Por Cuba – alles über die rote Insel

Politische Analysen, Erzählungen, Menschen

 

Die Story: Als die Condor gegen 20 Uhr 20 Ortzeit auf dem Flughafen Havanna aufsetzt, liegen elfeinhalb Stunden Flugzeit hinter uns. Draußen ist es dunkel, mein Nacken ist verspannt und Joe, der mich begleitet, guckt schief in die Gegend. Wir hatten auf Abendsonne und eine zügige Abfertigung gehofft. Dann natürlich auch auf die nette Dame von SoliArenas, die uns abholen würde. Nichts von dem sollte sich erfüllen, aber davon später. Zunächst hatte ich ein komisches Gefühl im Magen. Es rührte von der Ansage her, die mir gut eine Stunde vor der Landung aus dem Bord-Lautsprecher entgegenschlug. Es ging um den Zoll. Man müsse – so hieß es – auch Geschenke deklarieren – so sie denn für Kubaner bestimmt seien. Nun, ich hatte etwas bei mir. Zwei Kartons, die mir ein UNESCO-Mitarbeiter aus Bonn geschickt hatte. Sie waren für einen Ex-Botschafter der kubanischen Regierung bestimmt. Was so drin war im Paket, konnte ich nur ahnen. Die Absender hatten das AUTOERSATZTEIL genannt. Ich war nicht neugierig, hatte das Paket einfach nicht aufgeschnürt. Jetzt, im aufgegebenen Koffer verstaut, wog es doppelt schwer. Sollte ich auf das Geschenk hinweisen, es aufführen, obwohl nicht sicher war, dass es das war, wofür ich es halten musste. Würde die Anonymität des Gegenstandes oder dessen unbedachte Einfuhr mich oder aber den Empfänger in Schwierigkeiten bringen? Nun, ich hatte kaum Zeit, die Varianten durchzuspielen. Jo und ich gingen bereits die Gangway hinunter. Ein paar Augenblicke später standen wir vor der Passkontrolle. Ich beschloss, gar nichts zu tun, sprich: den Koffer einfach passieren oder eben auffliegen zu lassen. Nun, ich hatte Glück – und kam unbeschadet in die Eingangshalle. Dort bot sich ein buntes Bild – auch bestimmt durch den Schilderwald derer, die Leute aus Frankfurt abholen wollten. Ein Logo unseres Reiseveranstalters war nicht dabei. So war es Jo vorbehalten, die Leute einzeln zu befragen, ob denn irgendwer irgendwo unseren Namen verschluckt habe. Die Suche dauerte. Dann aber hatte Jo Glück und wurde fündig – unter einem Schriftzug, der uns unbekannt war. Als Mensch mit wenig Nachsicht, als Mensch mit wenig flexiblen Vorstellungen zu Information, Kommunikation und Logistik ist man verkehrt auf Cuba. Wer bleiben will, tut gut daran, deutsch-übliche Abfolgen und Verknüpfungen schnell zu vergessen. Die Dinge kommen auch so ins Lot – manchmal etwas spät, dafür aber höchst unaufgeregt.
Wir saßen schließlich in einem Bus, von dem wir nicht wussten, ob er uns ins richtige Hotel bringen würde. Der dann aber losfuhr und genau dort ankam, wo wir hin mussten. Im Foyer stieß José zu uns. Er war Reiseleiter und vertrat Cubanacan, eine inländische Reisegesellschaft, von der wir bisher nichts gehört hatten.
Wer jetzt vermutet, dass die Reiserei auf Kuba ein Problem ist, irrt heftig. Jo und ich jedenfalls würden das nie behaupten. Denn zum einen wussten und wissen wir nicht, ob unser Fall typisch war. Noch machte uns die höchst undeutsche Art zu reisen, wirklich zu schaffen. Immerhin hatte sich im Verlauf der Tour so etwas wie eine Schicksalsgemeinschaft gebildet, die jeder neuen Wendung gespannt entgegen starrte. Abenteuer pur, ungeplant, quasi aus der Hüfte heraus. Während der Standard-Tourist auf den morbiden Mix aus kolonial und „Castro-light“ wartete und beides im Regelwerk des ihm Zugedachten auch vorfand, waren wir im richtigen Kuba. Und kaum mit den geführten Hochglanzfotos beschäftigt.
Die organisatorischen Pannen waren also weniger wichtig. Und José natürlich ein netter Kerl – stämmig, einsachtzig und Patriot. Wie zu erwarten, war der Mann stolz – nicht nur auf Job und Fidel, sondern auch auf sich und so, wie er aussah. Es gebe auf Kuba zweiunddreißig Hautschattierungen, witzelte er: von ganz weiß bis ganz schwarz. Er selbst habe sich bei siebzehn eingeordnet.

Der nächste Morgen verging wie im Zeitraffer. Aufstehen, Früh- stücken, Koffer fassen und los. Kaum dass wir saßen, lag halb Havanna schon hinter uns.
Zuerst war der Westen dran: Ein Ausflug ins Zigarren-Tabakland, in die Cuhiba-Geheimkammern, in denen niemand fotografieren oder filmen durfte, wo die Blattsortierer, -schneider und -roller, eng aufgereiht, am Werk waren – den Betrachtungen, Bemerkungen und gelegentlichen Lachsalven der Besucher ausgesetzt. Dass hier eines der wichtigsten Exportgüter zum Leben fand, war angesichts des druckvollen, aber irgendwie puppenkistenhaften Aufeinandertreffens von Touris und Tabaceros nicht recht greifbar. Gerochen hat es dennoch gut.

Wir haben natürlich die Hemingway-Runde mitgemacht, wir haben die Villa des Schriftstellers besichtigt und bei Cojímar nicht nur an ihn, sondern auch an die vielen Flüchtlingen gedacht, die von hier aus – legal oder illegal – auf tausenden, selbst zurecht gebastelten Flößen in Richtung Florida abfuhren. Da überkam einen glatt das zweifache Heulen, eines wegen der Ertrunkenen, ein anderes wegen der noch immer prekären Lage im Land.

Bei aller Emotion: Der Versuch, Kuba einfach zwischen links und weiter rechts anzusiedeln, misslingt natürlich. Wer Land und Leute verstehen will, muss sicher für Jahre dort leben, Zugang zu Regierung und Systemkritikern haben und dennoch die eigene Unabhängigkeit bewahren. Doch auch dann, wenn man glaubt, fündig geworden zu sein, muss man eines wissen: Unsere Auffassungen über die rote Insel sind entweder gar nicht oder wenig gefragt. Kuba war fast immer auf sich selbst gestellt bzw. sich selbst überlassen – im Leid ebenso wie in leidvoller Befreiung. Allenfalls die fünfzehn, sechzehn Jahre, die Kuba im Verbund mit dem Ostblock verbrachte, haben die Rosskur kurzzeitig unterbrochen. Mit dem Sturz des Sozialismus begann dann das neue, moderne Elend: Zuckerwasser, gemischt mit „haben wir nicht“.

Niemand von außerhalb, schon gar nicht der unbedarfte Tourist wird begreifen, was diese Menschen ausmacht, anfüllt und ausfüllt. Das Bewusstsein, Jahrhunderte lang gelitten, sich jahrhunderte lang befreit und bis heute nicht wirklich gesiegt zu haben, zementiert die Sinne. Fidel Castro und die Seinen haben das mitbestimmt, haben das Unterste nach oben gekehrt und weiter gedacht. Sie haben Großartiges für die Menschen geleistet, durch sinnlose Enteignungen, Reglementierung und Gleichmacherei aber auch vieles zerstört. Doch auf die Not dieses Beieinander muss sie niemand aufmerksam machen. Kubaner wissen selbst, wie groß die Kröte ist.

Wenn von Kuba und Revolution die Rede ist, ist diese Stadt, ist Santa Clara nicht wegzudenken. Hier triumphierte Che Guevara über die Truppen Batistas, und hier ist Ches Leichnam bestattet. Sein Memorial mögen manche für martialisch halten. Ich fand, dass genau das hier hingehörte.
Im Innern des Baus war ich nicht minder berührt. Jo fand neben den Wandplatten von Che und Mitkämpfern auch den Stein für Tanja, die einzige Frau, die hier mitmischte. Hasta Siempre Comandante tönte es in mir, und ich hielt inne.
Und dennoch: Vieles, was mit der Revolution nach Erfüllung geschrien hatte, ist bis heute nicht ausbuchstabiert. Der neue Mensch, den Che formen wollte, dieser Mensch ist auch jetzt noch Fiktion. Che muss vergessen haben, dass selbst kleine Veränderungen im menschlichen Erbgut der Jahrhunderte bedürfen. Oder er hat die Erkenntnis einfach in den Wind geschlagen. Wir aber wissen: Kulturelle Evolution läuft nicht im Jetstream und schon gar nicht durchs Wurmloch. Und das Ergebnis ist … immer offen. Folglich muss der Kampf um mehr Mensch und Gerechtigkeit mit dem geführt werden, was da ist. Das setzt großen Wünschen und Erfolgsquoten abrupte Grenzen. Ob der brauchbare Rest für eine neue, bessere Welt reicht, wird sich zeigen.

Ich hatte im Guayanara-Nationalpark so etwas wie Tarzans Urwald erwartet. Ein Irrtum. Hier gab es weder Mangroven noch Lianen, und feucht-heiß war es auch nicht. Dafür schossen zahllose Bäume und Sträucher auf, türmten Wände und spannten ein undurchdringliches Netz aus Grünstich. Auch das imponierte. Der Pfad, der durch die Wildnis führte, war oft extrem schmal, und die Bachläufe mussten auf Baumstämmen überquert werden. Überall waberten Ruhe und Spannung gleichermaßen, überall gab es Sauerstoff und die Möglichkeit, abzuschalten.
Wir sahen Kaffeestauden, Bambus und gefiederte Palmen, stiegen durch Höhlen, spürten Kolibris und Tocororos nach und folgten den Blüten, die rot, weiß und gelb unseren Weg säumten. Der Park wird stark bewandert. Menschen aus aller Welt trampelten vor sich hin, badeten am Fuße der Wasserfälle und strömten zu Hunderten in die Talsenke. Das alles tat gut und war angesichts der vielen Bussitzerei mehr als erfrischend. Wäre da nicht der blöde Tourismus gewesen – dem wir natürlich selbst anhingen.

Die Winter-Abende auf Kuba beginnen früh. Gegen achtzehn Uhr ist es schlagartig dunkel. Was nicht heißt, dass dann alle Lichter angehen. Hier und da bleibt es finster, woanders springen Lampen an, um zu leuchten oder gleich wieder auszugehen, und nur an den zentralen Punkten der Städte herrscht gleißende Helle. Wir hatten von Strom-Abschaltungen gehört. Es hieß, dass die Energie knapp sei. Doch als wir unterwegs waren, gab es zwar diese und jene dunkle Straße, aber nirgendwo Blackouts. Gleichwie: Die Versorgungsleitungen mit ihren abenteuerlich aufgehängten Trafos und Isolatoren erinnerten mich an die USA. Alles ist querbeet – ohne sichtbare Zuordnung – verlegt und immer mal Opfer von Hurricans. Auch „sandy“ hatte hier schwer reingeschlagen.

In Santiago waren Jo und ich privat untergebracht, in zwei Reihenhäuschen an der Hartman-Straße. Bei mir ging es seltsam zu: Sobald ich klingelte, öffnete eine dunkelhäutige Frau mittleren Alters. Sie ließ mich ein, und das war es. Denn sprechen konnten wir nicht miteinander. Sie verstand kein Wort englisch, ich kein spanisch. So tippelte sie vor mir her – den langen, mit geöffneten Fenstern versehenen Gang entlang – bis ans hintere Ende der Wohnung. Dort fand sich eine ältere, gehbehinderte Frau. Ihr linker Fuß lagerte auf einem Schemel. Diese Frau lächelte und winkte flüchtig, als ich eintrat. Ich gab diese Gesten etwas hilflos zurück und verschwand dann in meinem Zimmer. Das Ganze wiederholte sich mehrmals an diesem Tag – weil wir stramm unterwegs waren und immer mal Pausen brauchten.
Als ich abends auftauchte, konnte ich die Haustür selbst öffnen. Ich trat ein und fand alles beim Alten. Wieder saß die Frau mit geliftetem Fuß, und erneut winkte sie. Mich nervte das etwas. Deshalb verschwand ich, diesmal ohne ihr Zeichen zu erwidern, sehr umgehend in meiner Kemenate. Nahm dann aber doch etwas Seife und die Flasche Eau de Toilette, die ich mitgebracht hatte, um beides – quasi in Rückwärtsgang und -besinnung nach hinten zu schaffen. Die Frau lächelte, als sie die Präsente sah, nahm sie entgegen und gluckste etwas. Irgendwie machte sie dann Zeichen und kramte ein paar englische Brocken hervor: Girl … fuck … Girl … fuck? Und mit einer unsteten, obzönen Bewegung unterstrich sie: fuck, fuck? Ich glaubte Augen und Ohren nicht zu trauen, aber sie bot mir an, etwas für die Nacht zu besorgen. „Gracias“, sagte ich stockend, grinste etwas gequält und zog mich langsam, aber bestimmt zurück.

Jo und ich – wir haben uns bei Siboney dem US-Stützpunkt Guantanamo bis auf wenige Kilometer genähert. Nicht dass wir ihn unmittelbar ansteuern wollten, nicht, dass es der Grenzzäune bedurft hätte. Mir genügte das Gefühl, ganz in der Nähe zu sein. Dieses unbestimmte Stechen zu spüren – unweit und dann inmitten der Seele.

Kuba ist hinreißend. Das hat mit seiner Geschichte, der teils leidvollen, teils stimulierten Zuwanderung von Menschen, dem daraus erwachsenen freundlichen Naturell der Bewohner, das hat mit Kolonialbauten, aber auch mit diesem Schuss Sozialismus zu tun. So etwas gibt es woanders nicht. Oder haben sie jenseits von Kuba schon mal einen schwarzen Moskwitsch-Fahrer mit leuchtend grünen oder asiatisch geformten Augen gesehen?

Havanna, Trinidad, Camagüey und Santiago beeindruckten mit ihren Sehenswürdigkeiten. Das Land dazwischen mit reicher Vegetation, Fuhrwerken und bäuerlicher Idylle. In den Städten luden Kneipen, Restaurants und tausende von Verkaufsständen zum Verweilen ein. Das Angebot auf den Straßen war bunt und vielfältig. Die kleinen Händler führten vieles, was das Herz begehrte – vom Holzdomino über Hähnchenschenkel und belegte Brötchen bis hin zu Handy und Notebook. Vieles davon gab es nur für CUCs, die konvertible Zweitwährung des Landes. Eben das brachte und bringt die Menschen zunehmend auseinander. Denn die einen haben sie, die anderen nicht.

