Der dumme Streit um Nordstream 2 hätte nur Sinn, wenn jemand eine vollständige Energiebilanz auf den Tisch legen und konkrete Alternativen für die Versorgung benenne würde. Doch selbst Claudia Kempfert ist nur am Abwiegeln, denn begründen lässt sich das Abwehrgeschrei nirgendwie. Wer mir erzählen will, dass die Gasleitung ohne Sinn und Verstand geplant worden sei, ist ein Dummkopf. Schließlich wissen wir, dass Gas angesichts der Energiewende – also bei Loslösung von Atomkraft und Kohle – dringend als Brückentechnologie benötigt wird. Noch zwingender, weil die Braunkohle schon 2030 auslaufen soll und muss. Nordstream 2 zu blockieren hat nur eine Grund: die Russen – wie immer – zu düpieren. Sie sollen die Finger von der Ukraine lassen, obwohl sie garnicht vorhaben, einen anderen Weg als den des Minsker Abkommens zu beschreiten. Angesichts der heftigen Truppenbewegungen der Amerikaner in den baltischen Staaten und in Polen, angesichts der massiven Aufrüstung der Ukraine mit modernen amerikanischen Technologien und Waffen, angesichts des latenten Beschusses der Separatisten, also: angesichts der massiven Verletzungen des Minsker Abkommen durch die Ukraine, fällt das schwer. Truppenkonzentrationen auf russischer Seite sind daher nichts anderes als die gegnerischen Drohgebärden. Nur werden letztere von unseren Medien ausgeblendet bzw. unter den Teppich gekehrt. Bezeichnend ist, dass es zu Minsk 2 seit mehr als einem Jahr keinerlei westliche Pressemitteilung gibt, sprich: dass sich niemand in der EU um einen gerechten Frieden – mit einer Autonomie für Donezk und Lugansk bemüht.
Simon Tisdall sieht die EU sogar völlig machtlos. Allein die USA, Russland und die Ukraine könnten etwas bewegen – wenn denn der Wille da wäre https://www.freitag.de/ausgaben/5021. An dem fehlt es aber offenbar. Vermutlich, weil die Krise von der Ukraine und den Amerikanern bewusst aufrecht erhalten werden soll. Es macht sich eben gut, weil man Russland auch bei ständiger eigener Provokation weiterhin in der „MoralKlemme“ halten kann. Ergäbe sich da ein kleiner StellvertreterKrieg, ließen sich auch moderne amerikanische Waffen mal testen. Und der Druck auf die noch unwilligen EU-Mitglieder, die bislang nichts vom NatoBeitritt der Ukraine halten, würde automatisch steigen. Gute Aussichten also für eine weitere Einkreisung Russland – die man trotz gegenteiliger Zusagen an Gorbatschow planmäßig fortführen kann (damals hatte man sogar zugesagt, den Einfluss der Nato nicht einmal auf das Gebiet der damaligen DDR auszudehen, geschweige denn …) https://de.wikipedia.org/wiki/NATO-Osterweiterung.
Ich bin wohlgemerkt kein sturer Parteigänger Putins. Ich finde weder die Anexion der Krim richtig (obwohl die Jahrhunderte lang zu Russland gehört hatte und von Chrustschow eher „scherzhaft“ und unter dem Gesichtspunkt einer endlos währenden Sowjetunion an die Ukraine verschenkt wurde – was heute völkerrechtlich ohne Belang ist, denn verschenkt ist verschenkt!), noch würde ich jemals einen Anschluss von Donetz oder Luganzk an Russland gutheißen. Ganz im Gegenteil!
Aber wir kennen die USA, wir kennen die Kriege, die welche Regierungen auch immer vom Zaun gebrochen haben, wenn Vorherrschaftsansprüche, ungetestete neue Militärtechnologie oder volle GranatenSilos dies „nützlich“ erscheinen ließen. Auch in Osteuropa stellt sich die Frage, was die Amis in Polen, in den baltischen Ländern und in der Ukraine verloren haben. Sie sind dort seit Jahren mit Truppen und Ausrüstungen zugange und nebenbei gut damit beschäftigt, die EU auseinanderzudividieren. Dies zu erkennen und endlich dagegen vorzugehen, ist ein Gebot der Stunde – für ein Europa, das sich endlich auf sich selbst besinnt und Stärke zeigt. Eine Stärke, die dem Frieden dient. Leider ist von Seiten der EU zur Zeit nichts als die gewohnte devote Haltung zu spüren. Sieht man mal von einem bemerkenswerten, leider von den Medien weitgehend verschwiegenen Rückgriff auf die Vernunft ab. Gemeint ist das Statement vom 5. Dezember 2021, das unter dem Motto „Raus aus der EskalationsSpirale! Für einen Neuanfang im Verhältnis zu Russland!“ ein sofortiges Moratorium zum Fall UKRAINE fordert. Unterstützt wird die Initiative von 28 ehemaligen deutschen Diplonaten und hohen Militärs (sie waren Generalinspekteur der Bundeswehr oder NATObotschafter in Brüssel!), die unverzüglich einen auf zwei Jahre angesetzten Verhandlungsprozess ohne Vorbedingungen sowie den Verzicht auf weitere Truppenstationierung an der Westgreze Russlands fordern https://www.freitag.de/ausgaben/5021.