum einem Politiker ist zuzutrauen, dass er die komplizierten Zusammenhänge fachlich sortieren und im Zweifelsfall Widerstand leisten kann. Wie auch sollte er Verantwortung für den möglichen Absturz übernehmen, wenn dieser unter Nichtachtung der Bankerstimmen tatsächlich eintritt. Es bedürfte schon genialer Fähigkeiten und eines neuen Menschentyps, um hier durchzudringen. Doch wie sollte ein solcher Sonderling in die Arena der Macht vorstoßen? Jeder heute aufs »Spielfeld« delegierte Finanzpolitiker gerät zwangsläufig zur Galionsfigur der Branche. Strafrechts-Experte Prof. Peter-Alexis Albrecht wörtlich: »Man kann sagen, dass das, was die Finanzlobby will, in diesem Land auch politisch umgesetzt wird.« (ARD/«Kontraste«, 26. August 2010). Wenn folglich alles nach dem Gusto der Banken, genauer: nach dem Willen der internationalen, vor allem US-amerikanischen und britischen Geldhäuser läuft, ist die gesamte Welt einem sich ständig beschleunigenden Kreisel aus persönlicher Gier, aus Machtansprüchen, politischer Vereinnahmung und daraus resultierender zunehmender Differenzierung zwischen Arm und Reich ausgesetzt. Dazu, wie dieses System funktioniert und schließlich ex- oder implodiert, hat Steinbrück nichts gesagt.

Doch zurück zu den eigentlichen – oder besser gesagt – angeblichen Reform- anstrengungen. Ich sagte es bereits: Weder Merkel noch Schäuble werden hier etwas ausrichten. Ja, ich gehe sogar weiter: Sie dürfen es auch gar nicht wollen. Denn nicht nur die Machtambitionen in New York und London stören, auch Ackermann hat ausdrücklich davor gewarnt, den deutschen Banken zusätzliche Lasten aufzuerlegen. Und ganz sicher will dieser Mann nicht nur nachziehen, sondern souverän am neuen Spiel teilhaben. Im Klartext: Nicht nur die Wall Street und die Londoner Börse entziehen sich erfolgreich fast allen Regulierungen, auch die Deutsche Bank drängt nach der alten Freiheit. Immer aber, wenn es ums Bezahlen geht, ja um die Teilnahme der Banken an der großen Schuldentilgung, dann herrscht Schweigen. Völlig unverständlich ist dann auch, dass Steinbrück in seinem Buch („Unterm Strich“) von beachtenswerten Anstrengungen der Banken spricht. Einfach, weil deren Beteiligung an der HRE-Rettung größer sei als der jährliche Gewinn. Wen aber interessiert das? Entscheidend ist doch wohl der Vergleich zwischen den Verbindlichkeiten der HRE (gegenüber der jeweiligen Bank) und den jeweils zur Rettung aufgebrachten Mitteln. Das am 25. August 2010 von der Bundesregierung verabschiedete Gesetz zur Abwendung künftiger Pleiten (» Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten«) mutet ebenfalls wie ein Pflaster auf dem Tranchierschnitt an. Denn niemand wird im Ernst annehmen, dass man die Branche, die jährlich nur magere 1 Milliarde Euro abgeben bzw. »ansparen« will, damit im Notfall retten könnte (»tagesschau.de/rbb«, 25. August 2010). Ähnlich kläglich versacken die Bemühungen um eine Erhöhung des Eigenkapitals von Banken. Hier werden 5-6% angestrebt, doch 5-6% wovon? Diese Frage wird von denen, die betroffen sind, in immer abenteuerlicherer Weise beantwortet – natürlich mit dem Ziel, die Kapitalbindung im Hause zu minimieren. Denn was fest liegt, ist für die Spekulation verloren. Und so pokern die, die jetzt mit Basel III befasst sind, munter weiter. Gehören zur Bezugsgröße nur gehaltene Aktienpakete und einbehaltene Gewinne oder auch Hybridprodukte und … ??? Das aber hat kaum mehr mit Steinbrück zu tun. Es sei denn, man stylt ihn zum Kanzlerkandidaten – einer SPD, die (Sie ahnen es bereits) erst einmal an die Macht kommen und dann stärkste Partei sein muss.

