Alle Beiträge von Ulrich Scharfenorth

Horror? Ja … danke !

Es ist alles eine Frage der Zeit. Menschheit und Erde werden untergehen. Das aber sollte unser Leben nur insofern beeinflussen, als dass wir unser und der Welt vorläufiges Weiterbestehen im Sinne von bedingungsloser Nachhaltigkeit unterstützen.

Gemeinhin heißt es es: Je öfter und horribler bevorstehende Katastrophen beschworen werden, desto weniger nimmt man sie Ernst, wenn sie wirklich vor der Tür stehen. Praktisch gelebt wird dieser erste Teil fast täglich. Denken wir nur an den Treibhauseffekt, drohende Pandemien oder ausgehende Rohstoffe. In steter Folge blasen die Medien Themen wie diese zu Monstern auf – mit dem Ergebnis, dass der realistische Kern daraus glatt übersehen wird.

Was bleibt sind die Allerweltsbemerkungen: Wir können ohnehin nix tun, Et kütt wie et kütt, Et hätt noch emmer joot jejange (jeweils resignativ-rheinisch) oder nach uns die Sintflut. Und ebenso wie den meisten der Schnee von gestern am Allerwertesten vorbeigeht, sind ihnen Zukunftsszenarien geradezu “Wurscht”.

Wen schon interessiert es, dass der Mensch nur eine Zeit lang auf unserem Planeten existieren wird, wer schon will hören, dass unsere Erde von Supervulkanen oder Meteoriten bedroht ist, geschweige denn, dass unser Planet eines Tages in die Sonne fliegt.

Fast jeder von uns ist auf den kommenden Tag fixiert, dem wir neben der üblichen Unwägbarkeiten nichts wirklich Schlechtes zutrauen. Dabei könnte es schon 2100 mit uns vorbei sein. Dann nämlich, wenn mehr als 10 Milliarden Menschen geworden sind, die Klimakatastrophe zugelassen, die Böden kontaminiert und wichtige Ressourcen verbraucht oder vernichtet haben.

In den sogenannten Wildcards werden auch Katastrophen berücksichtigt, die kurzfristig eher nicht eintreten. Aber dennoch echte Bedrohungen darstellen. Wissenschaftler haben das in der interessanten Dokumentation “Das Ende der Menschheit” dargestellt http://programm.ard.de/?sendung=2872415322842153 und https://www.youtube.com/watch?v=bRBgis8Luso  und dabei sogar ein Ranking ermittelt:

Platz 10 (geringste Bedrohung): die Erde wird anlässlich eines “Sternentods” durch einen Gammablitz zerstört

Platz 9: Die Erde wird von einem Kometen oder Asterioden mit einem Durchmesser von mehr als 10 km getroffen

Platz 8: Die Erde wird durch den Ausbruch eines Supervulkans (z.B. unter dem Yellowstone-Park) zerstört

Platz 7: Die Menschheit wird durch außerirdische Lebewesen ausgerottet

Platz 6: Die Menschheit wird durch einen tödlichen Super-Virus ausgelöscht (Pandemie)*

Platz 5: Die Menschheit kommt durch unbeherrschte physikalische Experimente um (Waffenversuche, Experimente im CERN)

Platz 4: die Menschheit wird durch eine Klimakatastrophe größtenteils oder völlig vernichtet

Platz 3: Die Menschheit kommt durch uns heute noch unbekannte Waffen um (Doomsday War)

Platz 2: Wir erliegen der Bedrohung durch superintelligente Maschinen (künstliche Intelligenz)

Platz 1 (vorerst größte Bedrohung): Die Menschheit kommt um, weil künstlich geschaffene, todbringende Organismen aus Laboren freigesetzt werden.

In einer neuen, in London veröffentlichten Studie der NASA wird von nur fünf KatastrophenSzenarien gesprochen. Aufgeführt sind: das Bevölkerungswachstum, der Klimawandel, die Probleme bei der Welt-Wasserversorgung, die (desaströse) Entwicklung der Welt-Landwirtschaft sowie Probleme beim Energieverbrauch. Für ihre Untersuchungen haben Experten um Safa Motesharrei (Uni Maryland) nach eigenen Aussagen ein etwa 100 Jahre altes Räuber-Beute-Modell benutzt. Diesem Rechenansatz zufolge führten die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und die ungleiche Verteilung des Reichtums zum totalen Kollaps der Zivilisation. Dieses Ende sei kaum noch abwendbar. Wann es eintrete, bliebe vorerst aber unbestimmt https://www.freitag.de/autoren/seriousguy47/prophezeit-nasa-studie-den-weltuntergang.

“Mal wieder Weltuntergang” titelte Ende 2011 DER SPIEGEL, wobei Journalist Alexander Neubacher m.E. kräftig daneben schlug http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-81302990.html Denn die im Beitrag bewegte Häme über Denis Meadows und die vom Club of Rome seit Anfang der 70er Jahre ausgesprochenen Warnungen vor ungezügeltem Wirtschaften trug nicht zur Aufklärung bei. “Die Grenzen des Wachstums” als Schauergeschichte abzutun, und die Universal-Lösung aller Probleme in mehr menschlicher Kreativität und Technikgläubigkeit zu vermuten, ist mehr als dürftig. Dass Meadows die Bedrohungen menschlichen Lebens vor 40 Jahren quantitativ anders (horrender) bewertete als heute, sagt nichts über die Substanz an sich. In seinem 30-Jahre-update hat der Autor die notwendigen, aus neueren Erkenntnissen resultierenden Anpassungen durchgeführt – ohne einstige Warnungen in Frage zu stellen http://www.langelieder.de/lit-gdw06.html. Aber dieses Werk war dem SPIEGEL-Autor offenbar nicht bekannt.

Fazit: Menschen und Erde werden untergehen. Das aber soll uns weder zum Anarchismus, noch zu permanenter Wehmut oder einer Nun-erst-Recht-Starrköpfigkeit verleiten. Vielmehr sind wir aufgerufen, die naheliegenden, allseits bekannten Maßnahmen zu unterstützen, sprich: überall dort mitzumischen, wo wir etwas im Sinne der Nachhaltigkeit beeinflussen können.

 

*bereits heute stellen Bakterien vom Typ des Acinebacter baumannii, aber auch resistente Keime, die bei der Massentierhaltung entstehen, eine ernsthafte Bedrohung dar – der man mit den zur Verfügung stehenden Reserve-Antibiotika kaum mehr beikommen kann http://www.rp-online.de/leben/gesundheit/gemeingefaehrlicher-keim-aid-1.7371472 und http://www.rp-online.de/panorama/deutschland/antibiotika-resistente-keime-in-seen-und-fluessen-gefunden-aid-1.7372504.

Enthemmte PlastiNation

„Ein widerlicher Scheiß“, schimpft mein Nachbar und meint Gunther von Hagens’ unglaubliche Herzenssache. Noch immer zieht der Grenzgänger durch die deutschen Lande, sucht neue Opfer, die sich ihm und seiner fragwürdigen Kunst ausliefern. Und nach wie vor gehen ihm die Leute auf den Leim, Leute, die auf Aktionismus, auf billige Effekthascherei aus sind. Mir verschlägt das zuweilen den Atem.

Münster schaltet da einen Gang zurück. Nein, tot und obszön ist das nicht, was dort im neu eröffneten LWL Münster gezeigt werden soll. Aber so richtig lebendig auch nicht. Es geht um Kunstwerke, genauer gesagt ums nackte Leben, etwas, das von FFK-Stränden, Straßen, Plätzen und aus Theatern auf die Leinwände genötigt wurde. Motive, die wirkliche Notstände präsentieren, scheinen ausgespart.

Wenn man gar nicht mehr weiß, wie man Aufmerksamkeit erregen soll, geht man entweder ins Halsbrecherische, Pornographische, Fäkale oder Zotige. Letzteres geschieht gerade in Düsseldorf, leider im Verbund mit Sven André Dreyer, dem sonst so geschätzten Literaten. Lies Du Sau! fordert er in seinem neuen Projekt und spricht dabei Autoren an. Und tatsächlich fand sich am 6. Februar das erste Schwein. Ob es das BIBaBuZe begrunzte oder einfach nur vollpisste, ist unbekannt …

Fleischfresser beherrscht euch!