In Santiago, in der Casa de la Trova schließlich der Höhepunkt. Josés hatte uns abends dort eingeschleust. An den Türwächtern vorbei – durch das große Doppeltor und die Treppe hinauf. Der Saal oben war mit Touristen bereits vollgestopft. Sie kauerten an Vierertischen, gestikulierten oder starrten in die Runde. Wir selbst kamen am äußeren Seitenflügel zum Sitzen. Wir konnten so nicht nur den vorderen Teil des Saales, sondern links durch die Balustrade hindurch auch Kubaner sehen, die ebenfalls nach oben wollten – das aber wegen der Türsteher vergessen mussten.
Etwa zehn Minuten vergingen. Dann setzte – quasi aus dem Nichts – ein ohrenbetäubendes Spektakel ein. Sorry! Aber zunächst kam nur das an bei mir: Fünf bunt bekleidete Typen, die gnadenlos auf die Holzdielen eintraten, sich quasi aus dem Stand in Rage brachten und wie irre auf Gitarren, Bongos und Guiros einschlugen. Es trommelte, schabte, zirpte und trompetete, dass der Boden zitterte und die vorn Sitzenden erschreckt in Deckung gingen.
Damit nicht genug. Der Sound schwoll an, ja, es schien, als würde das, was schon dröhnte, völlig frei drehen. Die Fünf sprangen, tanzten stakkato auf der Stelle oder rundeten auf. Ihre Instrumente vollführten Sprünge, die atemlos machten. Alles rührte, klopfte, riss und trötete, bis der SON, der Inbegriff dessen, was kubanische Musik so ausmacht, endlich gar war.
Unvermittelt tauchten zwei Tanzpaare auf – zwei hoch geschlossene Kleider, dunkel und geschlitzt und dazu ihr Pendant: enge Hosen und weiße Hemden – mit Kragen, die zuweilen aufblitzten. Irgendwo auch ein Hut – zumindest anfangs. Ich fand das sportlich. Doch was da mitschwang, war mehr als Judo und Bodenmatte. War Ekstase, Wildwuchs und ein Stück hemmungslos. Wirbelnde Körper, Kreise mit unbekannten Radien, ein Drehen und Schieben – erst nach oben, dann ab in die Tiefe. Doch nicht wirklich auf die Bretter, immer haarbreit über dem Dielenboden, niemals abgeschnitten, voneinander gelöst. Immer wie durch Fäden verbunden, gezogen, gestaucht oder sonst wie gebogen, aneinander gepresst, seltsam ineinander verrieben oder sonst wie. Die Figuren waren atemberaubend, in Tempi erbracht, die undenkbar schienen und doch im Takt ihr Biegen, Verdrehen und fassungslos fanden.
Ich habe nie zuvor und nirgendwo auf der Welt Vergleichbares gesehen. Die Luft brannte förmlich, und die Anwesenden sprangen auf, wippten mit Knien und Füßen und trommelten, was das Zeug hielt. Es war eine Höllenstimmung, die nur zweimal nachließ, als die Band Pause machte.
Einfach unglaublich: Die Casa de la Trova war das Verrückteste, was mir jemals begegnet ist. Schließlich auch der Ort, wo uns die Prostituierten anmachten – mit aller Frechheit, diesem Augenaufschlag und ordinärem Getue. Eine der Jeniteras – es waren bestimmt diese berüchtigten „Reiterinnen“ – rieb ihre Hot Paints an und über meiner Stuhllehne, und Jo hatte Mühe, die hässlichste der drei nachrückenden Gestalten abzuwehren. Mit je einer drehten wir uns dann doch beide, weil die Mädchen einfach nicht abließen – und wir selbst glaubten, sie nach einem der Tänze abschütteln zu können. Das Gegenteil war der Fall. Kaum, dass die Musik aussetzte, drängelten sie erneut vor, schoben uns vor die Tischreihe und zeigten in die Mitte des Raumes. Das führte unweigerlich an die Bar, und wir wussten schon: Es ging um CUCs und Mojitos. Auf beiden Baustellen mussten wir bluten und dabei mehrfach nachlegen. Erst als José laut brüllte und mit beiden Händen Richtung Ausgang fuchtelte, war der Spuk zu Ende.

Wir haben in den fünfzehn Tagen auch die Atlantik-Hotels in Guardalavaca erlebt: Traumstrände, bunte Hotelanlagen, Restaurants, Bars und Belustigungsprogramme bekannter Spielart. Die Erinne- rungen daran sind schnell verflogen, weil badende und herumturnende Kanadier oder saufende Briten nichts Besonderes waren. Dort zwischen den streng gepflegten Anlagen, den meist fetten und hässlichen Touris und den überfüllten Büfetts war Kuba fast out. Was blieb, war die Kopie des touristischen Wahnsinns, der weltweit brandete.
Als zwei Tage um waren, hatten wir genug und hofften, dass auch der letzte Akt, die Taxifahrt zum Flughafen Holguin planmäßig verlaufen würde. Nun, das Taxi landete da, wo es nicht erwartet wurde, und wir verloren vierzig Minuten. Dann aber bretterte der Fahrer ans vorletzte Ziel.

Auf Kuba kann man viel verpassen. Wir hätten Buchhandlungen, ein Krankenhaus und eine Universität besuchen, wir hätten eine Sporthalle oder die Brigade José Martí aufsuchen müssen. Wir haben es versäumt, die afro-kubanischen Santería oder eine der vielen anderen Religionen kennenzulernen. All dies passte nicht in’s schmale Programm. Auch die Sprachbarriere haben wir nur indirekt aufbrechen können. Manche Gelegenheit zu Information und Kommunikation ging so verloren. Dennoch sind Jo und ich nicht unglücklich. Immerhin verbrachten wir sechs Stunden mit acht Kubanern und einem englisch sprechenden Spanier, überbrückten eine Busreparatur mit vier Sängern aus Trinidad, gondelten mit einem Professor für deutsche Literatur umher und interviewten Miguel, den Ingenieur. Natürlich könnten wir auch von der Tschechin erzählen, die von Kuba nicht los kommt, sprich: zweimal im Jahr dort ist, in Guardalavaca ein Pferd stehen hat und am Touri-Pool immer mal ihre Che-Tätowierung frei legt. Doch was soll das?
Natürlich haben wir auf Kuba vor allem das gesehen, was wir sehen sollten. José hat vor allem Juwelen präsentiert: Museen, Paläste, Friedhöfe, Memorials, Amischlitten, Zigarren und Rum. Der Zaun dahinter war hoch, und wer über ihn hinweg schauen, ja vielleicht hinwegsteigen wollte, musste mehr tun als im Bus hocken. Wir haben das täglich versucht – mit unterschiedlichem Erfolg. Vor allem unsere privat organisierten Ausflüge – die in Santiago und Guardalavaca – waren hoch spannend. Wir wollten natürlich im kubanischen Alltag ankommen. Manchmal gelang das, aber nie so, dass wir wirklich mitlebten.

Wir fuhren in der Hauptstadt durch St. Miguel, saßen in Havanna und Camagüey auf belebten Plätzen, wir streiften über Bauermärkte, wo die Schweine halbiert über den Ladentisch gingen und die Hunde vom Maismehl verjagt werden mussten. Wir zogen mit privaten Guides durch Santiago, schlichen zwischen Plattenbauten umher und starrten in offen stehende Wohnungen.
Ich filme und fotografierte, was Linsen und Speicher hergaben. Niemand nahm das übel. Im Gegenteil: Viele der Leute posierten und lachten – ohne gleich CUCs zu fordern. Auch wir versuchten freundlich zu sein, wo immer das angebracht schien. Und waren doch erschrocken, weil die deutsche Brille so fest saß.
Wir haben in kein Gefängnis geschaut und niemand befragt, der in Not war. Wir hörten keine Polizeisirenen und sahen niemanden fliehen. Kuba gab sich äußerlich ruhig, sonnig und meist malerisch. In die Menschen hineinschauen konnten wir nicht. Mehrheitlich betrübt schienen sie jedenfalls nicht – so wie das Joani Sanchez, die vom Westen hofierte Bloggerin, suggerieren möchte. Aber frei und unbeobachtet eben auch nicht. Carlos, mein kubanischer Freund, brachte es später auf den Punkt: Auf Kuba wird viel diskutiert, die freie Rede aber ebenso oft beschnitten. Es wird denunziert, es wird überwacht. Immer wieder geschieht es, dass Fachleute von Partei-Idioten geduckt werden und Erfolgsmeldungen bloßes Papier bleiben. Parallel dazu gibt es – quasi aus dem Stand heraus – ein Kontrast- programm: innerhalb von wenigen Monaten 430.000 private Unternehmen, das Breitband-Internet und Reisefreiheit. All das schlägt irrational – mal brutal, mal freundlich – aufeinander. Es trübt Sichten und Einsichten. Wir Touris sind auch im Nachhinein einfach nur baff.

Die Situation vor dem Flughafen war überschaubar. Nichts deutete darauf hin, dass irgendetwas nicht klappen würde. Was mich störte, waren die Toiletten am Eingang. Sie waren winzig und zu schmal für das fällige Auspellen und Umziehen. Und dass ein Mädchen an den Pissbecken Klo-Papier austeilte, war alles andere als berauschend. Aber egal. Sehr viel schlimmer war der Heimflug. Der Mittelplatz in der Condor war so eng, dass sich alles in mir verformte. Ich konnte meine Position kaum ändern, war zwischen den Nachbarsitzen eingeklemmt und aufs Verrecken in diese Lage verbannt. Und das für neunhundertsiebzig Euro. Zweimal lief ich auf dem Gang umher. Aber das änderte wenig. Ich fluchte und dachte genervt: Scheißabschluss. Später in Frankfurt standen wir siebzig Minuten am Gepäckband, waren stinksauer und verpassten den Anschlusszug. Aber das – Gott sei Dank – war schon Deutschland.

