Den Gürtel enger schnallen und nicht drauflos schreien, wenn Freiheitsrechte mal eingeschränkt werden

32 Tage danach*. Ich ertappe mich erneut bei einigen Gedanken, die mir wichtig erscheinen:

Obwohl es epidemiologisch angesagt ist, den Lockdown fortzusetzen, ist jetzt Lockerung angesagt https://www.focus.de/gesundheit/michael-meyer-hermann-im-zdf-heute-journal-infektionsforscher-zu-corona-fahrplan-epidemiologisch-ist-jede-lockerung-falsch_id_11889830.html. Ich weiß nicht auf welcher Grundlage. Denn die Grundvoraussetzungen für den Schutz der Bevölkerung, für den Schutz innerhalb von öffentlichen Verkehrsmitteln, Physiotherapien, Altenheimen, Pflegeeinrichtungen  und Unternehmen sind nicht gegeben. Denn es fehlt nach wie vor an Schutzkleidung – vor allem an Gesichtsmasken – und Desinfektionsmitteln.  Wenn man es mit der besonderen Sorgfalt gegenüber besonders Gefährdeten Ernst meinte, hätten die Pfleger und das sonstige pflegerische Personal längst mit Schutzausrüstungen versehen werden müssen. Ganz zu schweigen von den Alten und Kranken, die sich an diesen Orten aufhalten. Stattdessen versorgt man die Ärzte und Krankenschwestern an den Hotspots der Epidemie, denen niemand bei der Beschaffung ihrer Schutzausrüstung in die Quere kommen darf. Richtig so – aber richtig so auch die Not und die Notdurft – die mit den Plänen der Regierenden schwerlich zusammen passen.

Dass man die Maskenpflicht nicht für all und jeden Aufenthalt im Freien verordnet, ist ausschließlich dem Mangel an Ausrüstung geschuldet. M.E. dürften jetzt nur diejenigen Unternehmen wieder anlaufen, deren Chefs das Tragen von Schutzmasken für alle dicht benachbart agierenden Mitarbeiter garantieren können.

Schulen und Kitas zu öffnen – das entspringt dem dringenden Bedürfnis, die Enge in kleinen Wohnungen zumindest zeitweise aufzulösen, aber auch dem Ziel, Abschlüsse bei laufenden oder fälligen Prüfungen zu erreichen. So gravierend die häuslichen Probleme auch sind. Besagte Einrichtungen schon jetzt – ja in NRW extrem früh: bereits ab kommenden Donnerstag – wieder anlaufen zu lassen, ist grundfalsch. Die Proteste von Schülern und Lehrkräften dürften mir da Recht geben. Welcher Schüler ist denn in der Lage, angesichts von Corona und Ansteckungsangst ein ordentliches Prüfungsergebnis hinzulegen? Man könnte doch einfach abstimmen und die Jahresleistung zur Messlatte für den schulischen Erfolg machen. Das Abi müsste nicht sein, und die Geilheit der SuperAbschlussEhrgeizigen sollte gedeckelt werden.

Ich meine, dass es immer dort, wo Menschenansammlungen anstehen/zu befürchten sind, eine Maskenpflicht geben muss. Das sollte für alle öffentlichen Verkehrsmittel, aber auch für in sich geschlossene Einrichtungen, in denen die Menschen – auf welcher Fläche auch immer – einkaufen, gelten.

Wir befinden uns auf einer Berg- und Talfahrt – Lockdown und Öffnung werden solange einander abwechseln bis der Impfstoff vorhanden ist und alle bislang Unbetroffenen immunisiert sind https://www.tagesschau.de/inland/corona-entwicklung-interview-101.html. Dabei müssen die Prozesse so gesteuert werden, dass unser Gesundheitssystem nicht überfordert wird. Die Tatsache, dass derzeit 10.000 Intensivpflegeplätze leer stehen, ist angesichts möglicher Fehlsteuerung völlig belanglos. Denn im Ernstfall könnten plötzlich Hunderttausende so einen Platz benötigen.

Immer wieder begegne ich den Verharmlosern. Sie rennen täglich in geschlossene Verkaufsräume,  halten  Schutzmasken  für lächerlich und stellen die von der Regierung/den Ländern  und Ausländern betriebene AntiCorona-Politik in Frage. Sie setzen sich den Ansteckungsgefahren, die sie klein reden, bewusst aus und erkranken. Sie übertragen Corona auf ihre Mitbürger und bestreiten das. Es gibt sogar paarweise radelnde Mädchen, die mich zum Absteigen zwingen und anschließend verhöhnen.

