Es kommt einer Katastrophe gleich, dass es von Seiten des Westens, vor allem aber auch von Seiten Deutschlands keinen offiziellen Vorschlag für einen Waffenstillstand/Frieden im Ukrainekonflikt gibt. Die Chinesen, die Afrikaner, die Brasilianer etc. haben sich dazu geäußert. Scholz & Co. tun nichts an dieser Stelle. Und üben nur schaurige Solidarität, sprich: nehmen mit dem aussichtlosen Freiheitskampf/mit dem brutalen Stellvertreterkrieg fortlaufend Tausende Tote in Kauf. Traurig, dass dann Privatpersonen in die Bresche springen müssen. Prof. Peter Brandt, Prof. Hajo Funke, General a.D. Kujat und Prof. Horst Teltschik haben am 9. September in der Berliner Zeitung einen mutigen Plan nicht nur für die Beilegung des Konfliktes, sondern auch für die darauffolgende Zeit bis zum Abschluss einer europäischen Friedensordnung vorgelegt. Etwas, auf das z. B. Rheinischen Post bis heute nicht mit einem Wort eingegangen ist. Der Berliner Zeitung als derzeit einziger Tageszeitung, die an dieser Stelle ausführlich berichtet, ja mehr noch: als einer Zeitung, die wenige Tage darauf einen völlig konträren Beitrag und damit eben ein komplettes Meinungsbild von sich gibt, ist deshalb doppelt zu danken.
Zurück zum Vorschlag der vier besorgten Bürger. Ich empfehle ausdrücklich, den dazugehörigen Text komplett zu lesen https://www.berliner-zeitung.de/open-source/ukraine-krieg-ein-frieden-durch-verhandlungen-ist-moeglich-li.386287
– aber auch festzustellen, was der bellizistisch agierende Gegenspieler Klaus Wittmann zum Thema vorbringt https://www.berliner-zeitung.de/open-source/ukraine-krieg-die-fatalen-folgen-eines-verhandlungsfriedens-li.418959.
Wenn Letzterer moniert, dass Brandt, Funke, Kujat und Teltschik das Verbrecherische an Putins Feldzug zu wenig herausgestellt und die Ukraine mit ihrem Vorschlag düpiert und damit den Freiheitswillen der Freien Welt insgesamt beschädigt haben, dann stellen sich bei mir die Ohren auf. Klar: Putin ist ein Verbrecher, wie es nur wenige auf der Welt gibt (da fallen mir auf die Schnelle nur Truman, Bush jnr., Stalin, Hitler, Mao, Pinochet und die Nordkoreaner ein). Putin ist der Prototyp eines Imperialisten, der glaubt, tun und lassen zu können, was ihm gefällt, der sich Länder und Menschen greifen und in „eigene Reich“ einverleiben kann. Putin muss geächtet und dauerhaft aus dem Verkehr gezogen werden – ein innerrussisches Problem. Mit einem Nach-Putin-Russland wird man weiter verhandeln, leben und sich kulturell und wirtschaftlich austauschen können/müssen (?).
Soweit zur Beurteilung des aggressiven Angriffs selbst. Zur Kriegsschuld muss sehr viel weiter ausgeholt werden. Hier trifft es auch den Westen und die Ukraine. Dazu habe ich in den zurückliegenden Monaten ausführlich geschrieben, u.a. unter https://www.stoerfall-zukunft.de/das-problem-darf-nicht-mit-schweren-waffen-es-muss-diplomatisch-geloest-werden/.
Nach unserem Demokratieverständnis muss sich jeder Bürger einer imperialistischen Aggression entgegenstellen. Fragt sich, um welchen Preis und in welcher „Gefechtslage“ eine solche Haltung umsetzbar ist und wann man (notgedrungen) von ihr Abstand nehmen muss. Im Fall Ukraine ist der Blutzoll unvertretbar hoch, weil der Gegner in der vorliegenden „Konstruktion“ haushoch überlegen ist (das aber bisher nur bei unverantwortlichen Raketenattacken gezeigt und mit dem Verzicht auf Gegenoffensiven eine mögliche Besiegbarkeit an der Front suggeriert hat). Niemand kann von einem Volk erwarten, dass es sich und seine Infrastruktur sukzessive auslöschen lässt. Das Leben gibt es nur einmal, und ein Wiederaufbau aus dem Fast-Nichts heraus dürfte Jahrzehnte dauern. Ganz zu schweigen von dem bislang völlig ungelösten Vorhaben, Misswirtschaft und Korruption, die Herrschaft der Oligarchen, zu tilgen.