Kuba – etwas unkonventionell analysiert. Wer Kuba durch deutsche Filter sieht, wird schnell monieren, dass es auf der Insel zwar Sonne und Wind, kaum aber Solardächer, Windräder und Meerwasserentsalzungsanlagen gibt. Richtig ist, dass die alternativen Energien trotz hoher Ausgaben für Öl und Gas unterrepräsentiert sind. Doch jeder, der Kuba etwas intensiver durchforstet hat, weiß auch, dass die knappen Devisen zunächst für die Grundversorgung (auch im Bereich des Tourismus) zur Verfügung stehen müssen. Jede qualitative Umstellung kostet Kraft, erfordert, dass der Staat in Vorleistung geht, subventionieren muss und dann erst spät erntet. In anderen Entwicklungsländern ist die Situation ähnlich schwierig. Würde der US-amerikanische Boykott aufgehoben, gäbe es eine großzügigere Hilfe der entwickelten Länder und mehr Anstrengungen im kubanischen Establishment – die Situation wäre sicher eine andere.
Kuba soll fast 80% seiner Lebensmittel importieren. Das begreift niemand. Glaubt doch jeder, dass im Inselstaat mindestens zwei Ernten pro Jahr eingebracht werden könnten. Dem Besucher fällt beidseits der Magistralen nicht auf, dass viele Äcker brach liegen. Er sieht die endlosen Zuckerrohrfeldern (vor allem im Osten des Landes), viele Rindern sowie Tabakplantagen, Mango- und Bananenfelder. Die wahre Situation fällt auch deshalb nicht auf, weil genauso ausladende Felder des schwer ausrottbaren Unkrauts ‚Marabú’ die Straße säumen und dabei den Eindruck erwecken, als seien auch sie Bestandteil eines gewollten Konzeptes.
Glaubt man den zahlreichen, sehr unterschiedlichen Verlautbarungen, dann ist der staatliche landwirtschaftliche Sektor seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten in der Schieflage. Das dürfte am schlechten Image des Bauern ebenso liegen wie an unzureichende Anreizen für die Produktion, an der extensiven, sprich: Rohstoff- und Ressourcen fressenden Art zu wirtschaften. Vielfach, so heißt es, sei die Zuckerproduktion auf Teufel komm raus intensiviert worden – ohne dass es ausreichende Instandhaltung, geschweige denn technologische Neuerungen gab. Diese Lage muss und wird sich ändern. Wobei nicht nur Glaubenssätze aufgegeben, sondern Eigentumsstrukturen sichtbar verändert werden müssen. Kuba muss sowohl eine nachhaltige Biowirtschaft/Agroforstwirtschaft aufbauen (da gibt es möglicherweise interessante Vorbilder in Afrika http://www.arte.tv/de/zukunft-pflanzen-bio-fuer-9-milliarden/6815836.html) und private Initiativen fördern. Erst Schritte in diese Richtung wurden schon vor Jahrzehnten unternommen – mit der Gründung von Genossenschaften. Doch eigenständig wirtschaften und frei von der Zentrale agieren, konnten diese bisher nicht. Erst seit ein paar Monaten, erst seit der Staat auf die Kontrolle interner wirtschaftlicher Vorgänge verzichtet und auch Privatbauern stärker fördert, scheint eine Wende in Sicht. Kuba hat sich hier mehr als schwer getan, weil gerade diese Veränderungen (und Konzessionen an den Kapitalismus) mit den Grundsätzen des Sozialismus nicht vereinbar schienen. Heute ist die Frage „Wieviel Kapitalismus ist im Sozialismus tragbar?“ von entscheidender Bedeutung. So wichtig wie Markt und Kapital für den Aufschwung auch sein mögen, sie dürfen – so das heutige offizielle Votum – die kubanische Gesellschaft nicht dominieren. Deshalb heißt es, vorsichtig reformieren und die Zügel in der Hand behalten. Wenn die Castros ihren gravierendsten Fehler – die Enteignung der kleinen Handwerker, Bauern und Gewerbetreibenden – korrigieren, dann lässt das hoffen. Diejenigen Unternehmer, die heute sogar mehrere Angestellte beschäftigen können, spüren förmlich die Herausforderung. Jetzt kommt es darauf an, die aufkeimenden Impulse zu fördern – nur eben so, dass es nicht neuerlich zu Verzerrungen kommt. Es geht vor allem um mehrere Anbieter in möglichst vielen Bereichen, also um fairen Wettbewerb, damit mehr Versorgung bei weniger punktuelle Bereicherung zustande kommt. Dass größer werdende Unternehmen mit mehr Beschäftigten stärker besteuert werden müssen als kleinere, liegt da auf der Hand. Wie überhaupt die Einführung sinnvoller Steuern mehr als wichtig ist. Seit einigen Wochen wird auf dieser Strecke intensiv gearbeitet. Und das ist auch nötig, weil die Steuer stimulieren muss statt wie bisher alte Zöpfe zu bewahren. Jetzt geht es um behutsamen Wandel, die Belohnung effektiv erbrachter Leistungen und verbesserter Qualitätsmerkmale. Nur wenn das Niveau in allen wichtigen Bereichen – vor allem aber der Landwirtschaft – steigt, ist eine grundlegende Verbesserung der wirtschaftlichen Lage Kubas möglich.
In den westlichen Ländern wird die kubanische Gesundheitsversorgung – wo immer es geht – diskreditiert. Vor allem deshalb, weil sie einem anderen – den Profit verachtenden und damit bedrohlichen Verfahren folgt. In einem einschlägigen Fachartikel liest man u.a. : Das Gesundheitsmodel (MGI) beruhe vor allem auf Prävention (also Gesundheitsvorsorge) und schneller Behandlung, wobei nicht – wie im Westen – immer weniger sondern mehr Zeit für die Patienten aufgewendet werde. Was extrem leicht falle, weil der Arzt die „Kunden“ in seinem Umfeld kenne und regelmäßig mit ihnen korrespondiere. Hinzukomme die Anwendung traditioneller Heilmethoden, eine gute psychische Betreuung usw. Während die USA beispielsweise darauf setzten, für jede Erkrankung ein neues Medikament zu finden (um damit das große Geld zu machen) und in der Folge ein zweites bräuchten, um die Nebenwirkungen des ersten auszuschalten (damit ist dann die zweite Tranche Geld fällig), würde in Kuba sehr viel mehr auf natürliche Heilverfahren gesetzt. So gelinge es, mit etwa 4% des in den USA üblichen Aufwandes Lebenserwartung (durchschnittlich 78 Jahre) und Säuglingssterblichkeit auf vergleichbarem Niveau zu halten. In Ländern der Dritten Welt sei die kubanische Methode ebenso erfolgreich wie im Inselstaat selbst. Auch hier werden die sozialen und kulturellen Bedingungen, unter denen Kranke existieren, Teil des Gesundheitsplans. Die kubanischen Ärzte, die weltweit – vor allem in Entwicklungsländern – arbeiten, sind sich sicher, „dass die meisten Leben durch präventive Medizin, vor allem durch richtige Ernährung und Hygiene gerettet werden und dass traditionelle Kulturen ihre eigene Wahrheit des Heilens besitzen.“ Diese Herangehensweise unterscheide sich grundlegend von der des Westens, der empfangende Länder in der Regel zu dominieren suche und zur Übernahme des westlichen Gesundheitsmodells dränge. Man finde hier ähnliche Abhängigkeiten wie sie seit Jahrzehnten aus der Nahrungsmittelhilfe bekannt
seien.
Die kubanische Medizin hat sich über diese allgemeine Strategie hinaus auch auf wichtigen Forschungsfeldern einen Namen gemacht. So ist sie mit führend bei der Pränataldiagnose, sprich: bei der Vorausbestimmung von angeborenen Erkrankungen, bei der Blut-Zertifizierung (betr. Blutspenden), im Kampf gegen den Bluthochdruck sowie gegen Krebs und Aids.
Was die Bildung betrifft, so geht der Inselstaat auch hier mit gutem Beispiel voran. Sämtliche Ausbildung ist auf Kuba kostenfrei. Sie steht deshalb jedem Bürger – unabhängig von seiner sozialer Herkunft, seinem Geschlecht und seiner Hautfarbe zu, sprich: Zweiklassenbildung ist ebenso wie Zweiklassenmedizin ein Fremdwort. Unter den Castros erlebte das Land eine Alphabetisierung (99%), die nicht nur in Lateinamerika, sondern in der gesamten Dritten Welt ihresgleichen sucht. Besonders auffällig ist die große Anzahl gut ausgebildeter Ärzte, Agrotechniker und anderer Wissenschaftler – auch in so neuen Branchen wie beispielweise der Nanotechnik.
Kuba verfügt über eine grundsolide Substanz, was Gesundheit und Ausbildung seiner Bürger angeht. Was offenbar fehlt, ist der Mut, den Bürgern mehr Informationsfreiheit zu gewähren. Hinzu kommt eine massive Unsicherheit. Niemand weiß schließlich, wie weit das System – ohne selbst Schaden zu nehmen – geöffnet werden kann und wie es gelingen könnte, den Grundwiderspruch zu lösen: Immerhin müssen Reformen unter stabilen politischen Bedingungen stattfinden und von denen bewerkstelligt werden, die durch sie machtloser werden. Ich für meinen Teil hoffe auf ein neues, unabhängiges Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell, dass auf die restliche Welt ausstrahlen kann. Denn nur, wenn die Allmacht der Finanzmärkte und Global Player gesprengt wird, ist eine lebbare, nachhaltige Welt denkbar.
Fidel Castro im Februar 2002 gegenüber dem US-Regisseur Oliver Stone:
„Ich bin ein Diktator, ich bin mein Diktator und der Sklave meines Volkes …. Ich glaube, dass die Welt immer unregierbarer wird …. Es ist unmöglich, eine Weltordnung zu schaffen, die auf Gewalt basiert …. Man kann die Probleme der Welt nicht militärisch lösen.“
Literatur. Wir hatten – das erwähnte ich bereits – vor unserer Kubareise viel gelesen. Alles, was wir so in die Finger bekamen. Jetzt, sechs Wochen nach der Tour hat sich der Bücherstapel weiter vergrößert. Wobei sich auch das Spektrum des Lesestoffs beträchtlich erweiterte. Ganz bewusst habe ich dabei sowohl die „regimetreue“ als auch die „castrofeindliche“ Literatur in Augenschein genommen. Dabei ist mir klar geworden, dass es gemäßigte, also ausgewogene Einstellungen zum Thema „Kuba“ im Grunde nicht gibt. Die meisten Infos, die zum Inselstaat verfügbar sind, scheinen emotional aufgeladen, einseitig recherchiert, einseitig formuliert oder bewusst infam angelegt. Kein Wunder, dass sich hier die Polarisierung von Politik und Ideologie widerspiegelt. Die Castros haben im kolumbianischen Literaturnobelpreisträger García Márquez, in Nelson Mandela, Oliver Stone und vielen Linken dieser Welt feste Freunde, aber ebenso viele erbitterte Feinde.

Wer sich auf die von westlichen Medien verhätschelte Bloggerin Joani Sánchez einlässt, wird schnell mitbekommen, wie kontrovers das ist. Diese sogenannte oder auch Dissidentin darf heute frei zugängliche Touristenquartiere aufsuchen und ihren Blog „Generación Y“ nahezu unbehindert bedienen. Sie spricht selbst von 20 Ausreiseanträgen, die ihr abgelehnt wurden, war aber – im Gegensatz zu den meisten Kubanern – schon mehrfach in der Schweiz und in Spanien. Das pure Leid, das sie in ihrem Buch „Cuba libre“ entlang der schrecklichen „Sonderperiode“ sehr treffend beschrieben hat, war nur punktuell ihr Leid, sprich: nichts, was an ihrem Hier und Heute festgemacht werden könnte. Diese Frau mochte, als sie sich im Time Magazin entblätterte, tatsächlich nur zwanzig Cent in der Tasche gehabt haben. Wenig später waren es zweifellos hunderte Dollar und heute an die zweihundert- bis fünfhundertausend. Joani Sánchez, das versicherte uns Professor X, der uns in Santiago begleitete, ist eine Installation. Dazu eine Lügnerin, die ein Interview mit Obama vorgetäuscht, aber niemals geführt hat. Im Dezember 2012 wurde Sanchez zudem die Vizepräsidentschaft der in Miami angesiedelten castrofeindlichen Inter American Press Association (IAPA) angetragen. Einer solchen Frau zu vertrauen, ist m. E. unmöglich. Sie denkt amerikanisch und sie wird massiv von den USA unterstützt. Sánchez ist die vermutlich einzige Kubanerin, die über spezielle Software für den Internetzugang verfügt, deren Texte auf einem Server bei Regensburg (Fa. Strato/USA) gehostet und veröffentlicht werden und die darüber hinaus internationale Waren mit einem Paypal-Konto bezahlen kann (dem kubanischen Staat wird diese Bezahlvariante seit Jahren verwehrt). Warum wohl … ist das so?
Nein, die Sánchez ist die Frau vom anderen Ufer, sie ist die, die den Untergang des bestehenden politischen Systems herbeisehnt. Dennoch hat sie auf die Frage, was aus Kuba werden soll, keine Antwort: „Wie unser Land zu verändern wäre, weiß ich nicht“ („Cuba libre“ ).

Die Sánchez spricht in „Cuba libre“ vor allem drangsalierte Intellektuelle an, darunter auch den bekannten Autor Reinaldo Arenas. Mich interessierte der Mann und ich las sein autobiographisch angelegtes Buch „Bevor es Nacht wird“. Obwohl ich sofort Mühe damit hatte, grub ich mich ein in die Lektüre. Arenas, der sich 1990 in New York das Leben nahm, zuvor aber zahlreiche, im Westen hoch gelobte und mehrfach ausgezeichnete Romane verfasste, schrieb exzellent. Er schrieb im Fiber, in Angst vor Entdeckung und trotz vieler Verluste – manche Romane zwei und dreimal. Was er aufhäufte, scheint angesichts seines kurzen Lebens übermächtig, ist ebenso spannend und wortgewaltig … wie ekelerregend. Arenas ist als Homosexueller durch die Hölle gegangen. Dass er Castro dafür hasste, dass er Diskriminierung, das System der Bespitzelungen und seine (zweifellos grausame) Gefangenschaft anprangerte, ist mehr als verständlich. Am Ende seines Lebens war der Autor – obwohl mit internationalen Ehren überhäuft – ein einsamer und zutiefst kranker Mensch. Arenas war und blieb ein fanatischer Antikommunist. Er ist deshalb bei vielen Linken nach wie vor verfemt. Doch in Wahrheit saß und sitzt er zwischen den Stühlen, denn er hat das westliche Modell mit seiner Geldgier und Kälte nicht minder verabscheut.
Kein Wunder, dass Arenas zuspitzte, durchdrehte und überdehnte. Er schuf – nicht nur mit seinen Gefängniserinnerungen (El Morro, Havanna) – eine Aura des ständigen Eingesperrtseins. Die trifft Wesentliches, dürfte aber in ihrer Dichte die normalen Lebensumstände der Kubaner verfehlen. In seinem Roman gibt es keine Heterosexuellen, und schlechte Künstler/Literaten sind meist auch Verächter, Verräter und Denunzianten. Arenas bedeckt das Land mit einem Konvolut aus Erektion und Folter, wie es so einfach undenkbar ist und … Bagram, Abu Ghraib, Falludscha und Guantanamo glatt in den Schatten stellt. Ganz klar: Der Autor lebte und schrieb in einem Mix aus Angst, irrsiniger Wut und übersteigertem, ja krankhaftem Trieb. Wer mit Stolz erklärt, es bereits als kleiner Junge mit Hühnern, Ziegen, Säuen und Pferden getrieben zu haben, wer sich rühmt, mit fünfundzwanzig Lenzen fünftausend Männer gebumst zu haben und diesen Eskapaden hundert oder zweihundert Mal detailliert und genüsslich ausbreitet …, wer davon träumt, dass die Castros einschließlich ihrer Mitläufer irgendwann an den Bäumen des Zentralparks von Havanna aufgeknüpft würden und … all das andere, ebenso Existierende ausblendet, ist zutiefst gestört. Arenas war ein hyperaktives Gespenst, dass nur ein Ziel kanntet: das System an sich mit dem Verbrechen gleich zu setzen. Meist aber rechnet der Autor nach außen hin ab – mit den Landsleuten : „Zwei Haltungen, zwei Persönlichkeiten scheinen in unserer Geschichte im Streit miteinander zu liegen: die des unbeirrbaren Rebellen, der die Freiheit und damit alles Schöpferische, jedes Experiment liebt, und die des Opportunisten und Demagogen, der stets nur die Macht will und darum das Dogma, das Verbrechen und den schäbigen Ehrgeiz hervorbringt.“ („Bevor es Nacht wird“). Und an anderer Stelle heißt es: „Ich glaube, es gehört zum Wesen der Kubaner, Krach zu machen; das scheint ihnen angeboren zu sein und gehört auch zu ihrer exhibitionistischen Veranlagung; sie können nicht still genießen oder leiden, immer müssen sie die anderen stören.“ Weiter unten fällt er das härteste seiner Urteile: „Denunziation ist etwas, was die allermeisten Kubaner tagtäglich praktizieren.“
Auch an anderer Stelle lässt sich Arenas zu haltlosen Äußerungen hinreißen. So meinte er z. B., dass die Revolution ohne rechte Kämpfe, Mühen und Opfer über die Bühne gegangen sei, Dass Kuba den Guerilleros quasi schlachtreif in den Schoß fiel. Des Autors Wut war so groß, dass er selbst Flugzeugentführungen für ein legitimes Mittel hielt, Castro und seinem Clan zu schaden.
Alles in allem war der fähige Schriftsteller Reinaldo Arena ein armer Hund, der schließlich fern der Heimat – im kalten, uninteressierten New York – jämmerlich zu Grunde ging. Buch und Film „Bevor es Nacht wird“ – oben bereits erwähnt – spiegeln sehr eindrucksvoll sein zwiespältiges Leben.

Professor X. hatte mir empfohlen, vor allem zwei Kuba betreffende Bücher zu lesen: „Das tägliche Nichts“ von Zoe Valdes und „Der lange Abschied von einem Mythos“ von Hans-Jürgen Burchardt.

Die Publikation der Valdes habe ich mir zuerst vorgenommen. Eine wirklich spannende, gut geschriebene Lektüre – glaubwürdig und deprimierend zugleich. Dass Valdes verschiedene Geschichten aus der „Sonderperiode in Friedenszeiten“ (Schwerpunkte: 1990 – 1994) an der allgemeinen Ödnis, an ihren erotischen Abenteuern aufzieht, ist legitim (im Kapitel acht aber eher widerlich/aufdringlich), begrenzt aber auch ihre Sicht und Aussage. Wie viele andere Intellektuelle ist sie (objektiv) nicht in der Lage, die politische Dimension der damaligen Verhältnisse zu bewerten und im Buch unterzubringen. Sie wollte es sicher auch nicht.
Wir wissen, dass Cuba damals – quasi schlagartig – von allen Wirtschaftsverbindungen zur Sowjetunion und zum Comecon (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) abgeschnitten wurde und darüber hinaus dem Embargo der USA ausgesetzt war. Jammern und Kritik am System, das ohnmächtig vor sich hintaumelte, reichen da m. E. nicht. Hier fehlt die Ausgewogenheit. Möglich, dass die erlittenen Verletzungen eben diese nicht zuließen. Ähnlich wie Reinaldo Arenas möchte die Autorin alles Bestehende zertrümmern. Dabei hatte ihr die kubanische Regierung noch ermöglicht, in Paris bei der UNESCO zu arbeiten. Nun, irgendwann blieb sie dort. Flucht aus dem System ist – gerade für Kubaner – die zweitschlechteste Lösung. Heute sitzt die Valdes in Paris und dreht weiter am Rad. Was sie kürzlich bei ARTE äußerte, hat sie – zumindest in meinen Augen – disqualifiziert http://www.arte.tv/de/i-love-democracy-kuba-ohne-fidel-castro/7234894.html . Sie nannte Che einen Faschisten und die Kubaner, die vom System hervorgebracht wurden, Monster. Kubaner seien nach ihrer Auffassung nicht willens und in der Lage zu arbeiten, wüssten nicht, was Verantwortung ist und seien folglich auch nicht in der Lage, eine solche wahrzunehmen. Ja, sie wüssten nicht einmal was ‚ein Bürger’ sei. Eine solche Äußerung ist gerade heute, da sie in Kuba auf neue Kreativität und Ideen trifft, absurd. Natürlich sind auch Castro und das System Schuld daran, dass die Valdes ging und heute so auftritt. Es wäre sehr viel schlauer von den Regierenden gewesen, die Kritiker Ernst zu nehmen und in voller Aufmerksamkeit einzubinden – was natürlich politische Konzessionen vorausgesetzt hätte. Die aber gab es offenbar nicht.