Die über Jahrhunderte währende Forderung der armen Bevölkerung nach einem ordentlichen Stück Schwein oder Rind im Mittagessen ist heute in eine maßlose Fleischfresserei ausgeartet. Der Ruf nach noch MEHR und BILLIG hat uns die abscheuliche, Antibiotika begleitete Massentierhaltung beschert http://www.peta.de/peta-ersucht-unterstuetzung-des-zentralrats-der-juden-zur-kampagne-holocaust-auf#.VfW2X5dKAtE . Gäbe es doch hier zu Lande einen für den Fleischverzehr zuständigen Diktator. Ich würde ihn anflehen, die wöchentlichen Fleischmalzeiten auf 300 Gramm pro Bürger zu beschränken, wobei der spezifische Preis durchaus auf ein vergleichbares Maß (zum heutigen Aufwand) steigen dürfte. Wir könnten Schweinen und Rindern ihren über Jahrhunderte zugestandenen freien Auslauf zurück geben und selber gesünder leben.

 

Bereits am 15. Mai 2013 hieß es:

Unter dem Titel „Schweinehalter: Tierschutz ruiniert uns“ hat die Rheinische Post eine Diskussion wieder belebt, die seit langem geführt wird http://www.rp-online.de/regionales/regionale-nachrichten/tierschutz-ruiniert-uns-1.3394939– wenn auch nicht in dem Tenor, den die RP bevorzugt. Es kann nicht darum gehen, einen Kompromiss zwischen Schweinequälerei und sogenannter „Bio-Haltung“ zu befördern. Vielmehr müssen alle Kräfte mobilisiert werden, die Boxenhaltung von Schweinen zu verbieten. Es ist ein Unding, dass diese Tiere auf derart engem Raum leben müssen. Derzeit sind es bei konventioneller Masthaltung nur 0,75 m2 bei 50-110 kg Lebendgewicht, was bei Erreichen der oberen Gewichtsgrenze nahezu Null Zwischenraum rund ums Schwein bedeutet. Schon der Gedanke, das Tier nahezu bewegungslos für die menschliche Fressgier aufwachsen zu lassen, ist perfide. Und um es deutlich zu sagen: Mich interessieren protestierende deutsche Viehhalter so gut wie gar nicht! Die sollten dafür sorgen, dass ihre Tiere artgerecht aufwachsen und dazu beitragen, dass die Fresswut und der unbedingte Drang nach billigem Fleisch nachlässt – und nicht neue Wege suchen, noch billiger (und natürlich auch schlechter) zu produzieren. Auch das Bestreben, die ausländische Konkurrenz das Fürchten zu lehren, ist mit Blick auf EU-Länder, die mangels Industrie sehr viel dringender auf Erträge aus der Tierhaltung angewiesen sind, nicht nur unsolidarisch, sondern völlig unnötig. Unter dem Strich geht es darum, die Schweinezucht auf ein normales, tiergerechtes Maß zurückzufahren. Ginge es nach mir, würde ich sie völlig aufgeben und den Bauern eine Alternative anbieten. Jeder weiß inzwischen, dass insbesondere Schweinefleisch der menschlichen Gesundheit eher abträglich ist. Ja, dass der Fleischkonsum mit Blick auf die Gesundheit auf maximal 2-3 Mahlzeiten pro Woche eingeschränkt werden sollte. Obwohl inzwischen viele Menschen diesem Trend folgen, setzen die Regierenden (im Verbund mit der Agrarlobby) alles daran, die Billigfleisch-Offensive weiter voranzutreiben. Das hat vor allem damit zu tun, dass auch prekär Beschäftigten (Leuten in Werkverträgen, Leiharbeitern und anderen Billig-Jobbern) und Hartz-IVern ein stabiler Zugang zu Fleisch eröffnet bzw. erhalten werden soll. Schon Jahrhunderte lang ist vor allem von armen Menschen das Fleisch in der Mahlzeit als Zeichen von Wohlstandes verstanden worden – nicht zu Unrecht, wie man weiß. Heute, da das Elend vergangener Zeiten fast überall überwunden ist, existiert das alte Empfinden weiterhin. Und man folgt ihm. Es gibt die stabile Nachfrage, und der Markt stellt sich darauf ein. Das alles scheint zunächst natürlich – ist es aber nicht. Denn es gibt eine politische/handelspolitische Komponente, die zunehmend an Bedeutung gewinnt. Deutschland ist im Zeichen der Globalisierung einem immer heftiger werdenden Wettbewerb ausgesetzt, den es selbst mit aller Energie anheizt. Schröder hat darauf mit der Einführung der Agenda 2010 reagiert, den verständlichen Applaus des politischen Gegners eingeheimst und eine Explosion bei Dumpinglöhnen und Billigarbeit ausgelöst. Das wiederum ermöglichte eine Reduzierung der Lohnstückkosten und damit wachsende Exportchancen.
Wer Niedriglöhne zum Konzept für mehr Wettbewerbsfähigkeit erklärt, muss Geringverdienern Billigpreise für den Grundbedarf anbieten – will er denn Konflikte mit den minderbemittelten Schichten des Volkes vermeiden. Hier nun schließt sich der Kreis. Nur wenn die Abwärtsspirale bei einfachen Lebensmitteln funktioniert, funktioniert auch die Abwärtsspirale bei den Löhnen. Beides ist mehr als kontraproduktiv – sowohl, was das notwendige Aufrücken schwacher EU-Partner als auch was die Schweine in Boxen, Kühe im permaneten Schwangerschaftsexzess, Hühner im gegenseitigen Verbiss und von Gentechnik bedrohten Getreide und Gemüse betrifft (man verzeihe mir die zu große Nähe der Begrifflichkeiten). Unsere Regierung schadet den europäischen Partnern mit den hohen deutschen Exportüberschüssen, sie zwängt Schweinezüchter, Milchbauern etc. in eine Existenz bedrohende, dekadente Wirtschaftsweise und glaubt in fataler Ignoranz/Dummheit, dass die Strategie von immer billigerer Arbeit …. im Wettbewerb mit Billiglohnländern wie China, Indien, Malaysia, Bangladesh etc. langfristig aufgeht. Eben das aber wird nicht geschehen. Europa wird bei Aufrechterhaltung der WTO-Regeln und des Freihandels immer tiefer in einen Sog gezogen, zumal auch viele mittelständische Betriebe durch konkurrierende Billigprodukte aus den o.a. Ländern ruiniert, sprich: Arbeitsplätze vernichtet werden. Wirksam gegensteuern ließe sich nur, wenn man den schrankenlosen Vergleich von Kosten, Preisen und Produkten – und damit auch das Lohndumping aufgäbe. Europa müsste zu einer neuen regional orientierten Wirtschafts- und Handelspolitik, einer neuen Arbeitsmarktpolitik sowie zu ethisch vertretbaren Normen für den Tierschutz und zu deutlichen Vorgaben für ein besseres Gesundheitsbewusstsein finden. Was wir langfristig bräuchten, wäre ein im Wesentlichen unabhängiges und eigenständiges Bündnis. Dessen Länder müssten sich darauf besinnen, den Binnenhandel auf seine bisherige Größe (wenn möglich sogar über 90%) zurückzuführen. Darüber hinaus sollten für ausländische Erzeugnisse, denen modernste europäische gegenüberstehen, Zölle erhoben, Kapitalverkehrskontrollen eingeführt und eine fairere innereuropäische Arbeitsteilung organisiert werden („Splendit Isolation“) – wie es auch Buchautor Gero Jenner in vielen seiner Publikationen fordert http://www.gerojenner.com/portal/gerojenner.com/Startseite.html. Nicht nur den Menschen, auch allen Tieren in der Union würde das gut tun.

Elende Demokratien oder … auf den Knien vor Big Brother

Das dumme Wort „anti-amerikanisch“ hat jetzt, da Snowden die Machenschaften des NSA enttarnt hat, erneut Konjunktur. Und die, die schon immer dagegen antraten – haben Atemprobleme. Dabei wurde die Formel bewusst geboren, um den Spieß umzudrehen, sprich: die Verächter ans Kreuz zu schlagen. Ich erinnere mich gut an die Frage, die Allensbach vor zwanzig Jahren in die Menge warf: „Lieben Sie die Amerikaner?“ So platt kann Meinungsforschung im Grunde nicht agieren, schon gar nicht mit Noelle-Neumann an der Spitze –  etwas infam hintergründig aber schon. Denn welche Antwort erwartete man: Ja oder Nein. Und wer schon will ein ganzes Volk verdammen?

Auch heute hält man wenig von Differenzierung. Die Amerikaner sind mächtig, gewiss: ab und zu auch aggressiv und widerlich …  im Spionieren. Doch was soll’s? Die Anklage bedient für einen Augenblick die vordergründige Schlagzeile, sorgt für Auflage und Quote. Dann herrscht meist Ruhe.