Ich halte das Jammern – vor allem der sorglos Begüterten – um Freiheitsrechte für völlig überzogen. Vor allem, wenn diese Bessergestellten die Einschränkung der eigenen Rechte beklagen. Da sind doch ganz andere Betrachtungen angesagt. Man muss sich nur vorstellen,  wie arme Menschen in Afrika, Asien, Südamerika und selbst in den USA der Seuche ausgeliefert sind, wie Ärzte und Krankenschwestern kämpfen müssen und selbst bei aller Bazooka gegen Corona ihr Leben opfern (über 60 deutsche Ärzte und Krankenschwestern sind bereit tot!). Wir leben doch im Schnitt selbst bei Beschränkungen unter den besten Verhältnissen weltweit. Da ist doch vor allem Bescheidenheit und Demut angesagt! Zumal wir Deutsche die hilflose Situation in den Entwicklungsländern mit verschulden. Denn da ist seit mehr als hundert Jahren Ausbeutung durch internationale, aber auch deutsche Konzerne angesagt. Ich denke nur an die Ausbeutung von Rohstoffen(Frankreich in den ehemaligen Kolonien https://www.deutschlandfunk.de/der-westafrikanische-franc-frankreich-und-der-unsichtbare.724.de.html?dram:article_id=436556 , an die diskriminierenden Freihandelsabkommen mit Afrika https://www.attac.de/kampagnen/handelsabkommen/einzelne-handelsabkommen/epas/ und die Lebensmittelexporte, die massenhaft einheimische Strukturen zerstören https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/freihandel-eu-importe-torpedieren-afrikas-wirtschaft-1.3314106.

Schlimm sind die Beschränkungen für Leute, die auf engem Raum mit vielen Kindern klar kommen müssen. Vor allem da und bei der Versorgung mit Schutzkleidung muss dringend gehandelt werden. Ich kenne eine große Physiotherapie, in der es (Stand vor einer Woche) weder ausreichende Schutzausrüstung noch Desinfektionsmittel gab. Das Düsseldorfer Gesundheitsamt sah sich außer Stande zu liefern. Man muss sich nur vorstellen, welchem Risiko behandelnde Kräfte ausgesetzt sind, die es täglich mit bis zu hundert Patienten zu tun haben.  Ein Skandal inmitten des ständigen Geredes um mehr Öffnung.

Es ist nicht zu glauben, dass Gastwirte, denen die Öffnung ihrer Läden nach wie vor verboten wird, von einer Geringschätzung ihrer Branche durch die Regierenden sprechen. Und das diesem Aufbegehren auch noch Raum in den Medien gegeben wird. Jeder Mensch versteht, dass das Hotel- und Gaststättengewerbe unter den derzeitigen Zwangsmaßnahmen besonders leiden. Doch hier darf nicht Öffnung geboten sein. Hier muss der Staat für ausfallende Geschäfte, zumindest aber für die Existenzsicherung der Unternehmen sorgen.

Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass die in der ersten Runde losgeschlagenen Hilfspakete nur ein Teil dessen sind, was bis zum Ausklingen der Pandemie erforderlich wird. Angesichts dessen sollte wir schon jetzt den Riemen  enger schnallen. Forderungen der Umweltbewegung, von Attac und Campact, mit diesen Geldern auch gleich noch Umweltprobleme zu lösen, sind folglich nicht nur wirklichkeitsfremd, sondern auch ärgerlich. Weil es angesichts vorhandener Existenzängste vor allem um das Überleben von Menschen und Unternehmen geht. Betrachtet man die Sache zugespitzt, dann ist davon auszugehen, dass die vor dem Wiederanlauf befindlichen Unternehmen den Staat eher bedrängen werden, von Umweltauflagen abzulassen. Woraufhin der Staat/die Politik (als Marionetten von Wirtschaft und der Finanzindustrie) eher diesem Druck als dem nach höheren Ausgaben für den Umweltschutz nachgeben dürften.

Die Protagonisten Kirchen haben immer gut reden. Auch jetzt, da viele ihrer Gebetsstätten geschlossen sind. Sie reden und reden und beeinflussen das, was ohne sie läuft, wenig oder gar nicht. Es wird derzeit viel Geld gebraucht. Hier zu Lande, aber besonders in den armen Ländern. Wo ist die 1-Billion-€-Spende aus den unkontrollierten, undemokratisch verwalteten Reichtümern, die Bedford-Strohm und die Kurie verwalten?   

 

* Ich zähle Corona vom 15. März an. Wir hatten damals die vorerst letzte Veranstaltung der Ratinger KULTURkneipe vor der Brust: die Aufführung meines Dokumentarfilms „Paris Belle Epoque – eine Spurensuche“. Das Ganze lief vor 18 Personen, die sich getraut hatten und brachte mir neben ziemlichem Applaus viel Wie-konntest-du-nur-Kritik ein.