Ein Buch völlig anderer Art, nämlich ein Sachbuch, ist das von Hans-Jürgen Burchhardt verfasste: „Kuba. Der lange Abschied von einem Mythos“. Es ist nicht mehr ganz „frisch“, dieses Buch, beinhaltet aber die für meine Begriffe scharfsinnigste und auch tragfähigste Analyse. Burchhardt nennt schonungslos Ross und Reiter, wenn er die Geschichte Kubas durchforstet, bleibt dann aber nicht an Schwarz-Weiß-Malerei hängen, sondern versucht die Komplett-Betrachtung. Dabei ist er sachlich und vermeidet schädliche Polemik. Für ihn ist das, was bisher auf Kuba geschah, Geschichte, Geschichte, aus der man lernen kann, die veränderbar ist und folglich auch in eine aussichtsreiche Zukunft fortgedacht werden kann und … soll. Burchardt setzt sich ausführlich mit allen wichtigen Themen auseinander, wobei er versucht, die Widersprüche am Wegesrand aufzudröseln. Er sieht durchaus Chancen für eine Öffnung des Inselstaates, weiß aber um die damit verbundenen Konflikte und Risiken. Er ist es, der den entscheidenden Satz prägt: „Der grundlegende Widerspruch eines staatssozialistischen Reformprozesses besteht darin, dass die Reform von Leuten bewerkstelligt werden müsste, die durch sie ihre Macht verlieren.“ Öffnung bedeutet nicht nur die Revitalisierung des brachgelegenen kleinen und mittelständischen Gewerbes, Joint-Venture-Unternehmen und die Entschärfung/Beseitigung des Geld-Dualismus, sondern auch Aufgabe von zentraler Macht. Hier gelte es, die richtige Balance zu finden. Markt und Eigentum/Vermögen sollten im System gebührend Platz finden, dieses System aber an keiner Stelle und zu keinem Zeitpunkt dominieren. Ob so ein Konstrukt funktioniere – so Burchardt weiter – wisse niemand, weil es dazu weltweit keine Erfahrungen gebe. Kuba verfüge darüber hinaus über keine zusammenfassende Entwicklungsstrategie. Ohne die gehe es aber nicht.
Der Autor ist sich bewusst, dass die Führungsriege in Havanna den Zusammenbruch ihres kleinen Imperiums fürchtet, sobald sie dem Kapitalismus zu viel Platz einräumt. Diesen Breakdown will auch der Autor nicht, denn ein AUS würde auch das Aus für die Errungenschaften der Inselrepublik bedeuten. Es brächte die Vernichtung des Sozialstaates und die Auslieferung des Landes an internationale Märkte und Konzerne: Las Vegas, Zwangsprostitution und Meyer Lansky, kombiniert mit Bush jun. Eine schreckliche Vision. Doch zurück zum Buch: Der Autor unterbreitet eine Reihe von Vorschlägen für die künftige Entwicklung, wobei er die Modernisierung und Weiterentwicklung der Landwirtschaft (hier vor allem des genossenschaftlichen Bereiches), eine Pluralität der Eigentums- und Produktionsverhältnisse, ein funktionierendes, die Effizienz steigerndes Steuersystem, den Ausbau von Großhandel, Medizin, Wissenschaft und Tourismus in den Mittelpunkt stellt. Ganz wesentlich sei die Verbesserung der Devisensituation, die nicht allein von Zucker und Nickel abhängig sein dürfe – aber eben auch die Grundvoraussetzung für die notwendige Währungsreform ist. Erst wenn Devisen und dafür erwerbbare hochwertige Waren in ausreichendem Maße vorhanden seien, könne das duale Geldsystem aufgegeben werden.
Burchardt hält die kubanische Jugend, die weder Batista noch die Revolution verinnerlichen kann, für vorwiegend passiv. Ein Umstand, der sich ändern muss. Und noch eines stellt der Autor fest: Nur das, was der Armee untersteht, funktioniert wirklich. Das betrifft, wie wir auf Kuba erfahren haben, auch große Kaufhäuser, Tourismuszentren, Hotels und Museen. Ein etwas kursioses Gemenge, das hier zu Lande wenig einleuchtet. Aber … was soll’s? Das ist Sache der Kubaner und nicht unsere.

Das nächste, für meine Begriffe überaus sachliche Buch über Kuba hat Michael Zeuske geschrieben. Der Mann, der aus Rostok stammt, an der Uni in Leipzig war und heute in Köln lehrt, weilte mehrere Jahre auf Kuba. Sein gutes Einfühlungsvermögen verdankt er offenbar dem auf der Insel erworbenen Insiderwissen. Man spürt das, wenn man „KUBA im 21. Jahrhundert“ zur Hand nimmt.
Ich habe mit Zeuske gemailt und die Frage gestellt, ob das Buch auch in spanisch verfügbar sei und ob es in Kuba gelesen werde. Der Autor verneinte beides. Seiner Meinung nach fiele es vor Ort unter die Zensur. Die Antwort war für mich unverständlich. Sie zeigt aber auch, dass unsere, auf der Reise gewonnenen Eindrücke trügerisch sind. Eine 13-tägige, vor allem touristisch geprägte Reise scheint tatsächlich wenig geeignet, einen Gesamteindruck und damit auch Infos zu den Schattenseiten des kubanischen Lebens zu erlangen.
Zeuske hat die Historie Kubas m. E. sehr verständlich dargestellt und dabei auch die Missstände in den vorrevolutionären Regimes untersucht. Auf Menschenrechtsverletzungen nach 1953 geht Zeuske nur am Rande ein. Dabei sind Wissen und sachliche Kritik auch an dieser Stelle nötig, will man die Entwicklungsperspektiven Kubas auch nur annähernd ausloten. Natürlich schwingt in jeder Darstellung – ob von rechts oder links – Polemik. Die Exilkubaner hetzen. Und die kubanische Administration hält dagegen. Miami fordert die Freilassung von „Dissidenten“, Havanna die der widerrechtlich eingekerkerten Cuban 5.
Zeuske bringt dann auch viel Positives. Er schildert die unbestreitbaren Erfolge im Gesundheitswesen, die Bildungserfolge sowie die außerordentlichen Anstrengungen in der Entwicklungshilfe – vor allem für arme Länder. Was Kuba in diesen Bereichen trotz massiver eigener Probleme geleistet hat und noch immer leistet, ist enorm und kann durch abschätzige und z. T gefakte Verrisse nicht ernsthaft relativiert werden. Zeuske trifft die Stimmung. Er ist nüchtern und wie es scheint, immer dicht bei der Wirklichkeit. Glashart stellt er fest, dass es unter den Castros keine Diskussion über unterschiedliche politische Konzepte und damit auch keine totale Meinungsfreiheit, Pluralität der Medien und Parteien – so wie wir uns das vorstellen – geben kann und wird. Für jeden, der wie ich, das Experiment Sozialismus + wenig (untergeordneten) Kapitalismus mit Spannung verfolgt, ist das völlig klar – für andere Betrachter sicher inakzeptabel. Zeuske meint, dass sich Kuba auch künftig nicht an den alten und neuen Vorbildern orientieren wird. Weder das Modell des untergegangenen Staatssozialismus, noch eine chinesische oder vietnamesische Entwicklungsvariante kämen hier zum Tragen. Kuba bestehe auf völliger Eigenständigkeit und sehe seine Entwicklung ausschließlich mit Blick auf den derzeitigen ALBA-Verbund (Venezuela, Ecuador, Bolivien, Kuba).
Was die Zukunft des Inselstaates angeht, so ist sich auch Zeuske unschlüssig. Noch, so schätzt er, stehe die kubanische Bevölkerung zu 70 % hinter der Regierung.

Auch der ehemalige Botschafter der EX-DDR, Heinz Langer, hat zu Kuba publiziert. Sein Buch „Kuba – die lebendige Revolution“ ist interessant, m. E. aber eher ein Bewunder- als ein wirklich ernst zu nehmendes Sachbuch. Zwar räumt der Autor mit der unerträglichen einseitigen Berichterstattung westlicher Medien auf – aber nur, um diametral entgegen gesetzt für die Castros zu streiten. Klar: Langer hat als Botschafter bzw. Botschaftsangehöriger viele Jahre lang die Unterstützungsleistungen der Ex-DDR begleitet und so vor Ort viele Freunde gefunden. Doch hat er nicht auch Sorglosigkeit und überzogenes Vertrauen in ausländische Hilfsleistungen gesät? Wer derart lange DDR-Würdenträger und zudem intensiv mit dem kubanischen Regierung verbandelt war und ist, schwimmt auch heute noch oben – und ist schnell dabei, die Wirklichkeit zu verklären. Der Blick auf vorhandene Schieflagen – frühere wie heutige – dürfte dann häufig verloren gehen. Langer zögert vermutlich, sein volles Wissen auf den Tisch zu legen. Natürlich ist eben das problematisch – weil sich die Führungsriege des Inselstaates nicht reinreden, geschweige denn bevormunden lässt – auch nicht von einem Funktionär, der ein einstmals helfendes Land repräsentierte. Langer schleicht sich deshalb nur an und scheut jegliche Konflikte. Dabei müssten die Schattenseiten der Revolutions-Ära in aller Konsequenz ebenso angesprochen werden wie die Errungenschaften. Das aber schafft der Autor nicht. Vielmehr versucht er über ein Sammelsurium von Steigerungsraten, die niemand so recht verfolgen kann (meist fehlen die Basisdaten, auf die sich die Veränderungen beziehen, und gesicherte statistische Verläufe fehlen ganz), den nahezu unablässigen Aufwärtstrend auf der Insel festzuschreiben. Das kann und wird so nicht stimmen. Als guter Freund von Fidel müsste Langer etwas leisten, was das Vertrauen in kubanische Zahlen stärkt. Vor allem aber müsste der schwierige Weg, den Raoul Castro mit der gerade eingeleiteten Öffnung des Landes beschreitet, kritisch begleitet werden. Das aber dürfte aus den o.a. Gründen nicht oder nur sehr bedingt funktionieren.

Bleibt abschließend das Buch von Renate und Ulrich Fausten: „Helden der freien Welt“. Nun, diese Publikation liest sich wie ein satirisch aufgemachter Wutschrei. Das scheint in großen Teilen berechtigt, ist aber, wie sich schnell herausstellt, nur eine Seite der Medaille. Die Autoren spiegeln typische US-amerikanische Provokationen gegen Kuba, wobei sie Vorgehensweisen und Handlungen analysieren. Großen Raum nimmt dabei die Auseinandersetzung mit dem US-Embargo gegen Kuba (Schwerpunkt: Helms-Burton-Gesetz) ein. Das Hauptaugenmerk richten die Autoren jedoch auf die Enttarnung „eingepflanzter“ Dissidenten. Ihrer Recherche nach werden solche Leute auf Kuba implantiert, um beispielsweise Zeitungen herauszugeben, Literaturzirkel zu gründen, das Internet anzuzapfen oder illegale Rundfunksender zu betreiben. Hinter den Aktionen – so die Faustens weiter – stünden vor allem die USA, die brennend daran interessiert seien, Multiplikatoren für alle Formen der ideologischen Diversion zu schaffen. Unter der Flagge von Informations- und Meinungsfreiheit würden Büros finanziert, in denen willfährige – dabei oft unfähige – „Handpuppen des CIA“ ihren Dienst tun – oder eben nicht. Zweifellos wird in den USA permanent daran gearbeitet, den Inselstaat zu ertränken. Doch dass diese Formen der Unterwanderung wirklich fruchten könnten, wird im Buch ernsthaft bezweifelt (nur wenige Kubaner wissen schließlich um diese Provokationen). Gleichwohl bleiben die Ruhestörer ein Reizthema – vor allem dann, wenn immer mal Übeltäter enttarnt und eingesperrt werden. Dass westliche Medien gerade diesen Umstand nutzen, um Kuba in seiner Gesamtheit zu diskreditieren, ist bekannt. Das aufkommende Geschrei macht Furore und stärkt die Glaubwürdigkeit der Information, weil Leute tatsächlich hinter Gitter kommen und westliche Anwälte bemühen. Mit dieser Einschätzung, mit dieser Offenlegung der Mechanismen liegen Renate und Ulrich Fausten sicher richtig. Auch, dass sie unermüdlich für die Freilassung der Cuban 5 eintreten, ist gut nachvollziehbar. Hier gibt es einen klaren Rechtsbruch. Heute versammelt sich fast die gesamte Welt hinter der Forderung an die USA, hier endlich einzulenken. Aber selbst Obama ist (vielleicht willens, aber) nicht in der Lage, die Situation schnell zu ändern. Das betrifft natürlich auch Guantanamo, wo nach wie vor gefoltert wird.
Zweifellos lässt sich das Buch auch als Gegengewicht zu den Vorwürfen des Westens verstehen, der nach wie vor Menschenrechtsverletzungen auf Kuba anprangert. Sicher können diese Eingriffe – so es sie denn überhaupt gibt – mit den Horrorszenarien Reinaldo Arenas nicht verglichen werden. Ganz auszuschließen sind sie auch nicht. Allerdings sollten Kritiker in Rechnung stellen, was Amnesty International in ihrem Jahrbuch 2011 festgestellt hat: Kuba sei das Land in Lateinamerika, in welchem die Menschenrechte am ehesten beachtet würden.
Die Autoren, die mit ihrer Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba auch direkte Hilfe leisten, verfolgten mit ihrem Buch vorbehaltlos-solidarische Absichten. Sie sind damit einer Gesamtbeschreibung nur zum Teil nahe gekommen. Fortschrittlich denkende Menschen, die berechtigt Kritik üben und dazu aus eigenem Antrieb heraus Plattformen und Diskussionskreise bilden, kommen in ihrer Welt nicht vor. Das ist mehr als schade, denn mit dieser Ausblendung bleibt es bei der ewigen Schwarz-Weiß-Zeichnung, nach der es nur zwei Menschentypen auf Kuba gibt – die ewigen Revolutionäre und die ewigen Verräter. Eben das dürfte an der Wirklichkeit massiv vorbei gehen. Ich persönlich glaube an ein kontinuierliches Spektrum, wie es in allen Gesellschaften präsent ist. Und in einem solchen Spektrum gibt es immer auch systemtreue Leute, die den alten Zopf satt haben und Reformen fordern. Ohne Offenheit, ohne Aufarbeitung an dieser Stelle gibt es m. E. für die Erben der kubanischen Revolution keine Zukunft.