Was ist diesmal passiert? Ein Mann, der vorgibt, sich bewusst eingeschleust zu haben, um aufzuklären, klärt auf. Er „entheimlicht“ den geheimsten der US-Geheimdienste und flieht dann. Zurück bleibt ein attraktives Trümmerfeld – ein Torso aus Erkundung und Impertinenz. Irische Banker werden entblößt, britische Geheimdienste als Oberschnüffler enttarnt und Deutschland aufs Netteste erniedrigt. Das, was die NSA aus Glasfasernetzen extrahierte oder einfach nur von kooperierenden IT-Firmen abforderte, scheint niederschmetternd. Da brandet für Momente Entsetzen auf. Da beginnt so etwas wie Hass, wenn sichtbar wird, dass auch EU-Institutionen und vor allem Deutschland im Fokus der Abschöpfung standen. Plötzlich glaubt man sich beraubt, weil der Datenklau natürlich auch das Kanzleramt, Finanzinstitute und Forschungseinrichtungen betreffen könnte, müsste, dürfte. Hier geht Wissen verloren, hier werden die Intrigen der Eurorettung observiert, hier hört man Banker verächtlich in den Äther husten. Nicht nur Amerika ist gegen uns, auch das weniger erfolgreiche Rest-Europa opponiert. Viel davon ist gespielt, manches macht hilflos – Heuchelei und Verdrängung bestimmen das Geschehen.

 

Haben wir nicht gewusst, dass die Amerikaner spionieren? Echelon gibt es sei mehr als 20 Jahren und Ami-Wanzen in deutschen Konzernen gehören zum Alltag. Ganz richtig: Eben das flackert immer mal auf, um ebenso schnell in Vergessenheit zu geraten. Es ist nun  einmal so: Die amerikanische Regierung, die amerikanischen Geheimdienste machen, was sie wollen. Sie peitschen weltweit den Washington consensus (gezielter Freihandel + Protektionismus, Privatisierung und Austeritätspolitik) durch, betreiben die Abschöpfung von Informationen und Wissen (weil kostengünstiger als die Umsetzung eigener Kreativität), ballern Drohnen in fremde Länder, entziehen sich dem Internationalen Gerichtshof und nehmen politisch Einfluss – bei den wirtschaftlich Unterworfenen. Wenn Frau Merkel punktuell aufschreit, wenn EU-Beamte jetzt die Aufkündigung des gerade anverhandelten Freihandelsabkommens USA-EU androhen, dann geschieht das ausschließlich deshalb, weil die Bürger eine solche Reaktion erwarten, oder anders herum: weil das Ausbleiben einer solchen zu eklatanten Verlusten im Wahlkampf führen müsste. Inzwischen ist man dem sanften Druck der potentiellen Profiteure gewichen: Es bleibt beim Abkommen, flankiert von Datenschützern. Wer sich jetzt nicht totlacht, ist selber Schuld.

Doch das Ganze dreht sich noch weiter: Plötzlich wird der liebe BND NSA-ähnlicher Spionage bezichtigt. Auch er habe die Datenkabel fremder Botschaften angezapft – freilich nicht im US-amerikanischen Ausmaß und nur bei Onkel Karsai. Gleichwie: Die Relativierung der Ungeheuerlichkeit ist in vollem Gange. So wie man Echelon schluckte, soll man schon ab morgen auch die Lauschangriffe der NSA wegstecken. Denn was hilft es schon, wenn Deutschland und die EU die Proteste verschärfen, oder gar auf detaillierte Aufklärung drängen? Bekommt man dann die eigenen Intrigen und Schlafzimmergeschichten  serviert, erfährt man dann Unliebsamkeiten, die man wiederum vor Lauschangriffen –  vor neuen Wistleblowers, den Medien und damit der breiten Öffentlichkeit – verbergen muss?

Es ist lächerlich, und doch wird es aufgeführt. Man übt sich erneut im Kotau. Man schickt sich an, den Beteuerungen Obamas zu glauben. Er nämlich verspricht, es zu richten. Er verspricht, das neue Gleichgewicht herzustellen – das zwischen dem Anti-Terrorkampf und dem, was natürlich sein muss: der herkömmlicher Spionage. Welch ein Unsinn: Top-Terroristen bewegen sich außerhalb der Netze, und herkömmliche Spionage führt seit jeher ein Eigenleben. Wir sollten uns also straff darauf einstellen, dass die Schnüffelei weiter geht – künftig mit noch ausgefeilteren Techniken und Sicherheitsstandards. Daran werden auch Merkels Telefonate und Blitzbesuche im Weißen Haus nichts ändern. Gut, dass der Datenklau noch immer der Menschen  bedarf, und es folglich Leute wie Snowden immer geben wird, Menschen, denen das Gewissen schlägt. Dieser Wettlauf zwischen Spionage und Enttarnung bleibt bis auf weiteres unsere Hoffnung. Was dennoch ausbleibt, ist die gelebte Solidarität – das bewusste Schützen derer, die uns aufklären. Dass viele von uns Snowden und Co. sofort Asyl gewähren würden, zählt nicht in dieser Welt. Hier entscheiden Regierungen – zumeist in gewohnter Feigheit, respektive: falscher „Aliiertheit“. So hat es nun auch die Bundesregierung abgelehnt, Snowden in Deutschland aufzunehmen – obwohl sie mehr als andere von den offen gelegten Daten profitiert hat. Man sagt NEIN und geht zum Tagesgeschäft über. Ob unser Protest daran etwas zu ändern vermag, steht in den Sternen.

Ähnlich reagieren bislang auch alle anderen Länder, bei denen Snowden um Asyl nachsuchte. Sie alle fürchten Verprellungen und Restriktionen –  im und aus dem Land der Täter. Ein aus taktischer Sicht verständlicher Vorgang, könnte man meinen. Eine jämmerliche Schande, muss man schlussfolgern – vor allem für die sogenannten Demokratien. Diese Schande  allerdings passt gut ins westliche Establishment, das Transparenz und arabische Frühlinge lautstark und fortwährend zu beheucheln vermag.

Was wird aus Aufklärern wie Julian Assange, Manning Bradley und Edward Snowden?

Jeder von uns sollte sich die Frage strikt stellen. Müssen wir hinnehmen, dass sie ein Leben lang vaterlandslos umherirren oder irgendwann gefasst, ausgeliefert, eingekerkert oder gar zum  Tode verurteilt werden? Welche Reichweite hat unser Wille? Dürfen wir geschehen lassen, was nicht geschehen darf? Müssen wir nicht die große Petition, die Welt umfassende Freisprechung, wenn nicht gar die höchste Würdigung in Gang setzen? Sind nicht wir – die Bürger – in der Sache gefragt, wo doch die Politik so kläglich versagt?

Die USA werden eine Zeit lang am NSA-Gate zu knacken haben. Wirklich gefährden wird sie auch das nicht. Denn der Skandal löst – wie jede Krise – neue wirtschaftsrelevante Entwicklungen aus, und die Ablehnung von Seiten der Belauschten wird auch künftig nicht weh tun. Denn man bleibt (zumindest vorerst) Sieger, solange man Netz, Wirtschaftsimperien und Finanzmärkte am eigenen Ufer weiß. Die EU aber wird immer stärker physisch und mental verletzt werden. Hinzu kommt die Furcht, dass US-amerikanische Rating-Agenturen gezielte Infos der NSA nutzen, um Europa weiter gen Hörigkeit oder Abgrund zu treiben. Was bei Fiskalpakt und ESM im Geheimen lief, dürfte als Weggeber offen liegen.

Irgendwie passt es nicht hierher. Und doch ist es Teil des Gesamtspiels. Obama ist derzeit bemüht, das  ramponierte Image der USA irgendwie aufzupolieren. Ein Besuch in Südafrika schien geeignet. Befördert durch die emotional bestimmte „Hautfarbe-Identität“  geisterte der amerikanische Präsident durch die Gefängniszellen von Robben Island. Ein Glück für ihn, mehr aber noch für den todkranken Mandela, dass sich beide verfehlten – und die zwanghafte Heuchelei ausblieb. Obama nämlich – der schamlose Image-Absauger – hat bei Mandela nichts, und auch gar nichts zu suchen. US-Präsidenten haben das Apartheidregime stets toleriert – sie täten es heute erneut. Nur Erzfeind  Castro hat den ANC gegen Botha und Co. unterstützt – mit Menschenopfern und Waffen.