Nachtrag vom 16. Juli 2011: Insgesamt dreizehn Banken wurden im Juli einem Stresstest unterzogen um festzustellen, ob sie gegen künftige Krisen ausreichend gewappnet sind. Kriterium war die sogenannte »Kernkapitalquote im Stressfall«. Einzig die Landesbank Hessen Thüringen (Helaba) bestand diese Prüfung nicht. Allen anderen wurde mit Quoten von 5,5-10,4 % Tauglichkeit bescheinigt (»Rheinische Post«, 16. Juli 2011). Zweifellos hat die Branche sich und den Bürgern etwas vorgemacht. Denn ein nahe liegender Ernstfall wurde nicht berücksichtigt: die Pleite von Griechenland.

 

Vergesst Obama!

 

Spätestens seit dem  2. Mai 2011 ist klar, dass ein Schwarzer – wollte er weiterhin Präsident der USA sein – ungleich straighter auftreten muss als weiße Schwachköpfe à la Bush jun. Und so wie Mr. Präsident  da gemeinsam mit Hillary Clinton im Situations Room des Weißen Hauses – kamerafixiert und für die Weltöffentlichkeit sichtbar – dem Einsatz des von ihm befohlenen Killerkommandos folgte (http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,760622,00.html), ist er schon aus dem Schatten seiner Vorgänger herausgetreten. Spätestens seit dem 2. Mai ist klar, dass unser Bild von Obama  genauso mutiert, wie ich das in „Störfall Zukunft“ vor 30 Monaten vorausgesagt hatte (S. 463 ff.). Dieser Mann, der im Wahlkampf zum Vorkämpfer für ein neues Amerika hochstilisiert wurde und dazu selbst kräftig beitrug, ist alles andere als ein Hoffnungsträger für diese Welt. In den USA mag man das anders sehen, weil die Ereignisse des 11. September 2001 einen direkten Pool aus Schmerz und unbefriedigten Rachegelüsten hinterließen. Doch es waren ganz augenscheinlich weniger die Angehörigen der Opfer, die den Tod Bin Ladens bejubelten, es war der von den Medien aufgeputschte Mob.

Barack Obama hat mit der Intensivierung des Afghanistankrieges, den ferngesteuerten, völkerrechtswidrigen Attacken von US-Drohnen gegen Pakistan (die Zahl der getöteten Zivilisten wurde per 5. Mai 2011 mit dreiundfünfzig sicher zu niedrig angegeben) und der Bombardierung Libyens eine neue Blutspur gezogen. Er hat die Signale der sogenannten arabischen Befreiungsbewegung undifferenziert verkannt und im Westjordanland den israelischen Siedlern das Feld überlassen. Man darf auch vermuten, dass von den Geheimdiensten weiter gefoltert wird – ohne ausdrückliche neue Befehle und  … im Ausland (http://www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2011/0505/terror.php5).  Guantanamo –  wo mindestens 150 Gefangene unschuldig einsaßen und z. T. auch heute noch einsitzen – besteht weiter (http://www.taz.de/1/netz/netzpolitik/artikel/1/unschuldige-sassen-jahrelang-ein/). Dass die Opfer nur deshalb nicht freigelassen werden, weil sich niemand findet, der sie aufnimmt, ist grotesk.

Was also hat Obama – abseits einer halbherzigen, noch keineswegs gesicherten Gesundheitsreform und untauglicher Finanzmarktregeln – zu Stande gebracht?

Wo und wie ist er anders als bisherige US-Präsidenten?

Mir fällt da nichts ein.

Amerika bleibt – ob nun mit oder ohne Obama – ein Land mit Vormachtanspruch, ein Land, das mit Microsoft, Apple, Google etc. im Internet herrscht … das eine Vielzahl übermächtiger Global Player, die drei maßgeblichsten Rating-Agenturen der Welt, die fiesesten Rüstungsgüter, die weltgrößte Militärmaschinerie und das Abhörsystem Echelon etc. gegen die Restwelt ausschickt …,

das mit Schulden von gut 14 Billionen US-$ kurz vor dem Kollaps steht und damit eine reale Gefahr für die Finanz- und Realwirtschaft der gesamten Welt darstellt (http://www.abendblatt.de/wirtschaft/article1751239/Die-14-Billionen-Dollar-Frage-der-USA.html) …,

das seine Bevölkerung ungefragt mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln zuschüttet und  40 Millionen seiner Bürger dem radikalen Evangelismus ausliefert.