Apropos Aufarbeitung. Mir fehlt in allen Sachbüchern ein Hinweis darauf, dass es auch auf Kuba so etwas wie die Wahrheits- und Versöhnungskommission (Modell Südafrika) geben könnte/müsste. Solche Institutionen sind für jeden ernsten Konfliktfall denkbar und keineswegs an das Ableben faschistoider Regime gebunden. Sollte Raoul Castro wirklich auf die Emigranten zu gehen und denen, die friedlich an einem reformierten Kuba mitarbeiten wollen, die Rückübersiedlung gestatten, wäre das sicher ein wichtiges Thema.

 

 

Statistik. Kuba hat derzeit ca. 11 Millionen Einwohner. Die Insel misst 1.100 km in der Länge und 30 – 250 Kilometer in der Breite. Die geringste Entfernung des Inselstaates von Florida beträgt rd. 180 Kilometer, die zu Mexiko etwa 210 Kilometer.
Zu Kubas Brutto-Inlandsprodukt, zur Staatsverschuldung etc. gibt es sehr unterschiedliche Angaben, die wenig verlässlich sind. So wird das BIP/Kopf einmal mit 4335 US-$ (2011), zum anderen mit über 9.000 US-$ (2010) angegeben.
Die durchschnittliche Lebenserwartung auf der Insel betrug 2012 78 Jahre, die Säuglingssterblichkeit lag 2013 bei 4,2 Kindern pro 1.000 Einwohner (Granma int. 48(2013)11 und Junge Welt v. 4.1.2013). Beides entspricht dem Level hoch entwickelter Industrieländer. Der Anteil der HIV-Infizierten an der Erwachsenenbevölkerung liegt bei nur 0,1 %. Auf Kuba gibt es einen Arzt für etwa 160 Einwohner; das ist Weltspitze. Das Land verfügt über 470 Polikliniken und 248 Krankenhäuser (Langer). Kuba entsendet jährlich etwa 124.000 Personen aus dem medizinischen Bereich in 154 Länder; auf die Ärtzeschaft bezogen liegen die Zahlen bei 67.000 und 56.
Jedes Kind bis zu sechs Jahren bekam und bekommt auch heute noch einen Liter Milch pro Tag. Dieser Grundsatz galt selbst in der absoluten Not („Sonderperiode“).
20.000 Studenten aus aller Welt studieren (für sie selbst) kostenfrei an der Universität Havanna Medizin. Die Alphabetisierungsrate Kubas entspricht der hoch entwickelter Länder: 99,8 %. 2005 studierten etwa 50% aller Jugendlichen. Kuba entsendet ständig Spezialisten, die in Entwicklungsländern Alphabetisierungskurse durchführen. Derzeit läuft eine solche Aktion erfolgreich in Bolivien.
Die Inselrepublik verfügt über mehr als 220 Forschungsinstitute, die sich schwerpunktmäßig mit Biotechnologie, mit dem Thema Zucker, der Lebensmittelindustrie, dem Umweltschutz etc. beschäftigen.
Die Regierung hat mit Norwegen, China, Kanada und Venezuela Verträge geschlossen, um die vermutlich großen Öl- und Gasreserven auf dem kontinentalen Schelf zu erschließen.
Kuba empfängt jährlich bis zu 2,5 Millionen Touristen und soll aus diesem Geschäft gut 2 Milliarden Euro generieren.
Auf Kuba wird durchschnittlich 44 Stunden pro Woche gearbeitet. Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf 30 Tage Urlaub. Männer gehen mit 65 Jahren, Frauen mit 60 Jahren in Rente.
Der Durchschnitts-Kubaner verdient 478 Peso (Professor X., Stand November 2012). Das Lohnminimum liegt bei 230 Peso. Prof. X. gehört mit ca. 890 Peso/Monat zu den am besten verdienenden Angestellten des Staates. Diese Summen in CUC umzurechnen – wie das in westliche Medien immer wieder versucht wird – ist unsinnig. Weil es viele Produkte nach wie vor auf Bezugsschein zu extrem niedrigen Preisen gibt, wodurch sich die Kaufkraft stark beeinflusst wird.
Seit April 2011 können sich Kubaner privat selbständig machen. Bis Mai 2013 wurde diese Chance von knapp 430.000 kleinen Gewerbetreibenden (Granma int. 48(2013)8) für mehr als 250 verschiedene Tätigkeiten genutzt.
Seit 2011 dürfen im Inselstaat auch Immobilien und (alte) Autos unbeschränkt verkauft werden. Der Import und Verkauf von Neuwagen bedarf nach wie vor der regierungsamtlichen Zustimmung..
Immer größer werdende Teile der landwirtschaftlichen Nutzfläche werden an Genossenschaften und private Bauern vergeben. Das Genossenschaftseigentum ist unterschiedlich strukturiert, basiert jedoch nicht auf privatem Eigentum an Grund und Boden. Am 11. Dezember 2012 trat in Kuba ein neues Genossenschaftsgesetz in Kraft, welches die Bildung von zunächst 200 Genossenschaften im nicht-landwirtschaftlichen Bereich vorsieht. Betroffen davon sind das Transportwesen, das Baugewerbe, der Fischfang, die Gastronomie sowie Hausdienstleistungen. Auch die Herstellung von Baumaterialien soll von Genossenschaften ausgeführt werden können. Ihre Produktionsmittel beziehen die Genossenschaften durch Pacht und Miete vom Staat, dabei werden sie jedoch im Unterschied zu dessen eigenen Betrieben als selbstständige Rechtssubjektive aufgefasst und durch ihre Mitglieder autonom verwaltet. Neben Verträgen mit dem Staat produzieren sie nach Angebot und Nachfrage.
Etwa 60% der Kubaner sollen über konvertible CUC verfügen, wobei das Gros der Devisen aus Geldüberweisungen, ein weiterer erheblicher Teil aus der Sphäre des Tourismus stammen dürfte.
Ab 14. Januar dieses Jahre können Kubaner ausreisen, und zwar für maximal 24 Monate. Den meisten Kubanern wird das schwerfallen, weil sie für viele anvisierte Zielländer kein Visum bekommen und außerdem die notwendigen Devisen nicht aufbringen können. Derzeit ist unklar, wie restriktiv Kuba die Ausreise – vor allem für Fachkräfte und Spezialisten – handhabt.
Seit Januar 2013 gibt es auch in Kuba das Breitband-Internet – und zwar auf Basis des gerade fertig gestellten Überseekabels, das Venezuela und den Inselstaat miteinander verbindet. Bislang war Kuba auf die sehr viel langsameren und teuren Satellitenverbindungen angewiesen, da die USA den Anschluss an bereits verlegte Trassen boykottierte.
Viele statistische Angaben zu Kuba schwanken je nach Quelle beträchtlich, zumal der Inselstaat Berechnungsmethoden anwendet, die von internationalen Standards abweichen. Zahlreiche Infos auch unter http://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaft_Kubas sowie http://www.ipicture.de/daten/wirtschaft_kuba.html

Alles, was bis hierher aufgeschrieben ist, entstand im Januar 2013 erarbeitet. Es basiert auf eigenen Erlebnissen, Erzählungen und den u. a. Quellen. Folglich kann es Kuba nur aus der Sicht des flüchtigen Beobachters und emsigen Lesers beschreiben. Das Innenleben von Menschen konnte ich nur punktuell und keineswegs repräsentativ erfassen, das von Staat und Gesellschaft im Grunde gar nicht. Meine subjektive Bewertung fußt deshalb auf Fakten, die ich nicht beweisen kann, denen ich aber vertraue, und sie ruht auf einem starken (wenngleich nicht sicheren) Gefühl, das sich während der zurückliegenden Monate in mir entwickelt hat.

Heute, am 23. Oktober 2013, erfahre ich, dass Kuba eine der Parallelwährungen – in Etappen – abschaffen will. Welche, ist nicht bekannt, und wie die verbleibende oder eine neue aussehen soll, ebenfalls nicht. Dennoch sind schon der Wille und die offizielle Ankündigung, eines der kubanischen Grundübel abschaffen zu wollen, lobenswert. Bleibt abzuwarten, welcher Erfolg dem Vorhaben beschieden sein wird.

 

Inzwischen ist 2013 lange vorbei. Die Zeit lief und läuft weiter:

Die Korrektur. Ich habe in den den zurückliegenden Jahren viele Kubaner kennengelernt und mich mit ihnen ausgetauschr. Meine Einstellung zum kubanischen Regierungssystem hat sich durch die authentischen, weil aus erster Hand stammenden Schilderungen/Erkenntnisse Carlos sichtlich verändert. Aber nicht in dem Sinne, dass ich die nachrevolutionären Geschehnisse (natürlich auch Errungenschaften) prinzipiell geringschätze. Immerhin bin ich froh, dass die bisher vermittelte, nahezu makellose Sicht auf die rote Insel realitätsnah ergänzt wurde. Mein (zugegeben verhaltenes) Misstrauen gegenüber dem touristischen Glanzfoto findet sich heute bestätigt. Komplett beschädigt ist dadurch nichts. Im Gegenteil: Ich bin dem wirklichen Kuba ein Stück näher gekommen. Und was ganz wichtig ist: Ich habe begriffen, dass es im Entwicklungsland Kuba auch heute noch massive Schwierigkeiten gibt – die man allerdings keinesfalls aus einem deutsch-kubanischen, sondern aus einem lateinamerikanischen (!!!) Vergleich heraus beurteilen muss. Hierbei bekommt alles eine gemäßigtere Färbung. Denn wenn man die Verhältnisse in Mexiko, Honduras, Paraguay Haiti etc. betrachtet – wer möchte dann noch gegen Kuba wetten? Zumal die derzeitige Regierung vor allem außenpolitisch Boden gut macht. So wurde ihr erst kürzlich der Vorsitz der CELAC übertragen  – einer Gemeinschaft karibischer und lateinamerikanischer Staaten, die 550 Millionen Menschen repräsentiert. Das hat doch einen Grund.
Auch meine Sympathie gegenüber dem Versuch des ALBA-Verbundes http://de.wikipedia.org/wiki/Bolivarianische_Allianz_f%C3%BCr_Amerika, ein neues, gerechteres Wirtschafts- und Gesellschaftsmodel für Lateinamerika zu entwickeln, ist ungebrochen. Immerhin haben Bolivien, Venezuela und Ecuador bewiesen, dass linke Regierungen auch durch freie Wahlen an die Macht gelangen können. Und dann für mehr Gerechtigkeit, Gesundheit und Bildung im Lande sorgen. Und vielleicht ergibt sich hier im Gegenverkehr zum Medizin- und Bildungsexport Kubas der Export von mehr Freiheit – denn ohne diese ist eine menschenwürdige, nachhaltige Alternative zum Milton Friedmanschen Neoliberalismus/Washington consensus/grassierenden Turbokapitalismus nicht denkbar.

Die neue Zeit? Am 21. November 2014 lief im Format 3sat/makro die Sendung „Kubas Geldträume“. Der war zu entnehmen, dass sich Kubas Deviseneinnahmen wie folgt verteilen:
.aus Dienstleistungen(Bildung & Medizin im u. für das Ausland): 6Mrd. US-$
.aus dem Tourismus : 2,6 Mrd.US-$
.aus Transferzahlungen v. Exilkubanern :2,5 Mrd. US-$
.aus Nickel-Exporten :1,4 Mrd. US-$
.aus Zucker.Exporten :0,5 Mrd. US-$
http://www.3sat.de/page/?source=/boerse/magazin/179304/index.html

Am 16. Januar 2015 – so meinen viele Kubaner – beginne in Kuba eine neue Zeit. Man könne jetzt mit US-amerikanischen Geldkarten auf Kuba Geld abheben. Was für eine neue Zeit, fragte ich, eine Zeit, die sich am Funktionieren von Geldkarten festmacht?
Tatsache ist, dass seit Mitte Januar eine Delegation von US-Amerikanern unter Führung der Vizeaußenministerin Roberta Jacobson mit kubanischen Experten über eine grundlegende Verbesserung der Beziehungen zwischen den USA und Kuba verhandeln. In diesem Zusammenhang sollen auf kubanischer Seite 53 Dissidenten aus dem Gefängnis entlassen worden sein. Im Gegenzug wurden auch die verbliebenen drei Gefangenen der Cuban five freigelassen und auf die Insel ausgeflogen. Jetzt wird über weitere Erleichterungen im gegenseitigen Reiseverkehr, über Investitionen auf Kuba sowie Reformen und Neuerungen in der Landwirtschaft gesprochen. Raoul Castro, der die völlig Aufhebung des US-amerikanischen Embargos und damit eine erhebliche Ausweitung kubanischer Exporte anstrebt, ist dennoch fest entschlossen, die bestehende gesellschaftliche Struktur zu erhalten.

Trotz bestehender Gegensätze haben sich die USA und Kuba im 1. Halbjahr 2015 angenähert. Zwar kam es nicht zur Aufhebung des Embargos – dafür gibt es nach wie vor keine Mehrheiten in US-Senat und –Repräsentantenhaus. Dafür aber zu wesentlichen Erleichterungen im Reiseverkehr. Höhepunkt war am 20. Juli 2015 die Wiedereröffnung der Botschaften beider Länder im jeweils anderen Land https://www.tagesschau.de/ausland/kuba-botschaften-101.html
Auch der Internetzugang wurde auf Kuba liberalisiert. Allerdings ist es in öffentlichen Institutionen nach wie vor nur gegen konvertible Währung möglich, ins Netz zu gehen. Natürlich gibt es unzählige private Initiativen, die dieses Ziel anders erreichen – auf oft inoffizielle kreative Weise.

Es ist Februar – und wir schreiben das Jahr 2016. Ich bin zum zweiten Mal auf der Insel – diesmal vor allem in Havanna.

Ich habe nicht nach Medizin und Bildung, nicht nach den Cuban five, ich habe nicht nach den 750 Attentaten auf Fidel, nicht nach dem Verbleib von Camillo und erst recht nicht danach gefragt, ob die oberste Führung in die Rauschgiftgeschäfte von Ochoa und Guardia verwickelt war. Weil diese Fragen vermutlich niemals, schon gar nicht heute, erschöpfend beantwortet werden können. Ich habe es mir leicht gemacht, habe einfach nur eintauchen wollen, eintauchen in dieses Kuba, um festzustellen, wo und wie es lebt.

Ich war gekommen, um Kuba etwas Mitte zu geben. Einige der vielen Info-Lücken und Auslassungen mit Leben zu erfüllen. Genau dort Fakten vorzulegen, wo rechte Autoren linke Errungenschaften und linke Autoren Fehler der kubanischen Administration ausblenden.  Tatsächlich gibt es zu Kuba nur wenige brauchbare, geschweige denn objektive politische Berichte. Nicht nur das Land selbst scheint extrem – auch die Blaupausen sind es, die der Mainstream weltweit verbreitet.