Auf meiner Wandtafel hängt ein Bild. Es zeigt Mandela und Castro. Sie gehen auf einander zu, breiten ihre Arme aus, um sich … in den Armen zu liegen. Mandela ruft:   Fidel, Fidel, Fidel …!

 

 

Ein Toast auf die Whistleblower!

Solange es Bürger gibt, die Steuersünder aufspüren, solange mutige Aktivisten wie Julian Assange http://www.zeit.de/2013/18/julian-assange-alexandre-lacroix, Manning Bradley http://www.taz.de/!117242/ oder Edward Snowden http://www.taz.de/US-Debatte-ueber-NSA-Enthuellung/!117937/ für Transparenz und demokratische Kontrolle streiten, ist diese Welt noch nicht verloren.
Nachtrag vom 23. Juni 2013: Hongkong hat sich von den USA nicht erpressen lassen. Edward Snowden, der die Überwachungspraktiken des US-amerikanischen Geheimdienstes NSA enttarnte und dabei u. a. auch die Machenschaften des britischen Geheimdienstes offenlegte http://www.sz-online.de/nachrichten/schlimmer-als-die-us-kollegen-2601566.html , durfte ausreisen. Wohin es ihn verschlagen wird, ist unklar. Auf jeden Fall ist er den US-Behörden, die ihn – für meine Begriffe völlig absurd – der Spionage gegen die USA bezichtig haben, entwischt http://www.tagesschau.de/ausland/snowden-nsa-peking102.html. Snowden hat, wenn er denn spioniert haben sollte, für die gesamte Menschheit spioniert – völlig zu Recht! Gratulation!

MONSANTO – das ist der Tod!

Man muss nur einmal gegen MONSANTO auf die Straße gehen, schon findet man eine Vielzahl von Leuten, die genau wissen, wie es um unsere Lebensmittel bestellt ist. Ein Thema: genmanipulierte Futter- und Nahrungsmittel/GVO. Wer genau hinschaut, weiß inzwischen, dass die Amerikaner seit gut 10 Jahren Lebensmittel konsumieren, die auf gentechnisch veränderte Vorprodukte zurück gehen. Gefragt hat sie dazu niemand. Dabei ist unbekannt, was die Gentechnik langfristig anrichtet. Man hat ihn einfach gestartet – den großen Menschenversuch. Genauso treibt man es heute mit Nanopartikeln in Körperpflegemitteln und Kosmetika – aber das ist ein anders Thema.
Selbst hier zu Lande, wo man mehrheitlich glaubt, vor GVOs sicher zu sein, sickern sie langsam ein – über die Futtermittel. Zwar ist es in Deutschland vorgeschrieben, auf Beimengungen dieser Art hinzuweisen (meist im Kleingedruckten) – doch bis zur durchgängigen großen Aufschrift OHNE GENTECHNIK wird es offenbar nie kommen. Denn geht es gegen die Interessen der mächtigen Agrarindustrien (USA, Kanada, Argentinien etc.), sind oft Hilflosigkeit und Korruption angesagt.
Derzeit gilt hier zu Lande Fleisch als gentechnikfrei, wenn das betreffende Tier x Wochen vor der Schlachtung kein „kontaminiertes“ Futter gefressen hat – eine bodenlose Heuchelei … als ob die Wirkung der GVO – pardon – ausgeschissen würde.
Auf dem Graf-Adolf-Platz in Düsseldorf erfuhr ich, wie beharrlich die Menschen für den Erhalt der natürlichen Lebensweise (und damit auch der natürlichen Ernährung) einzutreten vermögen. Naturkundler besangen die biologische Vielfalt, Bio-Bauern warben für ihre nachhaltige Landwirtschaft, Kinder liefen mit Obst und Pflanztöpfen umher und Aktivisten aller Couleur beschworen Geschmackserlebnisse, die uns abhanden kommen. Über all diese Themen hatte ich selbst auch schon geschrieben. Beeindruckt hat mich schließlich ein Mann der Agrargruppe von Attac Wuppertal. Er war mit einer Liste unterwegs. Auf der war vermerkt, wer welches Produkt in welchen Supermarkt delegiert. Später erfuhr ich, dass Greenpeace mit solchen Daten schon lange Politik macht. Als ich in deren Datenblatt herumstöberte, wurde mir schnell klar, dass es echt easy ist, Supermärkte, Firmen und Produkte zu meiden, die „GVO-verseucht oder –verdächtig“ sind. Ähnlich einfach ist es, die Guten im Spiel auszumachen. Wer sich also fürs erste ein paar gängige Produkte merken kann, ist ein ganzes Stück weiter. Ich vermeide ab sofort „Bärenmarke“, Abkömmlinge von Müllermilch, Sprehe und Weihenstephan und greife dafür nach „Landliebe“, „Rotkäppchen“, „tegut“, „Bauer“ und „Zott“. So einfach ist das. Und wer etwas für den Erhalt unseres Saatgutes tun möchte, der kann sich hier engagieren http://www.trueten.de/permalink/Saatgutvielfalt-in-Gefahr-gegen-eine-EU-Saatgutverordnung-zum-Nutzen-der-Saatgut-Industrie.html.

Die widerliche Aura des Militarismus (2)

Es gehört zu den Absurditäten unserer Zeit, dass die Erde von immer mehr Waffen überschwemmt wird, obwohl durch Kriege – wie man weiß – kein menschliches oder gesellschaftliches Problem gelöst wird. Da Waffenhandel und Krieg aber große Geschäfte implizieren und fast immer mit der Vereinnahmung von Rohstoffen einhergehen, gibt es überall auf der Welt Menschen, die Konflikte anheizen, anzetteln oder neu beleben. Dass Deutschland zu den Ländern gehört, die besonders viele Waffen exportieren, ist angesichts unserer Vergangenheit und der vollmundigen Beschwörungen nach 1945, besonders bitter http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-89932536.html. Da nehmen sich auch Beschwichtigungformeln, die den Einsatz deutscher Waffen in Spannungsgebiete untersagen oder ihren kollateralschadenfreien Einsatz beschwören, wie Ammenmärchen aus. Denn wie man weiß, werden die Entscheidungen für Waffenlieferungen vom Bundessicherheitsrat im geheimen Safe-Bunker zwischen Leuten ausgekungelt, die zu absolutem Stillschweigen verpflichtet sind. Dass dort neben den üblichen Verdächtigen mal ein Grüner, geschweige denn Linker mit verschwört, ist eher selten. Gleichwie: Die Rüstungsexporte rollen, und was heute wegen ausbleibender Bestechung nicht mehr nach Griechenland reinkommt, muss auf andere Höfe. Da wird Saudi-Arabien von der diktatorischen Aura reingewaschen, da geht’s in die Abseiten der Spannungsgebiete. Und wir wissen ja, wer in Libyen und woanders mit weitergereichten deutschen Waffen geschossen hat oder weiter schießt.