Ich wiederhole mich: Der Westen lässt seit mehr als zwei Jahren Tausende, oft schon schwer lädierte und traumatisierte ukrainische Soldaten für einen westlichen Freiheitsbegriff kämpfen und verbluten. Und profitiert noch dabei: Er kann die Bestände alter Waffen kostengünstig verhökern und den Konkurrenten Russland wirtschaftlich und militärisch schwächen.
Für mich ist klar, dass dieser Krieg von keiner Seite zu gewinnen ist. Und dass es auch nicht dazu kommen wird, dass Russland vor jeglicher Vereinbarung seinen Abzug aus den besetzten Gebieten erklärt. Letzteres dennoch anzustreben, ist – ganz im Gegensatz zu Wittmann – kompletter Wahnsinn. Um den Krieg zu beenden, muss ein vorläufiger Raubfrieden – ganz so wie es die vier Autoren beschreiben – akzeptiert werden. Später müssen vorläufige Ergebnisse mit Hilfe der UNO/der Weltgemeinschaft/der großen politischen Bündnisse nivelliert, korrigiert oder annulliert werden.
Derzeit kann sich niemand den drohenden, endlosen Stellungskrieg, der kein Ergebnis zeitigt, leisten – auch Deutschland nicht. Rein wirtschaftlich hat der Krieg schon jetzt auch den Westen unendlich viel Geld gekostet. Geld, dass die Steuerzahler in den jeweiligen Ländern auch dann aufbringen mussten, wenn sie gegen den Konflikt votierten. Von den konjunkturellen Einbrüchen, von Inflation und Einbußen beim Lebensstandard will ich gar nicht reden.
Mein Appell geht an den bislang einzigen Profiteur – die USA, die Ukraine zum Einlenken, d. h. zum Abgehen von den derzeitigen Maximalforderungen, zu bewegen. Er geht aber auch an alle westlichen Bündnispartner, endlich zu erklären, dass die Ukraine diesen Krieg nicht gewinnen kann. Weder mit Hilfe gefälschter Verlustzahlen (s. Wittman, der die Zahlen unbesehen glaubt), noch aus rein militärtechnischer Sicht nicht. Denn die Vielzahl der vom Westen bereitgestellten – z. T. uralten Waffen – bringt größte Probleme mit sich. Abgesehen davon, dass es eine Frechheit ist, die Ukrainer mit alter Technik zu beliefern, können mit einer solchen Ausrüstung nur punktuelle Teilerfolge erzielt werden. Hinzu kommt eine totale Irritation/Hilflosigkeit. Fallen nämlich die Waffen des Rüstungskonzerns A aus, dann sind die Mannschaften nicht in Lage, in der Nachbarschaft verfügbare, aber völlig anders konstruierte, vom Rüstungskonzern B stammende Waffensysteme zu bedienen. Dieser Situation steht ein Feind gegenüber, der moderne und einheitlichen Waffensysteme in unendlicher Folge nachproduzieren und einsetzen kann. Und zudem das Know-how aus erbeuteten westlichen Waffen schöpft. Das wiederum wird keinen aktuellen technischen Stand repräsentieren und im Umkehrschluss deutlich machen, dass der Westen um keinen Preis, Ausrüstungen aus dem Hightech-Waffenprogramm exportiert hat und exportieren wird. Ein Sieg der Ukraine wird damit in weite Ferne gerückt.
Fragt sich, ob die Erkenntnisse aus erbeuteten russischen Waffen in umgekehrter Richtung Wunder bewirken oder eben nur die Patsituation befestigen.