Dort, wo der Rauschgiftkonsum einsame Rekorde feiert, wo es jährlich mehrere tausend sexuelle Übergriffe gegen weibliche Militärangehörige gibt, wo mehr als 200 Millionen Waffen in privatem Besitz sind und pro Kopf der Bevölkerung achtmal so viele Leute eingelocht werden wie im europäischen Durchschnitt, wo Städte wie Maywood, Oakland, San Diego etc. einfach verkommen, wo deutsche Au Pairs immer mal gefragt werden, ob es in Germany auch Autos oder doch eher Regenwälder gebe, dort also … hat Obama gerade seine höchste Wertschätzung erfahren.

(http://www.sueddeutsche.de/digital/echelon-berunruhigt-das-europa-parlament-die-big-brother-hotline-1.622678)

http://programm.ard.de/TV/Programm/Jetzt-im-TV/weltbilder/eid_287216400135086?list=themenschwerpunkt&start=21;

http://www.sueddeutsche.de/wissen/privater-waffenbesitz-mehr-schusswaffen-mehr-opfer-1.833490;

http://de.wikipedia.org/wiki/Gefangenenquote;  http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/services/nachrichten/ftd/PW/60047559.html;

„Rheinische Post“/Regionalteil Ratingen, 23. Juni 2011).

 

Nachtrag vom 24. Juni 2011: Am 13. Juni wurde in den USA ein streng gehütetes Staatsgeheimnis gelüftet: Der Vietnamkrieg war illegal. Er wurde unter falschen Voraussetzungen begonnen, mit Lügen fortgesetzt − und zu gewinnen, auch das wird jetzt offiziell bekannt gemacht, war er auch nicht. Ganz neu ist die Erkenntnis nicht: Vor genau vierzig Jahren stahl ein ehemaliger Elitesoldat, der Regierungsberater Daniel Elsberg, die hoch geheimen „Pentagonpapiere“, kopierte sie und trug sie zur New York Times, die sie nach einigem Zögern veröffentlichte. Präsident Nixon persönlich versuchte, die Zeitung zu verbieten. Elsberg wurde als Landesverräter verhaftet und wäre beinahe für Jahrzehnte im Gefängnis verschwunden. In Vietnam aber starben Millionen Vietnamesen und fast 60.000 Amerikaner.

Derzeit beschäftigt ein ähnlich gelagerter Fall die USA. Wieder ist ein Soldat, diesmal der Obergefreite Bradley Manning, auf erschreckende Missstände/Verbrechen gestoßen. Die diesmal nicht über die Presse, sondern über den inzwischen inhaftierten Julian Assange  und Wikileaks an die Öffentlichkeit gelangten (http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,750257,00.html). Wir wissen, dass im betreffenden Dossier von fundamentalen Menschenrechtsverletzungen und anderen tödlichen Übergriffen der US-Army die Rede ist – in einem Krieg, der ähnlich wie der in Vietnam … unter falschen Voraussetzungen begann, mit Lügen fortgesetzt wurde und nicht zu gewinnen ist.

Obama nun tut nichts, um dem unter unwürdigen Umständen eingekerkerten Bradley Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen (http://www.sueddeutsche.de/politik/wikileaks-informant-bradley-manning-held-hinter-gittern-1.1107592). Im Gegenteil: Er billigt die laufende Prozedur. Und fährt dafür – ebenso wie für die Bin-Laden-Show – Pluspunkte ein. Der mittlerweile achtzigjährige Ellsberg missbilligt Obamas Verhalten ausdrücklich, ja er nennt es einen Verstoß gegen die amerikanische Verfassung („Süddeutsche Zeitung“, 11./12./13.Juni 2011).