Die Amerikaner, die weltweit noch mehr Waffen verteilen als die Deutschen, haben seit kurzem ein echtes Problem: die Drohnen. Achthundert Stück von denen sind täglich weltweit unterwegs, und man kann durchaus davon ausgehen, dass die meisten auf US-amerikanischen Mist gewachsen sind. Wenn ich die Drohnen als Problem benenne, dann diesmal nicht, weil diese völkerrechtwidrig und gegen den ausdrücklichen Willen von Menschen und Regierungen genau dort platziert werden und töten, wo es die Amis gern haben – nämlich in Afghanistan, Pakistan und im Jemen. Sondern deshalb, weil die Drohnen ein Dekorationsdebakel hervorrufen. Präsident Obama nämlich will den Soldaten, die aus sicheren Kommandozentralen heraus Killerdrohnen lenken, bei herausragenden Abschussquoten neue Orden verleihen und zwar solche, die ihrer Bedeutung nach noch vor dem Verwundetenabzeichen „Purple Heart“ rangieren. Solch fehlende Sensibilität und Geschmacklosigkeit ist bei vielen US-Militärs auf Protest und brüske Ablehnung gestoßen („Süddeutsche Zeitung“, 8. März 2013). Kein Wunder: Gilt doch in der Army das Zumarkte-Tragen der soldatischen Haut als höchstes Zeichen für Ehre und Opferbereitschaft – ganz gleich, ob der Waffengang ein verbrecherischer Vietnam- oder Irakkrieg war oder eben nur ein leichtsinniger Patrouillengang im friendly fire. Wie auch immer: die Auseinandersetzung um Orden und Werschätzung dauert an – mit hässlichen Begleitgeräuschen. Kein Wunder, dröhnen da die einen, dieser Präsident habe „für seinen Friedensnobelpreis weder Freiheit noch Leben riskiert“ oder „Es kann schwere Folgen haben, das Sich-Opfern-Müssen aus dem Krieg zu entfernen.“ Wer solches liest, hat Probleme zu orten, was oben und unten ist. Thomas de Maizière , der deutsche Verteidigungsminister, scheint diesbezüglich ebenfalls ein schlechtes Gefühl zu haben. Nicht, dass er Ordensprobleme hätte. Doch die Abneigung gegen Drohnen, die nicht nur bei der LINKEN, sondern nahezu parteiübergreifend in jedem der politischen Lager, vor allem aber im Gros der deutschen Bevölkerung wächst, hat ihn sichtbar ausgebremst. Er will die Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr jetzt bis zur Bundestagswahl aussetzen http://www.sueddeutsche.de/politik/ausruestung-der-bundeswehr-bewaffnete-drohnen-erst-nach-der-wahl-1.1645882. Ein kleiner mieser Trick, wie man schnell erkennt. Denn niemand kann uns weismachen, dass Deutschland mittelfristig auf diese Waffe verzichtet. Immerhin gilt es, militärtechnisch am Ball zu bleiben. Und vielleicht lassen sich die anstehenden Rückzugsgefechte in Afghanistan noch als lohnende Übungseinsätze gestalten. Immerhin wäre dann EIN Sinn dieses Krieges – wenn auch ein verwerflicher – erfüllt. Um es kurz zu sagen: Mir kommt immer häufiger der Ekel – ob der heuchlerischen Argumentationen, der Ehrbegriffe und Indoktrinationen. Einfach grauenhaft fand ich Popen in Saigon oder Bagdad – wo der einfache Soldat ausblutete, was Verbrecher am grünen Tisch befahlen. Und noch furchtbarer jene Politiker, die den Lobbyisten des Krieges verfielen, fingierte Krieggründe absegneten und ihre Landleute für die Schlachtbank fit machten. Sämtliche von den USA nach dem Koreakrieg vom Zaun gebrochenen Konflikte bedienen genau dieses Muster.

An jedem Krieg verdienen vor allem diejenigen, die Waffen und Munition liefern und Zerstörtes wieder aufbauen. Das zynische Miteinander von Vernichtung und Wiederkehr ist typisch für fast jedes Schlachtfeld. Es beschert Milliarden für große Konzerne – zu Lasten der am Kriege Beteiligten und der Steuerzahler im Land des Aggressors/“Befreiers“. Obwohl das alles einleuchtend ist, wird weiter produziert – jede neue Waffe noch scheußlicher als die abgelöste. Auf der Waffenmesse in Abu Dhabi konnten die Hightech-Kreationen der letzten Saison besichtigt werden http://www.spiegel.tv/filme/waffenmesse-magazin/. Ein verheerender Anblick! Selbst die südkoreanische Firma Samsung, die bislang tunlichst um ihren (friedlichen) Ruf bemüht war, ließ ihren Kampfroboter von der Leine. Der schießt ferngesteuert aus allen Rohren und Kalibern und überwindet dabei noch Hindernisse. In den Kampfzonen dieser Welt werden folglich die bösen Aufständischen immer weniger gegnerischen Soldaten, dafür aber Jets, Laser-Pointer- und Gewehren, Drohnen und eben Kampfrobotern begegnen. Und ihnen trotz freiheitlichem Begehren auch unterliegen. Das dürfte genauso frustrieren wie der Cyberkrieg, der Gegner, resp. deren Bilder abstrahiert/virtualisiert, um im Gegenzug stuxnette Würmer, Viren oder Bundestrojaner in x-beliebige Richtungen auszuschütten. Bleibt die schmutzige Bombe, bleiben die Hightech-Waffen, mit denen präzise daneben seziert wird. Ihnen dürfte die Zukunft gehören. Schmutzig klingt einfach und nach Aktentasche, präzise und seziert wie das Märchen vom Hightech-Fleischermesser. Doch was macht das? Das Gros der Bürger hat sich darauf eingelassen, Krieg als unvermeidlich zu akzeptieren. Und man begnügt sich mit der Freude über einen, der vor der Zeit zu Ende geht. Die Schar der Akteure reagiert meist gespalten. Die einen verschwinden ungesehen, um zu vergessen. Andere pöbeln, prügeln oder morden nach ihrer Rückkehr http://www.spiegel.de/politik/ausland/britische-studie-junge-kriegsveteranen-neigen-oft-zu-gewalttaten-a-889193.html. Der Rest ist gänzlich geschädigt und deshalb schnell abgemeldet http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Afghanistan/ptbs2.html. PTSB ist bis heute nicht heilbar, auch nachwachsende Gliedmaßen sind nicht in Sicht. Wer hier ein Nachhinken der Rekonveleszenz-Techniken hinter den Fähigkeiten der Waffen-Narren vermutet, hat Recht und irrt dennoch. Weil die Wiederherstellung von Menschen aus (weitgehend) mannlosen Kriegen im Grunde entfällt – und die Probleme des Gegners Probleme des Teufels sind und damit … irrelevant bleiben.

Nachtrag vom 13. Mai 2013: „Kein Mensch braucht Krieg“ – unter diesem Motto ist de Maiziere, der an der Humboldt-Uli, Berlin, einen Vortrag zum Thema „Bundeswehr“ halten wollte, am 10. April von Studenten niedergebrüllt worden. Das hatte ohne Zwiefel auch mit der Problematik „Drohnen“ zu tun. Die Süddeutsche Zeitung hat dem Thema in ihrerer Wochenendausgabe vom 11./12.Mai 2013 eine ganze Druckseite gewidmet. Fazit: Wenn die Deutschen die bewaffneten Drohnen nicht wollen, dann dürfen sie auch keine Soldaten außerhalb Deutschlands in Kampfeinsätze schicken. Na bitte, ist doch toll diese Empfehlung!

Die widerliche Aura des Militarismus“, Teil 1

Nachtrag vom 23. Mai 2013: Die Zahl der PTBS-Erkrankungen in der Bundeswehr sei von 245 (2008) auf heute mehr als 1143 (2012) gestiegen. Nahezu jeder zweite Fall bleibe unbehandelt – so das Nachrichtenmagazin Frontal21 http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1897216/Kranke-Soldaten-Vom-Vaterland-vergessen#/beitrag/video/1897216/Kranke-Soldaten-Vom-Vaterland-vergessen

 

Bleibt Venezuela rot?

Ich hätte mir ein deutlicheres Ergebnis gewünscht. Was Nicólas Madura am Sonntag hingelegt hat, war und ist katastrophenverdächtig. Er hat gegenüber seinem Vorgänger Chaves fast 5% der Stimmen verloren http://www.taz.de/Praesidentenwahl-in-Venezuela-/!114536/. Und dennoch freut mich dieser knappe Sieg. Immerhin hängt vom Wahlausgang ab, ob Venezuela dem westlichen Wirtschaftsmodel oder aber dem neuen Model sozialistischer Prägung folgt. Die Unterschiede zwischen beiden Optionen sind groß, in wichtigen Bereichen aber durchaus überbrückbar. Allerdings können die Einnahmen des Staates (u. a. die Erlöse aus den Erdöleinnahmen) nicht zweimal verteilt werden. Woraus folgt, dass die Reichen im Lande auf bisherige Pfründe (Steuerleichterungen, bessere Bildungschancen, Gesundheitsversorgung etc.) zumindest teilweise verzichten mussten und weiterhin müssen. Insider wissen, dass der Gini-Koeffizient – er beschreibt die Einkommensunterschiede im Lande – in Latein- und Südamerika weltweit am höchsten ist und nicht nur in Venezuela der Korrektur bedurfte/bedarf. Hugo Chaves hatte 2001 über einen 30 Millionen-US-$-Fond dreißig sogenannte „bolivarische Missionen“ gestartet, die große Teile der Bevölkerung aus dem Elend befreiten sowie Bildung, Gesundheitsfürsorge, Umweltschutz etc. vermittelten – meist gegen den Widerstand der bestehenden Institutionen, die er erst 2003 in die Knie zwang. Kurz nach Chaves’ Amtsantritt lebten nach Angaben der UN-Wirtschaftskommission knapp 50 % der Bevölkerung Venezuelas in Armut. Im Jahr 2006 war diese Quote auf 30 % gesunken. Der Gini-Koeffizient sank von 0,5 auf 0,44. Dies ist unter anderem den eben erwähnten Missionen zu verdanken. So haben die Armen kostenlosen Zugang zu zahlreichen Medikamenten, darunter retroviralen Cocktails gegen AIDS. 15 Millionen Menschen werden durch die Mercal-Supermärkte mit verbilligten Lebensmitteln versorgt. Die Lebenserwartung stieg von 72,18 Jahre (1999) auf 73,18 Jahre (2004); die Kindersterblichkeit konnte von 18,5 Promille auf 16,8 Promille im Jahr 2004 gesenkt werden. Die Arbeitslosigkeit reduzierte sich von 16,6 % (1999) auf 11,5 % (2005) – vor allem, weil die Regierung (z. B. im Rahmen der Misión Vuelvan Caras) die Gründung von Kooperativen anregte und deren Produkte bevorzugt aufkauft. Die Analphabetenquote wurde nach Angaben des Bildungsministeriums in wenigen Jahren von 6,12 auf 1 % gesenkt http://de.wikipedia.org/wiki/Bolivarianische_Missionen. Im Gesundheits- und Bildungswesen waren es vor allem kubanische Ärzte und Lehrer, die großzügige Unterstützung gewährten – vor allem dort, wo sich venezolanische Experten weigerten, in Elendsquartieren Hilfe zu leisten.