 Ich war gekommen, um Kuba etwas Mitte zu geben, etwas Mitte ….

Ich blicke aus dem Fenster, ich schaue auf flache Hausdächer, auf hoch aufragende Brandmauern, auf ein Gewirr aus Rohren und Elektroleitungen, auf zahllose, den Dächern aufgesetzte Baustellen und auf blaue Wasserspeicher. Darüber macht sich das Meer breit. Das – so vermute ich –  respektlos gegen den Malecon schlägt.

Ich schaue aus dem kleinen, weiß abgesetzten Fensterrahmen, höre auf die Laute, die diese Stadt ausschickt. Und erkenne, dass  sich alles anders gibt als zu Hause. Zunächst war ich schockiert, habe das nicht raffen können  – diese Bautätigkeit auf den Dächern, dieses Mörtelmischen, Steineaufsetzen, Bretterzusägen, dieses teils lebhafte, teils stagnierende Start-Stop-Geschehen, diese Baumaterial-Maskerade, gesteuert von Menschen, die halsbrecherisch unterwegs sind – unangeschnallt und trittsicher.

Nach drei Tagen hatte ich mich gewöhnt. Später bin ich fasziniert

Ich bin froh, Cuba unter der Ägide der sozialistischen Regierung, der beiden Castros, noch einmal besuchen zu dürfen. In ein Land zu kommen, das bis heute kostenfreie Gesundheit und Bildung garantiert, Gas und Wasser nahezu kostenlos bereitstellt und  dem Gros der Bürger das Wohneigentum beschert hat. Jawohl – die kubanische Regierung hat in den zurückliegenden 57 Jahren mehr für das soziale Auskommen der Bürger getan als jedes andere latein- oder südamerikanische Land. Als jedoch die sozialistischen Länder der Reihe nach abkippten und als Handelspartner ausfielen, als die vom Staat erwirtschafteten Devisen – nicht  zuletzt wegen des US-Embargos – immer schmaler einflossen, in einer Zeit, in der es unmöglich wurde, o. g. Errungenschaften zu finanzieren ohne akuten Hunger auszulösen, hat sich dieses Bild gewandelt. Fortan mussten Gelder umgeschichtet, volkswirtschaftliche Strukturen umgewidmet, Geldquellen vor allem im Tourismus ausgebaut werden.

Dass Kuba bis heute achtzig Prozent seiner Lebensmittel importiert, dass viele Menschen, vor allem schlecht bezahlte Rentner und  Angestellte des Staates ein erbarmungswürdiges Leben führen – beides wurde zur Nagelprobe. Denn unter diesen Umständen war das System extrem strapaziert. Weder die Lebensmittelkarte für Bedürftige, noch die angesteuerten – eher marginalen –   Lohnerhöhungen konnten Abhilfe schaffen.

Fidel und Raoul Castro haben Devisenknappheit und fehlende Investitionen jahrzehntelang mit der Wirtschaftsblockade der Amerikaner erklärt – was in Teilen richtig war und ist. Die Malaise aber nicht völlig erklärte. Was ebenso negativ durchschlug, war die zweite – die innere Blockade. Es waren die substanziellen Fehlleistungen des Systems, die für den (bisher praktizierten) Realsozialismus so typischen Erscheinungsformen wie Gleichmacherei, die Diskreditierung der Bauern, die Unterwerfung von Kreativität und Leistungsbereitschaft unter den ideologischen Hammer der Funktionäre. Wer in Kuba mehr Geld verdiente als sein Nachbar, wurde beargwöhnt und denunziert. Bemühungen um eine Privatisierung des Kleingewerbes wurden in den achtziger Jahren nach ersten Feldversuchen – aus genau diesen Gründen –   rigoros zurück gefahren. Inzwischen sieht das anders aus. Fidel und Raoul haben die Reißleine gezogen und das Land für Reformen geöffnet. Für Joint-Venture-Unternehmen mit ausländischen Partnern, für eine erneute Privatisierung von Handwerk und Gewerbe, sprich: für die großflächige Ausbreitung von Eigeninitiative, für einen Tourismus, der seit Jahren boomt und überschäumt.

All das spielt sich in der gesplitteten Geldwelt ab, in der der konvertible CUC den kubanische Peso in die Bedeutungslosigkeit gerückt hat. Wer heute durch Schenkung oder über die TourismusSchiene an Devisen kommt, führt ein vergleichbar gutes Leben – selbst, wenn er erhebliche Anteile seines Einkommens an den Staat abdrücken muss. Anders diejenigen, die diesen Zugang nicht haben. Sie sind beispielloser Verarmung, sprich: dem Kampf ums einfache Überleben ausgesetzt. Sie sind täglich auf die unregelmäßig eintreffenden staatlichen Lebensmittelzuteilungen angewiesen und müssen – da diese bei weitem nicht ausreichen – auf den teuren Privatmärkten dazu kaufen. Irgendwann reicht es dann weder für Kleidung, noch für die notwendigen Veränderungen im Wohn- und Lebensbereich. Dennoch funktioniert das irgendwie – weil der Familienverbund gut intakt ist, sprich: weil das Geld von dem, der hat, zu dem fließt, der nichts oder zu wenig hat. Letztlich ist man darüber erstaunt, dass aus z. T. erbärmlichen Unterkünften blitzsaubere und gut gekleidete Menschen auf die Straßen strömen. Ein Wunder, über das wir angesichts der im Westen so selbstverständlichen Annehmlichkeiten bei Kultur, Freizeit, Reisen, Sport etc.  viel zu spät nachdenken.

Für mich gibt es auf Kuba vier Gruppen von Menschen: zunächst die vom Devisenstrom abgeschnittenen Armen, dann Begünstigte und Engagierte, die über Familienmitglieder im Ausland oder aber über ein eigenes Privatunternehmen an Devisen gelangen, Leute, die ihr Geld mit Hilfe des Tourismus verdienen (und folglich ebenfalls im Besitz von Devisen sind) sowie hohe Funktionäre und Millitärs, die hohe Gehälter z. T. in kubanischen Peso, z. T. in CUC, beziehen.

Ausgehend von den unterschiedlichen Geldströmen läuft die Entwicklung auf Kuba mehrgleisig: Während sich Staat und staatliche Institutionen vergleichsweise langsam bewegen, sprich: einkommende Devisen zum Stopfen gefährlicher Löcher, für Ernährung, Bildung und Gesundheit und erst danach für tourismusnahe Investitionen einsetzen, ist der Einzelne durch mannigfaltige Subventionen weitgehend entlastet. Kein Wunder, dass sich Tausende von Kubanern bereitfinden, sofort und direkt zu investieren, um den eigenen Aufbruch zu gestalten. Sie basteln am eigenen Wohneigentum, schrauben an ihren Autos herum, entwenden, was auf anständige Weise nicht zu beschaffen ist, aus ihren Betrieben und schmuggeln, wenn Langusten oder Diesel gebraucht werden. Dreh- und Angelpunkt ist auch hier der Tourismus, denn mit Unterbringung und Transport von finanzstarken Ausländern lässt sich an einem Tag mehr Geld verdienen als an zwanzig Tagen in staatsnahen Jobs.

Um es kurz zu sagen. Auf Kuba vollzieht sich ein Differenzierungsprozess, der das System gewaltigen Spannungen aussetzt, ja in Kürze sprengen könnte. Wenn es der Regierung nämlich nicht gelingt, die entstehenden Ungerechtigkeiten auszuräumen, dann läuft vor allem das arme Volk den Amerikanern in die Arme. Überhaupt sieht es so aus, als ob viele der Kubaner nur eines im Auge haben – die Nähe zu den USA. Diese Ambitionen zu relativieren dürfte selbst dann schwerfallen, wenn es gelänge, die Löhne in kubanischen Peso massiv zu erhöhen, respektive: ein Teil des Lohnes in CUC zu zahlen. Was – wie schon bemerkt – auch nur eine Teillösung wäre. Denn die EINE, einheitliche Währung muss das unbedingte Ziel bleiben.

Kubas und speziell Havannas Bauten, die vor einhundert Jahren zu den schönsten des gesamten lateinamerikanischen Raumes gehörten, sind heute weit mehr strapaziert als Vergleichbares in der EX-DDR. Doch trotz der Marodie, trotz der Häuser, deren Balkons entweder herabfallen, herabzufallen drohen oder aber von Bäumen durchwachsen sind, verweist ein unzerstörbarer Rest kunstvoll auf alte Zeiten. Prachtvolle Fassaden, filigran gefertigte Türen und Fenster, geschmackvolle Kunstschmiedearbeiten vermitteln ein Flair, das tief atmen lässt. Unmittelbar daneben glänzen aufwendig restaurierte „Unikate“, die von staatlich beauftragten Restaurateuren, in zunehmendem Maße aber auch von privaten Eignern auf Vordermann gebracht wurden oder werden. Klar, dass  diese Stätten  – seien es Restaurants, Museen oder Hotels – fast ausschließlich von WestTouristen vereinnahmt werden. Leider ist selbst die Altstadt von Havanna – sie ist zweifellos das touristische Highlight auf Kuba – ein Konglomerat aus teuer restauriert und heruntergekommen. Leicht auszuhalten ist das nicht.

Verstehen Sie mich richtig: Wir schreiben das Jahr 2016. Und alles, was ich hier erzähle, spiegelt meine ganz persönlichen Eindrücke. Das hier ist kein Trailer für sinnvolles Urlauben auf Kuba. Dennoch führt an dem, was Kuba so reizvoll macht, nichts vorbei. Ich habe mich fast immer in Havanna aufgehalten und schon die Stadt allein ließ alle Motorik aufheulen, setzte die Füße quasi reflexhaft in Marsch. Und dann mussten es nicht die überlaufenen Sehenswürdigkeiten, mussten es nicht das El Floridita, die Bodeguita del Medio, das Capitolio Nacional, das unbeschreibbar schöne Gran Teatro, der Prado oder die Plaza del la Catedral sein. Es genügte schon, ins O’Reilly einzukehren, eine Stunde im San Christobal zu verbringen oder einfach aufzusteigen auf die Dachterrasse des Hotels Raquel. Dort in der Höhe konnte ich sehr einfach ein Gedicht, ein paar Seiten Prosatext fabrizieren – ohne eine reisetagebuchliche Pflicht oder NotizWut zu spüren.  Diese Orte sind einfach unbeschreiblich und im Kontext zur noch immer halb verfallenen Altstadt schwer zu begreifen. Da wird ganz unten gebaut und provisorisch gestützt, während es oben nostalgisch ausufert. Da geht es auf einer beschädigten Marmortreppe an einer offenen, halb zerstörten Etage vorbei, um oben an einer verschlossenen Tür zu münden. Was ist dann schöner als der knappe, vorbestellte Platz zwischen Bildern und Gesprächen, was reizvoller als das geschäftige Umhereilen der hübschen Kellnerinnen, der betäubende Kaffeegeruch. Hier treiben sich die herum, die das nötige Kleingeld haben, und unter innen brettern und Klamotten  jene, denen das Geld knapp ist, die aber Glück haben, beschäftigt zu sein.

Havanna ist die Stadt der Museen. Ich sprach schon davon. Auf das Museo de la Revolution wird man geradezu gestoßen, das Nacional de Bella Artes weiß genau das abzufedern. Die Gemälde, sorgsam sortiert, der Bau wie Pariser Oper und der Rest eben bella bella. Schließlich noch das eher rustikale Museo Ron, das man interessiert betreten und dun bis voll dun verlassen kann. In Kenntnis dessen, was so alles aus Zucker gemacht oder durch solchen ins Rutschen gebracht werden kann. Die Kubaner sind nach wie vor die weltweit wichtigsten Zuckerkonsumenten und der Diabetis ihr weit verbreitetes Anhängsel.

Ich habe die prachtvollen Hotels durchstöbert, habe auf Havannas Straßen meine Schuhsohlen gestresst, bin auf Märkten umhergeschlichen, habe mich vor bedrohlich wirkenden Fassaden in Sicherheit gebracht, bin dem einarmigen Companero begegnet, der aus einer defekten Wasserleitung frisches Nass in Flaschen füllte und verkaufte. Habe mich oft gefragt, warum überall alles offen steht und dann doch manches durch Gitter gereicht, gesprochen und verkauft wird. Da wandern Burger auf die Gegenseite, das streicht Alfredo die kubanischen Pesos und, wenn es gut läuft, die wertvolleren CUCs glatt. Letztere werden immer öfter gebraucht, weil selbst einfache Dinge über kubanische Pesos zwar noch heute, möglicherweise aber weder morgen, noch übermorgen zu erlangen sind.

Die Straßen sind vielerorts aufgerissen. Man verrohrt, man verkabelt. Die Presslufthämmer dröhnen, und es staubt zum Gotterbarmen. Nicht alles wirkt professionell, aber es geschieht etwas. Allein die Tatsache, die bloße Anwesenheit von Menschen, die verändern, vor allem aber verbessern wollen, schafft Zuversicht. Und eine Atmosphäre, die so anders ist als das, was mir auf eher abgelegenen und vernachlässigten Schotterpisten begegnet. Schon seltsam, dass man selbst dort ElektroMotorräder antrifft. Lautlose Gefährte, die so gar nicht passen ins trubelnde Havanna.

In dieser Stadt liegen sorgfältig restaurierte Repräsentationsbauten, liegen anmutige Restaurants, Hotels und Bars oft unmittelbar neben heruntergekommenen oder gänzlich zerstörten Gebäuden. Das trifft selbst auf das im Norden liegende Centro Habana als auch auf das Habana Vieja, die Altstadt, zu. Während wohlhabendere Leute oft nach Vedado und Miramar verzogen, mussten und müssen die Armen allzuoft in schäbigen Quartieren ausharren. Viele siedeln noch heute in z. T. baufälligen Unterkünften inmitten der Stadt oder in wenig spektakulären Munizipios, wie Arroyo Naranjo mit dem ärmlich anmutenden Parraga.

Was mich nun umhaut, ist wieder die Währungssituation. Ich trinke mit meinem Freund Pedro an einer KaufhausBar einen Espresso, und der kostet, weil Pedro ihn ordert, 1 cubanischen Peso (!!!). Nicht zu glauben, dass ich für dasselbe Getränk in der Altstadt 2-3 CUCs hinblättern muss. Ähnliches gilt fürs Essen. Bestellt es Pedro in einem für Kubaner reservierten Feriendomizil, dann sind Hähnchen mit Reis und Salat für 15 cubanische Pesos zu haben. Dasselbe kostet mich in einem mittleren Havanner Restaurant 15 CUCs – also das 25fache (!!!). Kein Wunder, dass westliche Touristen ein Teil ihrer Euro und Dollar nicht in für sie gedachte, ebenfalls konvertible künstliche kubanische Währung CUC, sondern in kubanische Pesos tauschen, um günstig und gewissenlos einkaufen zu können. Ihr Pech ist, dass sie meist als Ausländer erkannt werden. Worauf bei den Einheimischen die Jalousien schnell runter gehen.

