Es geschieht nicht selten, dass Journalisten der Rheinischen Post subtile Hetze gegen politisch Missliebige betreiben. Gestern fand ich diese Feststellung bestätigt – in einem Beitrag, der sogenannte Verschwörungstheoretiker und deren Thesen aufs Korn nahm http://www.rp-online.de/politik/die-grosse-verschwoerung-aid-1.5553347. Da wurden die Zwillingstürme in Manhattan herangezogen, weil besagte Mutmaßer wissen, dass sie von den USA selbst gestürzt wurden (weil man so die Kriege im Irak und in Afghanistan besser begründen konnte), da wurden Theorien über fehlgedeutete Kondensstreifen – als Mittel zur Wetterbeeinflussung – hinweggefegt und der offenbar festgenagelte Auslöser der jüngsten Flüchtlingsbewegung fertig gemacht.
Über solche Phänomene, Vermutungen und wilden Konstrukte mag richten, wer will. Jeder legt sich da seine ureigene Auffassung ins Schließfach. Was mir in diesem Zusammenhang die Wut ins Gesicht treibt, ist etwas ganz anderes, nämlich der Versuch, die Kritik an der gegenwärtigen Medienpolitik in diese, die VerschwörerKiste, mit einzubinden. So suggeriert Martin Bewerunge, dass sowohl die Beschimpfungen durch Pegida (Lügenpresse!) als auch die Kritik an der „Flüchtlingsbeschwichtigung“ der Medien auf demselben Mist gewachsen seien wie die Deutungen zum 11. September.
Statt darüber aufzuklären, warum Verschwörer ausreichend Nahrung finden, statt zuzugestehen, dass die Berichterstattung der MainstreamMedien fast nur noch schief und verzerrt daher kommt, schwingt man die Verdummungskeule. Wir alle wissen, dass sich hinter unserem Rücken, ja auch unmittelbar vor unserer Nase unzählige Verschwörungen zusammenbrauen – täglich, stündlich , minütlich. Edward Snowden, Julian Assange und Bradley Manning haben das ausführlich dokumentiert. Jeder Mensch muss heute davon ausgehen, dass er, sofern er auch nur einmal die Worte Attentat, Bombe oder Rosa-Luxemburg-Stiftung in seinen Rechner tippt, observiert wird – über seinen Computer, über seinen Fernseher, über sein Handy etc. Und wer die TTIP-Verhandlungen, respektive deren Außenwirkung verinnerlicht, wird etwas sehr ähnliches empfinden – nämlich, dass die Mächtigen dieser Welt wieder einmal dabei sind, uns Bürger dumm zu stellen/ über den Tisch zu ziehen.
Erleben wir das nicht ständig? Ist es eine Verschwörungstheorie, dass man die Rettung der Hypo Real Estate als finale Intrige der deutschen Finanzinstitute bezeichnet? Immerhin fungierten sie als deren Geldgeber http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/04/05/banken-rettung-kostet-deutsche-steuerzahler-236-milliarden-euro/
Sind die Mutmaßungen über Rammstein als Leitzentrale für völkerrechtswidrige US-Drohnenangriffe aus der Luft gegriffen?http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ramstein-air-base-us-drohneneinsaetze-aus-deutschland-gesteuert-a-1029264.html) . Muss man das US-Programm Haarp als harmlose WindTüte hinnehmen? Wie verschworen muss man sein, um anzunehmen, dass der CIA dabei ist, Venezuela als rohstoffreiches Hauptkettenglied des linken ALBA-Verbundes (Venezuela, Kuba, Ecuador, Bolivien, Nikaragua etc.) zu destabilisieren? Und wie lange galt es als Verschwörung, Grund und Anlass für die Auslösung des Irakkriegs (Giftgas- und Atomprogramme Sadam Husseins) zu bezweifeln. Wer alles bezweifelte die Argumentationen der Amerikaner vor Beginn des Vietnamkrieges – bis Daniel Ellsberg klar machte, wer den Krieg bewusst vom Zaun brach? http://www.spiegel.de/politik/ausland/pentagon-papers-washington-beichtet-letzte-vietnam-luegen-a-767493.html etc., etc., etc.
Schon die wenigen aufgezeigten Beispiele zeigen, dass der Normalbürger in immer größerem Tempo in eine Welt versetzt wird, die er weder erkennen, geschweige denn beurteilen kann. Er spürt, dass er auf Schritt und Tritt belogen wird. Er ist zunehmend verunsichert, er fühlt sich permanent hintergangen, obwohl überall von Transparenz gefaselt wird. Und er hat Recht mit seinem Gefühl. Kein Wunder, wenn er sich dann hier und da auf Verschwörungstheorien einlässt. Es liegt doch nahe, dass die zerstörerischen Kräfte auf unserem Planeten in diesem Moment an einer neuen Schrecklichkeit stricken – ganz gleich, ob diese morgen oder erst im nächsten Krieg sichtbar wird.
Mit dem baldigen Ende der Menschheit oder mit weimar-republikanischen Wirren müssen wir dennoch nicht rechnen – obwohl auch solche Szenarien gerade IN sind („der Freitag-Endzeitspiele“, 46/2015). Kriegerische Konflikte in Europa sind dagegen nicht ausgeschlossen. So hält es Herfried Münkler durchaus für möglich, dass die durch die Flüchtlingswelle überforderten Balkanstaaten erneut aneinander geraten könnten („der Freitag – unheilvolle Dynamik“, 46/15). Eine Horrorvision!
Interessanterweise wird die Anfälligkeit der Bürger für Verschwörungstheorien durch einen direkt benachbarten RP-Beitrag auch befeuert http://www.rp-online.de/politik/angriff-aus-dem-internet-aid-1.5553070. Unter der Überschrift „Angriff aus dem Internet“ rollt neue Munition zu den üblichen Verdächtigen. Aus dem Netz – so heißt es – kann uns alles treffen, alles vernichten – da hilft auch Bewerunge nicht, der so rührend und fies abwiegelt ….