Eine neue Regierung unter dem Oppositionsführer Henrique Capriles Radonski würde zweifellos viele der von Chaves durchgeführten Reformen annulieren, die Reprivatisierung von Ölförderanlagen und Raffinerien beschließen und die auf Eis liegenden Verbindungen zu den USA wieder aufnehmen. Ja, mehr noch: Capriles könnte die Mitgliedschaft in den von linken Regierungen dominierten Bündnissen ALBA und CELAC aufkündigen http://amerika21.de/audio/48752/alba-celac. Was das bedeutet hätte, kann sich jeder, der Grundkenntnisse über Lateinamerika besitzt, schnell ausmalen. Venezuela ist als erdölreiches Land der Dreh- und Angelpunkt für die wirtschaftliche Entwicklung auch der Nachbarn. Vor allem Kuba, Ecuador und Bolivien profitieren von der großzügigen Unterstützung, aber auch arme Familien in den USA, denen Maduros Vorgänger immer mal Heizöl für den Winter herüberschipperte. Das unter Chaves sichtlich erstarkte Bündnis zwischen Venezuela, Ecuador, Bolivien und Kuba hat auch in den anderen latein- und südamerikanischen Ländern Spuren hinterlassen. Argentinien, Brasilien, Peru, El Salvador und Nikaragua sympathisieren offen mit dem neuen sozialen Experiment, andere Staaten scheuen zumindest jede Konfrontation. Auch der Wirtschaftsverbund Mercosur, dem Argentinien, Brasilien, Paraguy und Uruguay angehören, hat sich inhaltlich gewandelt. In den Augen von USA-Experten gilt er inzwischen als amerikafeindlich. In der Tat: Konfiguration und Kräfteverhältnisse südlich der Vereinigten Staaten haben sich grundlegend verändert – was zweifellos mit der Jahrzehnte währenden ausbeuterischen Politik des großen Nachbarn zu tun hat. Was United Fruit & Co. nach dem 2. Weltkrieg nicht zerstören konnte, schlugen die Chikago-Boys und die von ihnen gesteuerten Diktatoren, Rauschgifthändler und Todesschwadronen platt . Che Guevara, Allende, Victor Jara und vielleicht auch Pablo Neruda sind darüber zu Tode gekommen http://www.otz.de/startseite/detail/-/specific/Leiche-von-Pablo-Neruda-wird-exhumiert-160029937. Wer diese Zusammenhänge kennt, weiß sehr schnell, wie wichtig Wahlergebnisse in Venezuela sind. Und er kann sich das Ausmaß westlicher Unterstützung für Capriles Radonski vorstellen. Nun, dieser Mann musste sich geschlagen geben, was jetzt wegen des knappen Ergebnisses für Zeter und Mordio sorgt. Dass Maduras Gegner über 49% der Stimmen holte, ist überaus ernst zu nehmen. Denn die Zahl vermittelt, dass in Venezuela ein Riss mitten durch die Gesellschaft geht, sprich: die Zahl der Gegner immens ist. Wenn Madura den Kurs von Chaves erfolgreich fortsetzen möchte, bedeute das nicht nur viel Arbeit und reformerisches Denken, sondern vor allem auch Konzessionen an seine Gegner. In einer ständigen Konfrontation nämlich kann nichts gedeihen. Hier gilt es, mit parteiübergreifenden Lösungen sehr viel mehr Menschen vom neuen Weg zu überzeugen bzw. abgefallene Wähler zurückzugewinnen. Andererseits müssen die „positiven Errungenschaften“ (Ergebnisse der Missionen etc.) konsequent geschützt werden – notfalls unter Einsatz des Militärs.

Dass die westlichen Medien die Verdienste von Chavez mehrheitlich ignorierten und heute zu immer neuen Rufmordkampagnen gegen Maduro antreten, ist das Ergebnis dieser Gemengelage. Was man den beiden vorwirft, ist beispiellos und doch nur ein Remake dessen, was auch Allende oder Castro erlebten/erleben: Durch die erbrachten Sozialleistungen sei die Wirtschaft des Landes geschädigt worden (Originalton ARD vom 14, April 2013). Man habe Oppositionelle mundtot gemacht und eingekerkert und der überbordenden Kriminalität im Lande wenig entgegengesetzt. Wahr ist, dass Chaves gegen all diejenigen Front machte, die ihn unmittelbar angriffen, für Kapitalverbrechen und andere feindliche Aktionen gegen Staat und Gesellschaft verantwortlich waren und Lügen verbreiteten. Tatsächlich sind neben vielen Kriminellen auch einige Oppositionelle festgesetzt worden. Wobei die meisten von ihnen später amnestiert wurden. Leider begreift man im Westen nicht, dass strukturelle Verbesserungen zu Gunsten der Unterprivilegierten auch administrative Härten und unverhältnismäßige Eingriffe mit sich bringen. Beides gibt es, wenn auch in umgekehrter Färbung, auch in unseren sogenannten Demokratien – täglich und immer wieder. Ärgerlich ist, dass sogenannte Menschenrechtsorganisationen, aber auch Amnesty International statt der Gesamtsituation nur einzelne Härtefälle im Auge haben und diese zuweilen aufbauschen. Bestes Beispiel: die im Hausarrest befindliche Richterin Maria Lourdes Afiuni . Chaves hatte sie wegen Korruption anklagen und (angeblich) zu 30 Jahren Gefängnis verurteilen lassen, weil sie zwei politische Gegner Chaves’ frei ließ. Jetzt wurde die Strafe in Hausarrest umgewandelt – was bei der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte auf die Schlagzeile „Hausarrest statt medizinischer Versorgung“ hinausläuft http://www.igfm.de/laender/lateinamerika/venezuela-hausarrest-statt-medizinischer-versorgung/. Die Diskreditierung der Wahlsieger ist also Programm. Natürlich muss sich jedes Land um die Einhaltung fundamentaler Menschenrechte nicht nur kümmern, sondern sie strikt einhalten. Das gilt auch in Venezuela und wird genauso wahrgenommen. Wenn allerdings aus Einzelschicksalen politische Kapital geschlagen wird, wenn schließlich die Gesamtsituation eines Landes an höchst untypischen Vorfällen festgemacht werden soll, ist Schluss mit lustig. Schließlich hilft jede verleumderische Attacke dem äußeren Feind, den US-Amerikanern, die ihren früheren Einfluss auf Latein- und Südamerika wieder herstellen wollen, den Europäern, die die ALBA- und CELAC-Länder in ihrem ausbeuterischen Freihandel zwingen möchten und den zahllosen Ölgesellschaften, die ihre Saugnäpfe bereits auf das venezolanische schwarze Gold programmiert haben.

Dass Venezuela über immense, ja vielleicht sogar über die größten Erdölvorräte der Erde verfügt, ist brisant. Folglich wird das Land auch in Zukunft von massivem Störfeuer all derer bedroht, die vor allem eines fürchten: dass sich der junge Sozialstaat auf Basis seines Bodenschatzes auf ewig etablieren und weitere Länder in die antiwestliche Allianz einbinden könnte.

Wenn Sie also künftig die Zeitung aufschlagen und Hasstiraden gegen Nicólas Maduro begegnen, dann bleiben Sie bitte ruhig. Das meiste davon ist übertrieben oder

… gelogen.

Nachtrag vom 21. April 2013: Die Wählerstimmen werden neu ausgezählt.