Bei aller Groteske – Kubas Revolutionen werden dennoch nicht vergessen. Im Museo de la Revolución wird vor allem die letzte gefeiert – mit historischem Bildwerk, mit Beweisstücken aus der Sierra Maestra. Fidel, Che und Camillo sind präsent, ihre Sprüche und Befehle auf Stell- und andere Wände gepinnt. Der große Bruder (Fidel, wie man ihn sehen soll) bietet ein bemerkenswertes Konterfei und die US-amerikanischen Invasoren werden samt Batista auf mannshohen Comics platt gemacht.

Museen sind Museen. Hat man sie verlassen, betritt man andere Welten. Trifft auf Menschen, die Fidel und Co. satt haben. Seine siebenstündigen Reden haben sich eingebrannt, ihre endlose Nachbereitung hat statt Power oft Überdruss erzeugt. Immer dasselbe, sagen die Kubaner, immer dasselbe haben wir in der DDR gesagt. Kein Wunder, wenn das ständiges Repetitio nervt und zu Tode langweilt, die Motivation eher ab- als aufbaut. Man schaltet auf Durchgang, man glaubt nicht mehr an die Steigerung des Bruttoinlandsproduktes, nicht mehr an tolle Hektarerträge ohne Hektar – wohl aber daran, dass im Hinterland ganze Fabriken verrotten und still gesetzt werden. Zuckerrohr war einst ein gefragtes Produkt. Heute ist die Produktion auf ein Fünftel zurückgegangen, Felder und Verarbeitungsbetriebe liegen brach.  So die Feindpropaganda, so die üble Rede zwischen den Brandmauern. Ihr glaubt man inzwischen genauso viel wie offiziellen Verlautbarungen – entweder alles oder gar nichts.

Kuba ist schön, Kubas Menschen sind freundlich, laut, lärmend und immer bereit alles auszuhalten – die Freude ebenso wie die Not. Kubas Menschen sind bunt gescheckt – schwarz, weiß, mit vielen Tönen dazwischen – und erst die Augen! Von braun, blau bis grün, von Kugel bis Schlitz. Anders in Kubas Führungsriege. Sie ist – soweit ich mich erinnern kann – bis auf eine Ausnahme weiß und rundäugig.

All diese Gedanken kreisen in meinem Kopf. Finden ihre Entsprechung in Bildern, in Menschen, die ich vor mir sehe.

Gleichwie: Im schönen Kuba, in dem sich vieles ändert, muss sich vieles weiter verändern. Weniger an den Sehenswürdigkeiten als im Bewusstsein derer, die Zukunft gestalten wollen. Wer – wie Fidel –  seinen Bürgern erklärt, das Langusten exportiert werden müssten, wer seinen Bürgern erklärt, dass Langusten eine Speise für Kapitalisten sei, auf die man gut verzichtet könne, wer dann das Privatfischen von Langusten schnell verbietet, per Zufall aber beim LangustenEssen en jeffe erwischt wird, dürfte auch künftig schwer rudern müssen, um mit dabei zu bleiben. Ob man ihm je wieder glauben wird, steht in den Sternen.

Die Touristen sind wichtig, aber sie üben auch Druck aus. Sie verlangen – verwöhnt und urlaubsgemäß – nach bestem Wohnen, Essen und Trinken. Was in den meisten Hotels auch gut funktioniert. Was aber andererseits Tausende von Privatvermietern auf die Palme und dahin zwingt, wo Langusten schwarz gefischt vor sich hin warten. Die müssen dann vereinnahmt und ebenfalls schwarz auf den Tisch gebracht werden. Ich hatte das Vergnügen, 5 Kilo dieses Luxusgutes von Playa Larga nach Havanna zu begleiten. Es lagerte im Moskwitsch zwischen meine Füßen. Dort sei es sicher, meinte der mich begleitende Kubaner. Ausländer würden im Auto nicht kontrolliert.

Und noch etwas anderes fällt mir auf: Dass der immer gleiche Volker Hermsdorf, dieser Schwerpunkt-Korrespondent der „Jungen Welt“, auf immer dieselbe Weise dieselben geschönten Berichte abliefert („Die kubanische Revolution“). Dass er ebenso wie Heinz Langer, der EX-Botschafter der DDR in Kuba („Kuba – die lebendige Revolution“) oder Hans Modrow („Amboss oder Hammer – Gespräche über Kuba“; „Kuba – Aufbruch oder Abbruch?“) nur die Hälfte von allem zur Wahrheit erklärt: Immer noch die permanente Revolution, immer noch die schöne, in sozialer Empathie befindliche Wunsch-Welt, die furchtlos funktioniert und nur dann aus dem Ruder gerät, wenn der Ami das Embargo straff zieht. Obwohl das in Teilen stimmt und die USA ganz sicher alles daran setzen, um Kuba zu destabilisieren, geht mir die ständige Wiederholung des immer selben zunehmend auf die Nerven.  Denn wirklich Neues gibt es nicht, und Kritik an den Fidels sowieso nicht. Und wenn Hermsdorf-„Beifahrer“ Fritz Streletz feststellt, dass Fidel einst ausgerastet sei, weil 400.000 schwer bewaffnete DDR –Soldaten dem Untergang der DDR tatenlos zuschauten, dann bleibt das in einem der Bücher einfach so stehen. Als müsste man das kritisierte Ausbleiben von Blut ebenso hinnehmen wie Fidels Scharfmache von 1963 – als der dritte Weltkrieg drohte.

Das alles geht gar nicht. Den Kubanern und uns Deutschen das vorzufilmen, was bei den letzten Ausländer-ErnteEinsätzen der Partei oder in abgeschotteten, sorgsam bewahrten Exklaven abläuft, ist nicht nur realitätsfremd. Es erinnert an Märchen, die vorne vergoldet und hinten problematisch sind. Auch Halbwissen zu vermitteln, ist Betrug. Da allerdings sind die Fidel-Verehrer nicht allein. Auf der Gegenseite braut sich regelmäßig ein Gegenstück zusammen. Ein Heer von Diffamierern und Verächtern macht auch jetzt noch aus Kuba das, was Antikommunisten so reizvoll finden: die Diktatur, in der Dissidenten – so die Frauen in Weiß – pausenlos unterdrückt werden. In der politisch Verfolgte hinter Gittern schmachten und Menschenrechte mit Füßen getreten werden. All das ist meines Erachtens maßlos übertrieben.  Auch hier schwelt irrwitzige, überzogene Propaganda, auch hier wird ein Zerrbild kolportiert, das es so nicht gibt. Aber auch das, was Raoul Castro vermeldet, kann schlicht als Witz abgetan werden: Er werde alle Inhaftierten sofort frei lassen, wenn er denn eine Namensliste bekäme. So eine Liste sei aber bei ihm nie eingegangen.

Kuba hat ein Recht darauf, fair bewertet und behandelt zu werden. Rechter Unflat ist da ebenso fehl am Platze wie linke Schönfärberei. Die Kubaner sind es leid, bevormundet zu werden. Sie ertragen das herablassende Lächeln der Westtouristen, spucken dann aber im stillen Kämmerlein kräftig aus. Es fällt ihnen schwer, die Durchhalteparolen zu ertragen – jene Sprüche, die ihnen seit Jahrzehnten herübergeblasen werden – auch von den europäischen Linken, die allzu oft in Wohlstand leben und Sprüche klopfen.

Ich finde es gut, wenn die Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba für Kuba spendet und materielle HilfsLeistungen erbringt. Ich kann mich ebenso mit Michael Zeuskes Analyse “Kuba im 21. Jahrhundert“ anfreunden. Auch die achtteilige ZDF-Dokumentation „Geheimes Kuba“ ist interessant. Diese Serie objektiv zu nennen, führte freilich zu weit, selbst wenn die Autoren – die Zeuske, Krenz und andere Zeitzeugen interviewten – diesen Anschein erwecken wollen. Vermutlich sind nur die Kubaner selbst in der Lage, ein brauchbares Buch über Land und Leute Land zu schreiben – wenn nicht jetzt, so ganz sicher in einigen Jahren.

Apropos Medien. Ich war auf der Buchmesse. Sie feierte ihr 25jähriges Bestehen. Einige Bücher wurden nicht fertig zu diesem Fest. Vieles wurden noch quer durch den Besucherstrom herangekarrt – abgeladen und in die Souterrains und Hochparterre der Cabana-Festung verbracht. Zusammengenommen gab es eine Unmenge Literatur – hauptsächlich aus Kuba und den benachbarten lateinamerikanischen Ländern. Mexiko schien besonders gefragt. Vor allem Jugendliche versuchten zu den peppig aufgemachten Presseerzeugnissen, Spielen, Malbüchern und Comics vorzustoßen, die anderswo nicht zu haben waren. Westeuropa und die USA waren praktisch ausgeblendet. Auch in Deutschland verlegte Bücher – teils in deutsch, teils in spanisch – waren rar. Verkauft wurde nur, was Kuba sí oder die Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba am äußersten Ende der Ausstellung, Sonderplatz ganz hinten, anbot: Hermsdorf, Modrow und wieder Hermsdorf –  viel Revolution, letzte Analysen von Ex-NVA-Chef Strelitz und Stasi-Offizier Neuber, die sich in neuen Paperbacks über die zunehmende Bedrohung Kubas auslassen. Auf wessen Geheiß und Anforderung hin, weiß niemand. Ob auch in spanisch, ist ebenso wenig bekannt. Gleichwie, die Leute vom Standpersonal waren überaus freundlich. Ihnen war nicht anzusehen, ob sich die Einheimischen für KubaAnalysen von Ex-DDRler interessierten – zumindest nicht an diesem Tag.

Vielleicht war ich zu naiv: Ich hatte auf Bücher von Padura oder anderen zeitgenössischen Schreibern gehofft, vielleicht sogar auf Bücher in deutscher Sprache – im deutschen Quartier der Buchmesse. Diese Hoffnung wurde enttäuscht. Ich sah eine Dame von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, dann aber nur unverkäufliche, an die Wände gebrachte Exponate, die zwar zur Ansicht entnommen, aber nicht erworben werden konnten. Es waren Neuerscheinungen in deutsch und spanisch, die von der Frankfurter Buchmesse offeriert wurden und – solange ich dort herumstieg – wenig Zuspruch fanden.  Dennoch habe ich die Messe als gewaltiges Volksfest empfunden. Und mir klar gemacht, dass es um Kuba besser bestellt sei müsse als ich gemeinhin glaube. Hunderttausende strömten auf die Festung, sangen, tanzten, ritten, aßen, tranken und ich bin sicher, dass sich ein Großteil von ihnen auch den Broschüren, Heften, Zeitungen und Büchern widmete. Nur schade: Ich habe während des gesamten KubaAufenthalts kein deutschsprachiges Magazin, keine deutsche Zeitung, geschweige denn ein deutschsprachiges Buch erwerben können – nicht einmal in den hochklassigen Hotels der Hauptstadt.

Es gibt diese Aufbruchstimmung. Und es hat den Anschein, als gebe die Privatisierungswelle im Kleingewerbe, als gebe der brandende Tourismus dem Land neuen Schwung. Alles stürzt sich darauf, Devisen zu machen, und fast jeder scheint eine Idee zu haben, wie er das über kleine, kreative Angebote verwirklichen kann. Zwar kassiert der Staat einen erheblichen Teil der Einnahmen (Lizenzgebühren, Steuern), doch der verbleibende Rest reicht oft aus für ein bescheidenes Leben. Tausende kleine Läden sind entstanden. In Hausdurchgängen, in Fluren, aus Wohnungen heraus wird feilgeboten, was irgendwo aufgekauft, zusammengetauscht, selbst gebastelt, illegal verbracht oder ausgeweidet wurde. Vor den Kaufhäusern stehen Frauen mit Westwaren, die sie etwas schamhaft verdeckt, dann aber doch frei schöpferisch verhökern. Neben staatlichen Läden, die ausschließlich gegen CUC verkaufen, gibt es private, die importierte Westwaren auf- und verkaufen und dann natürlich die staatlichen Ausgabestellen für Lebensmittel auf Karte – manchmal gut bestückt, oft aber auch gähnend leer.

Eines ist dabei extrem bedenklich: Viele Schüler, viele Studenten haben ihr Lernen aufgegeben, tauschten Schule und Uni mit der Jagd nach harten Devisen. Sie dienen sich an und feilschen, werden vom Rausch des Geldes überfahren und checken nicht, dass dieser Rausch trügerisch ist. Padura hat davor gewarnt: Bildung sei durch nichts zu ersetzen. Zugespitzt formulierte er, dass hier eine ganze Generation von Kubanern verloren gehen könnte.

Vergessen wir nicht: Wir sind im Jahr 2016, bei Menschen, die zu diesem Zeitpunkt auf Lockerung, auf ein Stück mehr Freiheit, mehr Wohlstand und Selbständigkeit setzten, darauf hofften, dass die USA, der bisher feindliche Nachbar Anstalten macht, diese Nachbarschaft zu verfreundlichen. Es ging um die Aufhebung des Embargos, es ging um Guantanamo. Beides schien im Fokus, war aber ohne geneigte Mehrheit im US-Kongress nicht zu bewegen. Trotzdem feierte man in vorauseilender Zuversicht, warf erneut die Musik an und tanzte sich heiß.

Tatsächlich wird man den Teil der Kubaner, der mit US-Aufklebern auf T-Shirt und Auto umherrast, kaum davon überzeugen können, dass die bevorstehende Nähe zu den USA nicht nur mehr Lebensstandard, sondern auch immense Gefahren in sich birgt. So man denn die Sicht der bisherigen Regierung teilt und den Erhalt des sozialistischen Gefüges im Auge hat. Denn sobald ausländischen Investoren und Finanzinstitutionen das Recht eingeräumt wird, Land auf Kuba zu erwerben und unbehelligt zu agieren/zu investieren, wird das geschehen, was überall in der Welt des Kapitalismus passiert. Die großen Konzerne werden Kuba abräumen, die übliche, immer gleiche Glitzerwelt aufbauen, eine unvorstellbare Arbeitslosigkeit erzeugen und versuchen, aus Kuba genau das zu machen, was Batista zuließ – die Hinterhof-Laster-Spiel- und Ferienhölle.

