Da hab‘ ich mal die Wut gekriegt …

Hätte ich mir nicht geschworen, meine Haltung zum politischen Geschehen aus Informationen unterschiedlichster Richtung zu generieren, wäre ich oft versucht gewesen, nicht nur die FAZ, die WELT und den SPIEGEL, sondern auch ND, Junge Welt, die Granma International und nun auch den Freitag einfach so, ich meine: kleinteilig  in die Tonne zu hauen. Weil mich viele Beiträge einfach nur ärgern statt mich aufzuklären. Wenn ich in diese Zerreißprobe auch den Freitag einbeziehe, dann, weil ich seine liberal linke, moderat kritische Haltung aus der VorCoronaZeit nicht wieder finde.  Stattdessen aber ein extremes Herumgehacke auf denen, die das Coronageschehen zu lenken versuchen. Das geht nun schon viele Ausgaben lang, und ich verstehe nicht, ob die pandemierelevanten Wegweisungen auf angehäuftes Unwissen, auf den Wunsch nach Beifall aus bestimmter Richtung oder aber auf den eingesogenen Vorsatz zurückgehen, dass politische Gegner a priori etwas falsch machen.  Gut möglich, dass von allem etwas dabei ist. Auf jeden Fall könnte man auf den Gedanken kommen, dass es in der Redaktion „nur“ Geisteswissenschaftler, aber keine Wissenschaftler mit Mathe-Gen gibt. Anders jedenfalls ist nicht zu begreifen, wie man das Coronageschehen und die dazu gehörenden Maßnahmen so missdeuten kann.

Es scheint beim Freitag abgemacht, dass praktisch alles falsch gemacht wurde https://www.freitag.de/autoren/jaugstein/leben-lernen, dass die Politik den Einflüsterungen windiger Epidemiologen vom Schlage eines Drosten, den Erfahrungen aus unzähligen Ländern einfach aufsaß und die Sache profitgesteuert gegen die Wand fuhr. Weil es ja immer ums Geld und dessen Vernichtung geht.

Wie hinterhältig und weltfremd ist es denn, wenn man mit dem Wissen von heute den großen Schlaumeier ausfährt  – und dann auch noch den falschen. Folgt man dem Vorschlag von Herrn Augstein, dann hätten – nicht vornehmlich, sondern ausschließlich – 22 Millionen Gefährdete in Deutschland geschützt werden müssen (so viele sind das nämlich, und die sind tatsächlich nicht alle im GreisenAlter!). Was eine vollkommene Isolation und die Bereitstellung der für die partielle Behandlung nötigen medizinischen Mittel erfordert hätte. Beides sind Undinge, denn wie hätte man die außerhalb der Alten- und Pflegeheime lebenden Menschen (ca. 80% der angesprochenen Gruppe) abschotten können. Und wo sollten die PCR und Schnelltest vor neun Monaten herkommen – wo es doch kaum ordentliche Masken gab. 

Im Übrigen sind die Viren ja nicht vom Himmel gefallen, sondern haben die alten Menschen erst nach Monaten über KontaktKontakte aus der GenerationenKette erreicht. Corona war also schon lange da, bevor Gefährdete in Größenordnung erreicht und getötet wurden. Wer zudem glaubt, dass man die übrige Bevölkerung schutzlos den Viren hätte ausliefern können, ist ebenso auf dem Holzweg. Denn jedes Kind weiß heute, dass so genannte leichte Verläufe – vor allem diese (!) – in vielen Fällen zu schweren Folgeschäden führten und weiterhin führen. Zu glauben, dass die Masse der unter Siebzigjährigen das alles relativ unbeschadet überstanden hätte und dann auch schön immun wäre, ist folglich ebenfalls falsch. Hinzukommt, dass den zitierten Studienergebnissen z. T. völlig andere entgegenstehen – die offenbar unter den Teppich gekehrt wurden (FAS vom 17. Januar 2021, S. 9: „INZIDENZ“; https://www.hr.de/presse/fernsehen/hr-im-ersten/2021/ard-extra-die-corona-lage,ard-extra-die-corona-lage-100.html; div. NDR-CoronaUpdates mit Drosten und Ciesek).