 

Steinbrück hat die Hyänen von der Leine gelassen

Stichwort Hypo Real Estate (HRE). Dass sie überhaupt gerettet werden musste, wird bis heute bezweifelt. Möglicherweise wäre ein Zusammenbruch a la Lehmann Brothers mit Blick auf notwendige Reformen des Bankensektors heilsamer gewesen. Die Frage der Abwägung zwischen dem Getanen und dem wahrscheinlich Zweckmäßigeren stellt sich nicht – oder allenfalls theoretisch. Indiskretionen brachten es knapp ein Jahr nach dem spektakulären September 2008 an den Tag: Vor allem die Hauptgläubiger der Hypo Real Estate – die Allianz, die Münchener Rück, die Bayrische Landesbank, die HypoVereinsbank, die Deutsche Bank und die Commerzbank – hätten beim Absturz der HRE gigantische Geldmengen abschreiben müssen: 5 Milliarden Euro, 4 Milliarden Euro, 3 Milliarden Euro, und je 1-2 Milliarden Euro. Kein Wunder also, wenn gerade sie den systemischen Status der Hypo Real E. so dramatisch einforderten. Wie heiß es wirklich brannte, werden wir nie erfahren. Die Bundesregierung hat ihre Rettungspakete (so auch das für die HRE) in völliger Intransparenz und ohne jede parlamentarische Kontrolle installiert. Nur neun Bundestagsabgeordnete haben unter dem Siegel absoluter Verschwiegenheit Einblick in die Maßnahmen des in diesem Zusammenhang gegründeten Finanzmarktstabilisierungsfonds/des SoFFin. Deshalb weiß die Öffentlichkeit nichts darüber, welche Banken mit welchen Summen gestützt werden, welche Manager für welche Verluste verantwortlich sind und unter welchen Modalitäten die Staatshilfen vergeben oder verweigert worden sind (Attac-Reader vom April 2010: »Das Bankentribunal – weil die Krise System hat« – http://www.attac.de /aktuell/krisen/bankentribunal/weiterlesen/).

Unterm Strich. Peer Steinbrück ist maßgeblich für die mit der Finanzkrise einhergehenden Katastrophen verantwortlich. Um es genau zu sagen: Er hat die Hyänen von der Leine gelassen.

Gehen wir zurück ins Jahr 2003.  In der damals gegründeten »Initiative Finanzstandort Deutschland« sitzen von diesem Zeitpunkt an Großbanken und Versicherungen gemeinsam mit dem Bundesministerium für Finanzen und der Bundesbank an einem Tisch. Damals powerte die rot-grüne Bundesregierung auf Druck der Finanzlobby zwei Vorhaben. Deren Ziel war es, die Verbriefung von Bankkrediten und Kreditrisiken auch in Deutschland zu ermöglichen. Zum einen ging es um den »Finanzmarktförderplan«, der Hedgefonds in Deutschland zuließ und unbegrenzte Leerverkäufe erlaubte, zum anderen um die Stützung der von 13 Banken ins Leben gerufenen Lobby-Organisation »True Sale Initiative«, die sich für die Deregulierung des Derivatemarktes einsetzte. Gleichzeitig wurde das »Kleinunternehmensförderungsgesetz« verabschiedet, das den Banken in Offshore-Zentren die Ansiedlung von so genannten Zweckgesellschaften ermöglichte. Diese sogar staatlich subventionierten Einrichtungen (»Conduits«) befassten sich ausschließlich mit den o. a. Verbriefungen, die aus den Bankenbilanzen offiziell ausgegliedert werden durften und der Finanzaufsicht entzogen waren (!). Ja mehr noch: Die Gewinne aus diesen Aktivitäten, die bei anfänglich erfolgreicher Spekulation milliardenschwer zu Buche schlugen, blieben frei von jeder Gewerbesteuer (!). http://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/100329_Bankentribunal_Anklageschrift.pdf. Die so privilegierten, sprich: mit nahezu jeglicher Freiheit ausgestatteten Finanzinstitute versprachen eine wichtige Gegenleistung. Sie wollten den deutschen Landen treu bleiben (also nicht in Richtung der lukrativen Märkte – Großbritannien und USA – abwandern) und den deutschen Mittelstand sehr viel großzügiger als bisher mit Krediten versorgen (ARD/«Kontraste«, 26. August 2010). Peer Steinbrück, der der großen Koalition von 2005 bis 2009 als Finanzminister angehörte, hat dann im Verbund mit den Länder-Ministerpräsidenten zugelassen, dass auch die Landesbanken massiv in die riskanten Verbriefungsgeschäfte einstiegen. Unter dem Strich hatten die rechten SPD-Führer, die bis 2005 an der Macht waren und danach weiter an der Regierung partizipierten, die Arbeit des politischen Gegners getan, sprich: den Protagonisten der deutschen Finanzwirtschaft Tür und Tor geöffnet. Dass dies mit Hinweis auf die renditeraffende Konkurrenz im Ausland geschah, versteht sich – dass Finanz-Politiker die Risiken eines solchen Spieles nicht begriffen haben, keinesfalls. Wer den Hund von der Leine lässt, muss wissen, ob der Pudel oder Pitbull ist und was er anzurichten vermag. Nein, diesen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht, diesen Vorwurf gegen Schröder und Steinbrück im Besonderen, wäscht niemand ab. Wenn der Ex-Finanzminister heute darauf verweist, dass sowohl er als auch Merkel Reformen der internationalen Finanzarchitektur angemahnt haben, stimmt das formal. Sicher wissen beide, was auf diesem Sektor – zumindest aus ihrer Sicht– geschehen müsste. Die Liste existiert, doch auch dem jetzigen Verbund Merkel/Schäuble gelingt es nicht, auch nur Teile davon umzusetzen – selbst in der EU nicht. Auch hier vernebelt Steinbrück, der manches … als erreicht, einiges als nicht durchsetzbar und vieles in Arbeit sieht. Welch Schönfärberei! Von dem, was Experten im Sinne einer durchgreifenden Finanzmarktreform für nötig erachten, ist bis heute fast NICHTS realisiert, und ebenfalls nichts spricht dafür, dass es an irgendeiner Stelle zu einschneidenden Veränderungen kommt. Peer Steinbrück muss man folglich mehr vorwerfen als er selbst an Fehlern zugibt. Sie lesen richtig: Steinbrück übt in seinem Buch „Unterm Strich“  auch Selbstkritik. Ob er das tut, um lauter/wahrhaftiger zu wirken, ist schwer auszumachen. Der flüchtige Leser wird ihm da schnell Pluspunkte zuwerfen. Ich sehe das gemischt. Denn die Kritikpunkte sind so gravierend, dass sich Steinbrück quasi rückwirkend des Postens enthebt. Denn was moniert er an sich selbst? Dass er nichts zur Umstrukturierung der Landesbanken unternahm und damit deren spekulative Aktivitäten indirekt unterstützte, die mit dem »Finanzmarktförderplan« und dem »Kleinunternehmens- förderungsgesetz« ausufernde Spekulation sämtlicher deutscher Banken nicht rechtzeitig erkannte, geschweige denn eindämmte und dem Thema »Bankenaufsicht« zu wenig Aufmerksamkeit schenkte. Da fragt man sich doch: Gehört nicht eben das, was Steinbrück offenbar un- terlassen/vernachlässigt hat, zu den wichtigsten Aufgaben eines Bundesfinanzministers? Und ist es nicht ziemlich fies, den Eindruck zu erwecken, als gehörten Globalisierung, die komplizierten Verwerfungen im internationalen Finanzsystem und die Agenda 2010 wie selbstverständlich zum Kapitalismus, der in unseren Zeiten eben anders ticke als früher, eben harscher und dann auch chancenreicher. Steinbrück betrügt uns offenbar. Denn weder macht er brauchbare Vorschläge zu einem neuen, nachhaltigen Wirtschaftssystem, noch thematisiert er den teuflischen Circulus vitiosus, dem das Finanzsystem seit eh und je ausgesetzt ist. Die Banker beteuern heute, dass es unmöglich sei, die mit dem Staat vereinbarten Maßnahmen zur Rettung ihrer Institute demokratisch zu kontrollieren, sprich: ihre Inhalte und ihr Zustandekommen offen zu legen. Weil dann die Märkte wie verrückt darauf reagierten und »noch Schlimmeres« anrichten würden. Deshalb sei die rigide Geheimhaltung unverzichtbar – und der Staat müsse sie abnicken. In einer solchen Lage aber ist unbedingt davon auszugehen, dass Banker bestimmen, was zur eigenen und zur »Systemheilung« notwendig ist. Nämlich die Fortsetzung dessen, was immer geschah: weiteres Wirtschaftswachstum nach altem Muster, weitere Spekulation, weitere Vermögensverteilung von unten nach oben – mit exponentieller Entwicklung der großen Vermögen, erneuter Rettung aus geplatzten Finanzblasen zu Lasten der Steuerbürger und … und … und …