Der US-amerikanische Philosoph Noam Chomsky  ging vom 6. – 8. Juni 2011 in der Kölner Universität einen Schritt weiter. Wörtlich formulierte er: „Seit der Monroe Doktrin 1823 betrachteten die Vereinigten Staaten die Welt als politische und wirtschaftliche Verfügungsmasse, den eigenen Interessen untergeordnet oder noch unterzuordnen.“

Kersten Knipp, der Chomskys Vorlesungen beiwohnte, spürte einmal mehr dessen Grundannahme. Knipp wörtlich: „Die Außenpolitik der USA ist die Wurzel aller Übel weltweit. Ändert sich diese Politik, steht es auch um die Welt als Ganzes besser“ („Süddeutsche Zeitung“, 10 Juni 2011).

Auszug aus „abgebloggt“ , Heiner Labonde Verlag 2011, S. 368 ff.

Die widerliche Aura des Militarismus (1)

Wieder einmal sind es die Hardliner der „Rheinischen Post“, die den Afghanistan-Feldzug beweihräuchern. Dass selbst Experten diesen Krieg für verloren und nur 30% der Deutschen an ihm fest halten, interessiert sie nicht. Im Gegenteil: Die Reise des eigens nach Kabul entsandten Helmut Michaelis muss sich lohnen – ganz gleich, ob das, was der dort recherchiert, repräsentativ ist oder embedded aus den Gefälligkeitsquellen der Brandstifter stammt. Diesmal drückt uns Michaelis ein Interview mit David Petraeus aufs Auge, und genau der ist es auch, der uns uniformiert und ordensgeschmückt aus dem Blatt heraus angrinst http://nachrichten.rp-online.de/politik/petraeus-druck-auf-taliban-wirkt-1.314206.

Damit nicht genug. Die RP hat die einzelnen brustbildenden Abzeichen und Insignien detailliert erklärt – sicher, um die Glaubwürdigkeit des Interviewpartners zu befestigen. Der umgebende Text aber sagt nichts, nichts über die wirkliche Lage am Hindukusch. Solch Wertung mag angesichts fehlender eigener Recherchen anmaßend wirken. Doch das Gegenteil ist der Fall. Denn wenn – wie hier – ausschließlich von Fortschritten bei der Intervention, vom erfolgreichen Aufbau afghanischer Sicherheitskräfte und realen Chancen für die Übergabe der Macht an Karsai & Co gesprochen wird, spiegelt das nicht nur Wunschdenken – es ist schlichtweg falsch. Und wenn Michaelis dümmlich anfragt, ob eine Pflanzenkrankheit bei der Bekämpfung des Drogenanbaus helfe, hat man die Leserei doppelt satt. Setzen sie Amis Mikroben ein, oder fault’s von selbst? fragt man sich. Petraeus klärt das nicht auf, meint nur, die ISAF habe kein Rauschgift-Mandat. Das andere aber, das zur Transition (der Machtübergabe an die afghanischen Galionsfiguren) nehme er verdammt ernst, und es reiche bis (mindestens) 2014.

Afghanistan wird auch in der „ZEIT“ zerkocht. Da gibt es in der letzten Dezemberausgabe eine Rezension zu „War“ – dem gerade übersetzten Buch von Sebastian Junger. Junger, sehe ich und denke: Jünger. Und tatsächlich: Der embedded US- reporter beschwört neue Stahlgewitter. Folgt man den Auslegungen des „ZEIT“-Journalisten (http://www.zeit.de/2011/01/L-B-Jungers) ,dann sträuben sich einem die Haare: „WAR (so heißt es im Text wörtlich) ist ein bedrückendes Buch über den Krieg oder über das Kämpfen im Krieg, und gleichzeitig ist das Buch – so sieht es für mich aus – Jungers ganz persönliches Heldenepos, was wahrscheinlich damit zusammenhängt, dass er in Afghanistan zwei überwältigende Erfahrungen gemacht hat, die sich schon in den Titeln der drei Teile andeuten, aus denen das Buch besteht: Angst – Töten – Liebe. Die Soldaten, wie Junger sie beschreibt, überwinden ihre Angst, und das Kämpfen wird für sie zu etwas, ohne das sie fast nicht mehr leben können. Das sollte einen nicht überraschen, schließlich sind sie Profis, aber es überrascht mich trotzdem. An einer zentralen Stelle schreibt Junger, es sei sinnlos, so zu tun, als sei der Krieg nicht auch aufregend, wahnsinnig aufregend sogar: »Krieg muss als schlecht gelten, denn im Krieg geschehen zweifellos schlechte Dinge, aber ein Neunzehnjähriger am Abzug eines .50 Kaliber Maschinengewehrs während eines Feuergefechts, das alle heil überstehen, erlebt den Krieg als einen so extremen Nervenkitzel, wie ihn sich niemand vorstellen kann. In mancher Hinsicht verschaffen zwanzig Minuten Kampfgeschehen mehr Lebensintensität, als man sie während eines Daseins zusammenkratzen kann, das mit anderem beschäftigt ist.« So ein militaristischer Unflat macht mich sprachlos. Die Bundeswehrreform steht an, und da muss sich niemand über politischen und Medien-Geleitschutz wundern. Tacheles reden will man dennoch nicht. Wer schon spricht von sanktioniertem Mord, wer schon stellt fest, dass deutsche Rekruten künftig kein Wahlrecht haben. Einmal in der Truppe, müssen sie mitziehen. Überall hin und ohne Abstriche. Ganz gleich, ob es sich um humanitäre Aktionen oder aber um schnöde Rangeleien um ausgehende Rohstoffe handelt. Noch freilich gibt es ein Verweigerungsrecht aus Gewissensgründen. Den Spielraum dafür dürfte man künftig einengen. Wer sich künfig für den Bund entscheide, müsse wissen … Dass zu Guttenberg bei dieser Sachlage auch weiterhin den Bürger in Uniform verkauft, ist hanebüchen.