Schulen (Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 20 Jahren), Supermärkte, Skipisten, öffentliche Verkehrsmittel und FitnessCenter bieten selbstverständlich extreme Ansteckungsmöglichkeiten – so denn eine bestimmte VirusLast herumgeistert. Oder glaubt jemand, dass die Ereignisse von Hildburghausen auf „ausstrahlende Altenheime“ zurückzuführen sind?  Letztere aus heutiger Perspektive als absolute Hotspots aufzufinden, ist keine Kunst https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/einsam-und-verlassen. Ja, jetzt sind die Viren dort zu Hauf angekommen, und man stirb dort auch vorrangig! Und JA: An dieser Stelle hätte der Staat schon vor Wochen rigoros einschreiten und sowohl den Pflegekräften als auch den Besuchern strenge Tests, ansprucholle HygieneMaßnahmen – und ja: auch das Impfen –  auferlegen müssen. An dieser Stelle die Kritik aufzumachen, wäre richtig gewesen. Doch gerade hier wird relativiert und Verständnis für die Pfleger suggeriert, die sich vor der Impfe angeblich mehr fürchten als vor Corona. Solche Sortierung ist nicht nur fahrlässig, sie ist dumm. Tut mir leid, wenn ich hier irgendwem auf die Hand trete. Man muss einfach den Eindruck haben, als wüssten die in Frage kommenden Journalisten auch jetzt noch nicht, wie Corona tickt. Sie sollten sich tatsächlich die 72 Folgen des NDR CoronaUpdates einmal gründlich reinziehen und dann Drosten vorzuwerfen versuchen, er habe keine Ahnung, wie soziale Kompetenz aussehe.

In Zeiten wie diesen haben Menschen, die ihr Fachwissen in den zurückliegenden Monaten über die Geschehnisse mit Covid 19 erweitern konnten, natürlich das Sagen. Ihnen bei der Beratung der Regierung eine unzulässige Dominanz vorzuwerfen, ist irrwitzig. Sollen die Virologen/Epidemiologen etwa von 10 zusätzlich beigestellten Fachleuten aus anderen („sozialkompetenteren“) Sparten – von Leuten, die den Erklärungen der Wissenschaftler vielleicht nicht einmal folgen können – überstimmt werden. Weil das nach Demokratie aussieht?

Merkel hat Scheiße gebaut, Spahn macht nur Mist und Scholz haut gewissenlos das Geld raus – diese Clique muss offenbar weg und ersetzt werden ….. na: durch wen denn? Durch Bodo Ramelow vielleicht, durch den Mann, der ständig herumschlingert und jetzt endlich den total schlimmen Lockdown fordert (ich wäre plötzlich für ihn!). Oder durch den FDP-Kaspar, der außer der 5%-Hürde nichts, aber auch gar nichts, an CoronaWissen auf dem Schirm hat?

Ich bin es leid, den Schimpftiraden weiter zu folgen. Eben war Spahn noch Schuld, dass es mit dem Impfen so langsam geht, jetzt schießt man sich auf andere ein. Weil Schießen zum TraumSport geworden ist – selbst dann, wenn man nur ins Weiße trifft.

Zurück zur Sachlichkeit: Niemand hat Spahn entlastet, obwohl doch längst klar ist, dass der die Produktion des Impfstoffes gar nicht beeinflussen kann. Dass heute manche Impfstoffdosis  nicht in reiche EU-Länder, sondern auch mal an UN-Organisationen und -Projekte (Gavi und CEPI) geht, sollte uns freuen – und das Jammern auf höchstem Niveau immer mal abklemmen https://www.ardmediathek.de/daserste/video/panorama/panorama-vom-21-januar-2021/das-erste/Y3JpZDovL25kci5kZS8zN2Y1Nzg1MS0yNWVkLTRjZDUtOTM1NS1kNDM5ZTA1Mzk2YmU/. Wir sollten geduldig sein und die ImpfstoffGeilheit etwas zurückstellen. Und Bescheidenheit demonstrieren. Doch wie man sieht, wird da eher geschwiegen.

Wie schön wäre es doch gewesen, wenn auch der Freitag die Bewältigung der Krise als gesamtgesellschaftliche, parteiübergreifende Aufgabe empfunden hätte. Wie gut wäre es gewesen, wenn er zeitnah (und nicht aus sicherer Entfernung) dazu beigetragen hätte, Kooperationen zu fördern, wenn er mitgeholfen hätte, die in anderen Ländern gemachten Erfahrungen zu transportieren – statt davon auszugehen, dass überall nur „deutschenähnlicher Mist“ gemacht werde.

Mein Fazit ist kurz: Wir brauchen alle Kräfte, um die Krise zu meistern – auch die widerständigen, wenn sie bei den Fakten bleiben. Immerhin hat niemand, hat kein Land der Welt, den vom Freitag propagierten Weg zur Bewältigung der Krise eingeschlagen. Warum wohl nicht? Weil alle relevanten Entscheidungsträger Idioten sind? Weil es um Geld geht? Oder weil es eine überwiegende Mehrheit für Strategien gibt, die auch von der deutschen Regierung verfolgt werden?

Vom Schweden-Modell will ich nicht sprechen. Das ging – wie man längst weiß – auch voll in die Hose.