Kaum einem Politiker ist zuzutrauen, dass er die komplizierten Zusammenhänge fachlich sortieren und im Zweifelsfall Widerstand leisten kann. Wie auch sollte er Verantwortung für den möglichen Absturz übernehmen, wenn dieser unter Nichtachtung der Bankerstimmen tatsächlich eintritt. Es bedürfte schon genialer Fähigkeiten und eines neuen Menschentyps, um hier durchzudringen. Doch wie sollte ein solcher Sonderling in die Arena der Macht vorstoßen? Jeder heute aufs »Spielfeld« delegierte Finanzpolitiker gerät zwangsläufig zur Galionsfigur der Branche. Strafrechts-Experte Prof. Peter-Alexis Albrecht wörtlich: »Man kann sagen, dass das, was die Finanzlobby will, in diesem Land auch politisch umgesetzt wird.« (ARD/«Kontraste«, 26. August 2010). Wenn folglich alles nach dem Gusto der Banken, genauer: nach dem Willen der internationalen, vor allem US-amerikanischen und britischen Geldhäuser läuft, ist die gesamte Welt einem sich ständig beschleunigenden Kreisel aus persönlicher Gier, aus Machtansprüchen, politischer Vereinnahmung und daraus resultierender zunehmender Differenzierung zwischen Arm und Reich ausgesetzt. Dazu, wie dieses System funktioniert und schließlich ex- oder implodiert, hat Steinbrück nichts gesagt.

Doch zurück zu den eigentlichen – oder besser gesagt – angeblichen Reform- anstrengungen. Ich sagte es bereits: Weder Merkel noch Schäuble werden hier etwas ausrichten. Ja, ich gehe sogar weiter: Sie dürfen es auch gar nicht wollen. Denn nicht nur die Machtambitionen in New York und London stören, auch Ackermann hat ausdrücklich davor gewarnt, den deutschen Banken zusätzliche Lasten aufzuerlegen. Und ganz sicher will dieser Mann nicht nur nachziehen, sondern souverän am neuen Spiel teilhaben. Im Klartext: Nicht nur die Wall Street und die Londoner Börse entziehen sich erfolgreich fast allen Regulierungen, auch die Deutsche Bank drängt nach der alten Freiheit. Immer aber, wenn es ums Bezahlen geht, ja um die Teilnahme der Banken an der großen Schuldentilgung, dann herrscht Schweigen. Völlig unverständlich ist dann auch, dass Steinbrück in seinem Buch („Unterm Strich“) von beachtenswerten Anstrengungen der Banken spricht. Einfach, weil deren Beteiligung an der HRE-Rettung größer sei als der jährliche Gewinn. Wen aber interessiert das? Entscheidend ist doch wohl der Vergleich zwischen den Verbindlichkeiten der HRE (gegenüber der jeweiligen Bank) und den jeweils zur Rettung aufgebrachten Mitteln. Das am 25. August 2010 von der Bundesregierung verabschiedete Gesetz zur Abwendung künftiger Pleiten (» Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten«) mutet ebenfalls wie ein Pflaster auf dem Tranchierschnitt an. Denn niemand wird im Ernst annehmen, dass man die Branche, die jährlich nur magere 1 Milliarde Euro abgeben bzw. »ansparen« will, damit im Notfall retten könnte (»tagesschau.de/rbb«, 25. August 2010). Ähnlich kläglich versacken die Bemühungen um eine Erhöhung des Eigenkapitals von Banken. Hier werden 5-6% angestrebt, doch 5-6% wovon? Diese Frage wird von denen, die betroffen sind, in immer abenteuerlicherer Weise beantwortet – natürlich mit dem Ziel, die Kapitalbindung im Hause zu minimieren. Denn was fest liegt, ist für die Spekulation verloren. Und so pokern die, die jetzt mit Basel III befasst sind, munter weiter. Gehören zur Bezugsgröße nur gehaltene Aktienpakete und einbehaltene Gewinne oder auch Hybridprodukte und … ??? Das aber hat kaum mehr mit Steinbrück zu tun. Es sei denn, man stylt ihn zum Kanzlerkandidaten – einer SPD, die (Sie ahnen es bereits) erst einmal an die Macht kommen und dann stärkste Partei sein muss.

Nachtrag vom 16. Juli 2011: Insgesamt dreizehn Banken wurden im Juli einem Stresstest unterzogen um festzustellen, ob sie gegen künftige Krisen ausreichend gewappnet sind. Kriterium war die sogenannte »Kernkapitalquote im Stressfall«. Einzig die Landesbank Hessen Thüringen (Helaba) bestand diese Prüfung nicht. Allen anderen wurde mit Quoten von 5,5-10,4 % Tauglichkeit bescheinigt (»Rheinische Post«, 16. Juli 2011). Zweifellos hat die Branche sich und den Bürgern etwas vorgemacht. Denn ein nahe liegender Ernstfall wurde nicht berücksichtigt: die Pleite von Griechenland.

 

Die Schockstrategie

Naomi Klein: Die Schockstrategie, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M., 2009, ISBN: 978-3-596-17407-2
http://www.amazon.de/Die-Schock-Strategie-Katastrophen-Kapitalismus-Naomi-Klein/dp/3100396111

In ihrem 2009 erschienenen Buch attackiert die Autorin die rigorosen Strategien der neoliberalen Chicagoer Schule.
An deren Spitze stand bis 2006 der Wirtschaft-Nobelpreisträger Milton Friedman, der als Antipode von John Meynard Keynes für einen deregulierten freien Markt, eine weitgehende Einschränkung der staatlichen Macht/Einflussnahme und ein Minimum an staatlichen Sozialleistungen plädierte – und diese Vorstellungen mit Hilfe seiner Schüler auch massiv umzusetzen versuchte: in Chile, Bolivien, Argentinien, in den ostasiatischen Tigerstaaten, in Polen, Russland, China, im Irak, in Südafrika, in Israel etc. Mehr als drei Jahrzehnte lang hatten Friedman und seine mächtigen Anhänger ihre so genannte „Schockstrategie“ perfektioniert: Auf eine große Krise oder einen Schock warten, dann den Staat an private Interessenten verfüttern, solange die Bürger sich noch vom Schock erholen, und diesen „Reformen“ rasch Dauerhaftigkeit verleihen (S. 17).
Friedman & Co. glaubten also, dass vorhandene Strukturen radikal beseitigt und „auf der Basis von Null“ durch neue, Friedmansche ersetzt werden könnten. Ein fataler, zumeist blutiger Irrtum! Bis heute – so vermittelt uns Naomi Klein – habe der Versuch, den so genannten „Washington Consensus“ einzupflanzen, nur jeweils Wenigen genützt, für die Masse der Menschen hingegen meist Unglück, Not und Vernichtung generiert. Zeitgleich sei die Schere zwischen arm und reich massiv aufgesprungen.
Ein spektakuläres Buch mit schonungsloser Analyse und überzeugender Aussage !
Ulrich Scharfenorth

Die folgenden Zitate wurden dem Buch in ungeordneter Folge entnommen. Sie gründen auf persönlichen Erfahrungen/Erkenntnissen der Autorin – die mit einem „Heer von mehr als 100 Mitstreitern“ sämtliche Sachverhalte vor Ort recherchieren lies oder selbst recherchierte.
• Milton Friedman empfahl (dem chilenischen Diktator) Pinochet einen Umbau der Wirtschaft im Schnellfeuertempo – Steuerkürzungen, Freihandel, Privatisierung von Dienstleistungen, Einschnitte bei den Sozialausgaben und Deregulierung. Chile wurde unter Pinochet zum Pionier einer Weiterentwicklung des Korporatismus: Eine sich wechselseitig stützende Allianz von Polizeistaat und Großunternehmen, die mit vereinten Kräften gegen den dritten gesellschaftlichen Machtfaktor – die Arbeiter – Krieg führt und dabei ihren Anteil am gesellschaftlichen Wohlstand kräftig erhöht […]. Als sich die Wirtschaft im Jahr 1988 (also nach dem „Schock-Experiment“) endlich stabilisiert hatte und rasch wuchs, lebten 45 % der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Die Einkommen der reichsten 10% Chilenen waren jedoch um 83 % gestiegen (S. 124) Die Schockstrategie weiterlesen