Und dann – wiederum aus der „ZEIT“ – ganz frisch die Botschaft: Siegen lernen – Die Militäreinsätze in Afghanistan und im Irak werden nach dem Vorbild europäischer Kolonialkriege geführt („DIE ZEIT“, 5. Januar 2010). In einer Sprache zwischen betroffen und süffisant macht sich Stephan Malinowski über einen Strategietransfer her, der seinesgleichen sucht. Worum geht es. Es geht um den „Erfahrungsschatz“, den Raubritter aller Couleur (bei der Unterwerfung und Ausbeutung fremder Länder und Völker) gesammelt haben. Malinowski berichtet darüber, dass US-Geheimdienste bereits gegen Ende des Algerienkrieges französische Militärstrategen – darunter Fachleute für Folter – rekrutieren konnten, dass die Thesen der „großen Theoretiker für Aufstandsbekämpfung“ in die Standardwerke der US-Army und damit in die Eroberungskonzepte für Vietnam, Irak und Afghanistan eingingen und der Versuch, zumindest Teile der Zivilbevölkerung (der unterjochten Länder) zu „gewinnen“ weniger humanitär als strategisch motiviert sei. Malinowskis Recherche mündet schließlich in schierer Unerträglichkeit: “ … Die Zukunft der westlichen Kriegsführung im Zeughaus spätkolonialer Kriege zu suchen, mutet daher nur auf den ersten Blick als historische Ironie an. Von den für die Öffentlichkeit westlicher Staaten unerträglichen Elementen entschlackt (zivile Opferzahlen von mehreren Hunderttausend, Vertreibung ganzer Bevölkerungsteile, Lagersysteme), erscheint die Kopplung von vergleichsweise dosiertem Gewalteinsatz und „Entwicklungsarbeit“ eher zukunftsträchtig denn vorgestrig. Diese Politik als eine gegen „Terroristen“ gerichtete bewaffnete Aufbauhilfe darzustellen, macht den Krieg auch für postheroische Gesellschaften akzeptabel ...“ Zynischer, menschenverachtender geht’s nicht. Was der Autor hier an stinkender Masse seziert, ist beispiellos. Doch nicht minder verwerflich ist der Ton der Aufbereitung. Mich schaudert’s!