Niemand wird heute bestreiten, dass Kuba – würde es „die kommunistische Herrschaft abstreifen“ – zum Ferienziel Nr. 1 der Amerikaner aufwüchse. Zumal die Entfernungen zwischen beiden Ländern marginal und die karibischen Bedingungen märchenhaft sind. 2016 halten sich die Zuläufe aus US-Land noch in Grenzen, noch umschifft man das Embargo mit abenteuerlichen Reisebegründungen oder reist aus einem Drittland ein. Bald aber, nämlich dann, wenn das Embargo fällt, so rechnen Experten, würden sich bis zu 10 Millionen Urlaubern pro Jahr einstellen. Schon jetzt sind mindestens 10 Landungen von US-Airlines pro Tag vereinbart. Eine Illusion, denn keiner der kubanischen Flughäfen ist dafür gerüstet. Spätestens seit gestern müsste klar sein, dass Kubas Infrastruktur auch in anderen Bereichen total überfordert wäre, dass das Land nur so viele Gäste aufnehmen kann, wie es Quartiere besitzt. Aber man macht munter weiter, ignoriert offenbar, dass Defizite sehr schnell zu gewaltigen Verwerfungen führen, ja Unwillen und Diskreditierung nach sich ziehen können. Oder weiß die Regierung um die Diskrepanzen? Nimmt sie diese zum Anlass, um doppelt befeuert neue Hotelbauten aus dem Boden zu stampfen? Fragt sich, wie sie die dazugehörenden Dinge, wie sie Strom, Gas, Wasser, Transporte usw., sprich: die gesamte Infrastruktur aufbringen will – wo es doch heute weder innerstädtische Fahrpläne, noch durchgängig dichte Wasserleitungen und Stromsperre freie Wochen gibt. Aber vielleicht hat sie die überfälligen „Reparaturen“ und den weiteren Ausbau längst imaginären ausländischen Bauherren zugeschoben, die der Überflutung von Städten und Stränden Tür und Tor öffnen.

Im Taumel des Tourismus, allein aus der Masse der Fremden heraus, könnte die Identität des sozialistischen Kubas allmählich verloren gehen. Zugunsten eines Konstrukts, das dem Dienstleisten ausgeliefert ist und aus eigener Kraft nichts anderes vermag als eben Geld aus dem Fremdenverkehr zu ziehen. Keine Ahnung, ob dann modernisierte einheimische oder aber ausländische Firmen die eigentliche Produktion lebenswichtiger Güter im Lande übernehmen, ob dann kubanische Bauern oder ausländische Landaufkäufer die notwendigen Lebensmittel für Einheimische und Touristen zur Verfügung stellen. Ob dann Kuba eine ähnlich verlängerte Werkbank großer Konzerne wird wie die Ex-DDR oder andere osteuropäische Länder.

Eines scheint klar: Sollte der sozialistische Staat fallen, dann wird es außer einigen Exilkubanern mit US-Staatsbürgerschaft kaum einen Einheimischen geben, der größere kubanische Unternehmen anführt. Stattdessen werden wir Coca Cola und McDonalds an jeder Ecke finden. Aus dem geheimnisvollen, charmanten Kuba der jüngsten Vergangenheit wird das werden, was Lateinamerika fast überall kennzeichnet: Das immer gleichbleibende, sich immer ähnlich sehende Konglomerat aus Turbokapitalismus und Elend. Es sei denn, es gelänge, die lernfähigen, gut ausgebildeten Bürger aufzufangen, es sei denn, es gelänge, eine in die latein- und südamerikanischen Bündnisse gebettete Phalanx zu bilden, eine an China, Russland und Vietnam angelehnte Strategie zu verwirklichen, die US-amerikanische Interessen in Schach hält.

Wie auch immer das Schicksal spielt: Wir wohnen einem interessanten Experiment bei, dem Versuch festzustellen, ob ein sozialistischer Staat – in welchem Ausmaß auch immer – Privatinitiative und Freiheit aushält oder nicht.  Was ich mir wünsche, ist klar: Ein Gesellschaftsmodel, dass dem Raubtierkapitalismus das Wasser abgräbt und den Übergang in eine neue, nachhaltige Welt sichert. Ob Kuba hierfür einen Beitrag leisten wird, ist höchst ungewiss.

Hoffen darf man dennoch darauf.

 

Und wieder ein Zeitsprung: 

2019 – und wir fragen uns erneut: Wie steht es um Kuba?

Sie drehen vieles zurück, heißt es – wegen Trump und weil Einkommen und Vermögen der Kubaner zunehmend auseinander driften.

Keine Frage: Es steht ambivalent um Kuba, denn sowohl außenpolitisch wie auch im Innern wird es frostiger. Trump setzt alles daran, die Herrschaft im US-Hinterhof zurückzugewinnen, und fehlende Kompetenz in diesem und jenem Land scheint ihm das leicht zu machen. Es ist unübersehbar: Das latein- und südamerikanische UnterstützerFeld bröckelt. Die linken Regierungen, die Kuba im Rahmen von ALBA und CELAG jahrelang zur Seite standen und auch selbst durch Kuba gestärkt wurden – sie haben schwer an Einfluss verloren. Christina Kirchner musste gehen, auch Lula da Silva und Dilma Russeff haben die politischen Bühnen verlassen. Nikolas Maduro kämpft gegen ein halbes Volk, die Hyperinflation und konkurrierende Präsidenten, der Ex-Revolutionär Ortega protegiert seinen Clan und düpiert alte Kämpfer. Und so scheinen allenfalls Evo Morales, Lenin Moreno und nun ja: auch der mexikanische Präsident Lopez Obrador noch feste Säulen im sozialliberal-linken Gefüge. Aber auch da knackt es im Gebälk: Morales wird das Erschleichen einer dritten Amtsperiode vorgeworfen, Lenin Moreno hat Probleme mit Julian Assange und der Ölförderung im BiossphärenReservat und Obrador empfängt Hasstiraden von Benzindieben, leeren Tanksäulen und Menschen, die Migranten an der US-Grenze zur Hölle wünschen. Zudem geben Wahlen und umkämpfte Wiederwahlen allenfalls temporäre Muster, die unbestimmt bleiben und schnell vom Für ins Wider kippen können.

Der US-Präsident hat den Kubanern alles genommen, was Obama sanft angedeutet und mit kleinen Schritten begonnen hatte. Die 12 oder 15 täglichen Landungen von US-Ferienfliegern in Havanna und Varadero, die Millionen US-Touristen in neu erbauten Luxushotels blieben eine Illusion, die blutig nachwirkt. Dabei hatten die Regierenden auf Kuba  beachtliche Schritte in Richtung Privatisierung unternommen, hatte 600.000 selbständig agierende Unternehmen zugelassen (die 2018 fünf Prozent des Haushaltseinkommens repräsentierten), hatten geschäftstüchtigen Landsleuten großzügige Konditionen bei der Vermietung privater Quartiere gewährt und die privaten Märkte befeuert. Schon verdiente zumindest ein Teil der Bevölkerung harte Währung, schon gab es Karten fürs Internet. Dann aber geriet vieles in die Abwärtsspirale. Zwar konnte Kuba 2018 beim BIP (+1,2%) und hier insbesondere im Verkehrswesen, in der Telekommunikation, bei Gesundheit und Handel zulegen, doch im Bergbau, in der Landwirtschaft, im Bauwesen und besonders in der Zuckerindustrie gab es beträchtliche Einbrüche. Die politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Venezuela, aber auch die komplizierten Wetterlagen (Hurrikan „Irma“ etc.) verursachten seit 2014 enorme Exportausfälle und zwangen gleichzeitig zur Reduzierung der Importe. Insgesamt gab es 2018 auf Kuba zwar 40.000 neue Wohnungen, aber die Einkommens- und Devisenziele wurden klar verfehlt. Fragt sich, ob diese Ziele zu hochgesteckt waren. Sicher ist, dass die gegen den Protest von 180 Mitgliedsländern der UNO neuerlich verschärften Sanktionen der Amerikaner, aber auch innerkubanische Probleme als Hemmnisse wirkten. Niemand wird bestreiten, dass die doppelte Währung im Lande, die Angst vor der Bereicherung einiger Weniger, die fehlende Freiheit bei Wahlen, bei Kommunikation und Gerichtsbarkeit etc. für Unruhe sorgen und so auch das Entwicklungstempo beschneiden. Kuba müht sich. Doch seine Kräfte sind begrenzt, die Risiken im turbokapitalistischen Umfeld immens, und es fehlen Devisen. Devisen und Kredite, die Weltbank und IWF weiter verweigern.

Dass die Regierenden nicht nur die Erfolge ansprechen, sondern auch darüber reden, was nicht erreicht wurde, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Jetzt bedarf es gewaltiger Anstrengungen vor allem in der Landwirtschaft, denn erst dann, wenn Touristen zu fast 100% mit einheimischen Lebensmitteln versorgt werden können, ist die Netto-Devisenbilanz gesund. Und erst dann, wenn auch der einfache arme Bürger seinen Lebensunterhalt – und dazu gehört ganz besonders die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln – problemlos bestreiten kann, ist die Basis für ein Weiterbestehen des roten Kuba gegeben.

Die neue Führung unter Miguel Diaz Canel versprach eine neue Verfassung, und um die wurde seit Monaten tatsächlich massenhaft gerungen. Der Entwurf ist Mitte Februar 2019 mit klarer Mehrheit angenommen worden, und nun steht die Verfassung – freilich in einer Form, die die Macht der kommunistischen Partei weder aushöhlt noch in Frage stellt. Denn sowohl die Wahlprozeduren als auch Medien und Judikative bleiben in staatlicher Hand (obwohl es verschiedentlich heißt, dass die Wahlen frei, gleich, direkt und geheim abliefen). Immerhin gibt es mit dem teilweisen Zugang zum Internet und verbesserter Rechtshilfe im Strafverfahren und einer damit einhergehenden größeren Entscheidungsfreiheit der Gerichte deutliche Fortschritte. Nimmt man die fortdauernden Errungenschaften bei Medizin und Bildung hinzu, dann fällt die Bilanz – zumindest im Vergleich zum benachbarten Kontinent deutlich positiv aus. Nicht von ungefähr haben Säuglingssterblichkeit (4 von 1.000 Lebendgeburten) und Lebenserwartung höchste Niveaus erreicht. Zuletzt ist dem kubanischen Schulsystem von der Weltbank bescheinigt worden, dass es das beste in ganz Lateinamerika sei und auch hier den Vergleich mit den hoch entwickelten Ländern nicht zu scheuen brauche.

Fakten aus https://cubaheute.de/page/1/

 

Weitere Quellen:

Hans-Jürgen Burchardt: „Kuba.Der lange Abschied von einem Mythos“, Schmetterling Verlag (1996)
Michael Zeuske: „KUBA im 21. Jahrhundert“, Rotbuch Verlag (2012)
Yoani Sánchez: „Cuba libre“, Wilhelm Heyne Verlag (2010)
Bert Hoffmann: „Kuba“, Verlag C.H. Beck (2009)
Reinaldo Arenas: „Bevor es Nacht wird – ein Leben in Havanna“, dtv (2011)
Heinz Langer: KUBA – Die lebendige Revolution“, Verlag Viljo Heinen (2007)
Zoe Valdes: „Das tägliche Nichts“, Ammann Verlag (1996)
GEOSpecial: „KUBA“ Februar/März 2009
NATIONAL GEOGRAPHIC Deutschland, Dezember 2012, S. 96/123
Wim Wenders: „BUENA VISTA SOCIAL CLUB“, 1999
Cuentos hispanoamericanos: Cuba/Erzählungen aus Cuba, dtv (2000)
Renate und Ulrich Fausten: „Helden der freien Welt“, PapyRossa Verlag (2007)
Granma INTERNATIONAL, Dezember 2012
Abenteuer und Reisen: „Havanna“, Nr. 1-2/2004
DER SPIEGEL 12/2012, S. 90-92
dradio.de: „Von der Insel des Sozialismus“, 22. Oktober 2007
DER SPIEGEL, 8/2012; S. 92-94
Cuba kompakt, 15. März 2012
DER SPIEGEL 28/2012, S. 95
CUBA LIBRE, Freundschaftsgesellschaft BRD-KUBA, 1/2012
stern.de: „Die neue Marktwirtschaft“, 28. März 2012
Junge Welt, Nr. 72 vom 24./25. März 2012
Neue Zürcher Zeitung, 11. Dezember 1997
The Guardian: „Havanna, nicht Guantanamo“, 14. Januar 2009
DER SPIEGEL 2/2013, S. 82-85
Granma INTERNATIONAL, Oktober 2012
Netzwerk Cuba/Nachrichten/america21.de, 23. Januar 2013-01-24
Marita Lorenz: „Lieber Fiedel“, List Verlag (2001)
Commandante – Oliver Stone trifft Fidel Castro (USA, 2003) http://www.youtube.com/watch?v=keXhxHUbdEg
ARTE:”I love Democracy:Kuba” , 21. Januar 2013 http://www.arte.tv/de/i-love-democracy-kuba-ohne-fidel-castro/7234894.html
Amerika21.de – 8. November 2013
Granma int. 48(2013)8
Granma int. 48(2013)11
Junge Welt v. 4. Januar 2013
Ulrich Scharfenorth und Heinz Hach: Reisenotizen Kuba (19. November – 3. Dezember 2012)
Weitere Infos über

7 Tage in Havanna – Film http://www.7tageinhavanna.de/

Finding Fidel – Film von Erik Durschmid http://www.youtube.com/watch?v=vqolAdjK3DI

Div. Filme aus unterschiedlichen Medien:
http://mediathek.daserste.de/sendungen_a-z/894524_weltreisen/9440432_quer-durch-kuba;

http://www.daserste.de/weltreisen/beitrag_dyn~uid,r5notl0tvc2yysto~cm.asp;

http://programm.daserste.de/pages/programm/detailArch.aspx?id=37453A26EE7813624F0B08623CD0637D; http://www.ardmediathek.de/hr-fernsehen/service-reisen/kuba?documentId=9528042

http://www.ardmediathek.de/das-erste/weltspiegel/kuba-glanz-und-elend-havannas?documentId=9385412

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1530538/Kuba—Insel-aus-einer-anderen-Zeit#/beitrag/video/1530538/Kuba—Insel-aus-einer-anderen-Zeit

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1532404/Kuba-Sozialistisches-Paradies-im-Wandel#/beitrag/video/1532404/Kuba-Sozialistisches-Paradies-im-Wandel

http://mediathek.daserste.de/sendungen_a-z/894524_weltreisen/9440432_quer-durch-kuba

http://www.clipfish.de/special/zoom-in/video/3873331/karibik-hurrikan-sandy-toetet-21-menschen/

http://www.clipfish.de/tagvideos/Kuba

http://www.arte.tv/de/kuba-das-taegliche-ueberleben/3316860,CmC=3320910.html

http://www.arte.tv/de/kuba-es-lebe-die-marktwirtschaft/6785800,CmC=6787978.html

http://videos.arte.tv/de/videos/kuba_warten_auf_die_wende–3121572.html

http://videos.arte.tv/de/videos/kuba-chevy-buick-harley-und-co–6808858.html

http://videos.arte.tv/de/videos/kuba-auf-den-spuren-fidel-castros–7035408.html

http://www.3sat.de/programm/?showid=C6403E684881A881

http://www.3sat.de/mediathek/?display=1&mode=play&obj=31830
Hasta siempre comandante:

http://www.youtube.com/watch?v=xxCjNiaYCnI Victor Jara

http://www.youtube.com/watch?v=SSRVtlTwFs8 Nathalie Cardone