 

20 Jahre deutsche Zwei-Heit

Es ist wahrlich kein Wunder, dass heute – zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung – das Gros der Westdeutschen dieses Ereignis befeiert, während Zehn-, ja vielleicht Hunderttausende im Ostteil unseres Landes hinter die Mauer zurück wollen. Der Rest mag realistischer denken und die deutsche Einheit als Mix von punktuellem Erfolg und massenhafter Bauchlandung empfinden – für die Ostdeutschen wohlgemerkt.
„War nicht besser möglich“, höre ich dann, „keine Erfahrungen mit der Transformation und … die sollten sich freuen … bei den Wahnsinns-Transferzahlungen. Nun, die reichlich 1 Billion Euro für den Aufbau Ost haben alle erbracht – auch die Ossis. In den Genuss des Geldsegens indes kamen vor allem Konzerne – eben die, die die neue Struktur östlich der Elbe gestalteten/verunstalteten. Für den Bürger selbst ist manche „Errungenschaft“ zweitrangig – ganz gleich, ob sie der öffentlichen Hand oder der Privatwirtschaft entsprang. Die extreme Radfahrweg-Dichte, überdimensionierte Erlebnisbäder und Kläranlagen, ja selbst die hochwertigsten Straßen der Welt werden mit Kopfschütteln quittiert, wenn man die Existenz- und Lebensbedingungen der Wendeverlierer dagegen hält. Und die Konsumpaläste geben nur denen etwas, die darin nicht traumtänzeln, sondern auch kaufen können. Hier aber klemmt es, seit der Osten den Großteil seiner Betriebe und Einrichtungen in der Landwirtschaft verloren hat. Auch nach zwanzig Jahren ist die Arbeitslosigkeit im Osten doppelt so hoch wie im Westen und zahllose Jobs werden noch immer schlechter bezahlt als im „Kernland“.
„Pech gehabt“, tönen die Gazetten. Die DDR-Mädels und -Jungs haben zwar 735 Milliarden Ostmark Reparationen an die Sowjets gezahlt (der BRD blieben solche Opfer – die Israelhilfe ausgenommen – erspart) und mäßig bis tapfer im Käfig geackert. Dass ihnen heute dennoch das Stigma des Mittelmäßigen, des Maroden oder kurz gesagt: der Verlierer anhaftet, sei hausgemacht. Wo alles nur knapp war, blieb wenig zum Wundern. Schließlich habe man dem Einigungsvertrag mit der „Anschluss-Klausel“ zugestimmt. Ob da ein Lothar de Maiziere um die Würde des Osten rang, ein Schäuble seine Mitspieler süffisant übertölpelte oder ein Krause alles zur Flotte gab („DIE ZEIT“, 30. September 2010), tue hier nichts zur Sache. Man habe sich in die westdeutsche Verfassung/in das westdeutsche Grundgesetz einzugewöhnen, und damit … basta!
Genau hier begannen die Desinformationskampagnen, die unliebsame Wahrheiten mit permanenten Debatten über Unrechtsstaat, Stasi, Mauer und Wirtschaftschaos zu löschen suchten. Natürlich war die DDR ein Unrechtsstaat – wenn man die Gesetze und das Rechtsverständnis der Bundesrepublik West zu Grunde legt. Und natürlich liegt es mir fern, die Machenschaften des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) durch Kritik an westlichen Geheimdiensten zu relativieren. Menschenverachtung und Menschenrechtsverletzungen bleiben was sie sind – ganz gleich, auf welchem Nährboden sie gedeihen.
Ganz sicher konnten die Wirtschafts-„Strategien“ des Ostens denen des Westens nicht Paroli bieten. Was nicht heißt, dass alles, was die Ex-DDR hervorbrachte, Murx war und dem Schlendrian anheimfiel. Wenn ich Bekannten hier im Westen erzähle, dass es z. B. für die ostdeutsche Stahlindustrie über dreißig so genannte Kompensationsvorhaben (Barter-Geschäfte) gab, sind sie erstaunt. Vor allem darüber, dass die im Westen gekaufte Technik höchstes Niveau hatte und mit Produkten aus den zugehörigen Anlagen bezahlt wurde. Aber nicht nur diese Stahlwerke, Walzwerke und Bandbehandlungsanlagen repräsentierten Hightech. Auch die aus dem Westen importierten Werkzeugmaschinen in Europas größtem (!) Fertigungsbetrieb „Fritz Heckert“, Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz), die Ausrüstungen in der Möbelindustrie (z. B. Zeulenroda), in der Lebensmittelbranche etc. mussten den Vergleich mit westeuropäischen Produktionsstätten nicht scheuen. Bei Computern freilich konnte die DDR (Robotron) nicht mithalten. Die wurden aus dem Westen importiert, entsprachen aber nicht dem neuesten 16-bit-Standard (Embargo). Ich erinnere mich noch: Im Frühjahr 1987 war das Entree des Ministeriums für Erzbergbau, Metallurgie und Kali bis zur Decke mit westlichen Commodore-PCs zugestellt. Der „embargo-gestörte Rest“ wurde irgendwann „privat“ dazu gekauft. So dauerte es nur ein paar Monate, bis ein über Ost-Berlin hinaus reichendes, komplexes Rechnernetz existierte, das die Zentrale mit wichtigen Fertigungsbetrieben verband. Wichtigstes Ergebnis: Ein EDV-Embargo des Westens – diese Netze betreffend – war durchbrochen. Auch, weil die Spionage funktionierte und „geschäftstüchtige“ westliche Verkäufer ihren Reibach machen wollten.
Nun, am Ende des Endes hatte die DDR 20 Milliarden DM Schulden – eine Summe, die groß scheint, aber heute und in anderen Ländern wie Peanuts anmutet. Gleichwie, die Machthaber knickten, knickten ein oder wurden geknickt. Für mich sah das – bei allem Protest, bei allen Montags-Demos, bei aller Neutralität der Sowjettruppen – wie eine Übergabe aus. Längst geplant und dann umgesetzt – ohne dass ein Schuss fiel (!!!). Westliche Politik und Medien sind diesem Phänomen nie wirklich nachgegangen – obwohl ihnen die Mittel dafür sicher zur Verfügung standen/stehen. Ganz so als gäbe es Absprachen, die bis irgendwann geheim bleiben müssten.
Umso intensiver bemühten sich die westlichen Medien, die dominierenden technischen Dinosaurier abzulichten und den DDR-Bürger als Wesen von gestern, als faul und dumm ins Bewusstsein der Westbürger einzupflanzen. Ein Vorgehen mit Kalkül – denn wo man etwas als unmodern und hinterwäldlerisch stigmatisieren konnte, war es leicht, einfach abzuräumen. Und so schliff man mit Bedacht vor allem das, was zum Wettbewerb fähig schien. Die betroffenen Ostdeutschen waren schockiert. Es tat ihnen weh, auch Hochwertiges in den Schrottpressen verschwinden zu sehen. Aber letztlich mussten sie akzeptieren und hinnehmen.
So die Botschaft an diejenigen, die den Osten bis heute nicht besucht haben, aber trefflich über ihn Bescheid wissen.
In den Köpfen der Vereinigungsgewinner, aber auch vor Ort gab es die wahren Bilder. Hier wurde kurz nach dem Mauerfall ein blutiges Spiel in Gang gesetzt, das nur einen Gedanken zuließ. Nämlich den, die zulaufende Substanz optimal, sprich: zum maximalen Nutzen des Westens auszubeuten. Zwar musste den Ossis zumindest der Schein einer künftigen würdevollen Existenz vermittelt werden, doch dafür sollte und musste der Staat, sprich: der Steuerbürger herhalten. Vorrang hatte zweifellos der Aufbau einer neuen Finanz- und Wirtschaftsstruktur – mit veränderten Besitz- und Machtverhältnissen. Ursprünglich – kurz nach dem Mauerfall – hatte alles noch ganz anders ausgesehen. Die Teilnehmer des Runden Tisches – allen voran Wolfgang Ullmann – hatten dem zerrissenen Land einen „Dritten Weg“ jenseits der Plan- und Marktwirtschaft in Aussicht gestellt. Dabei sollte den Bürgern der ehemaligen DDR ein möglichst großer Anteil am ehemaligen Volkseigentum übereignet werden (http://www.bundestag.de/dasparlament/2010/11/Beilage/006.html)
Zur Regelung aller sich verändernden Vermögensverhältnisse hatte Hans Modrow, vorletzter Ministerpräsident der DDR, die Order erteilt, eine Treuhandanstalt zu schaffen. Das Schicksal wollte es allerdings, dass Modrow die kommende Wahl verlor. Ihm folgte der CDU-Mann Lothar de Maizière, der auf Druck westdeutscher Politiker all das umwarf und eine neue Devise herausgab: privatisieren und sanieren – wo eben sinnvoll und liquidieren, wo aussichtslos. 20 Jahre deutsche Zwei-Heit weiterlesen