Dass keine der bisher in Deutschland aktiven Großen Koalitionen zu großen Würfen fähig war, ist eine Binsenweisheit. Denn durchgängige, in sich schlüssige Lösungen werden durch sie – ganz gleich, ob sie das schwarze oder rote Spektrum stärken könnten – systematisch vereitelt. Was bleibt, ist der Kompromiss, ein gegenseitiges Zugeständnis, dass mitunter unumgänglich ist, immer aber Potenzial kostet.
Auch heute regiert die GroKo. Was es besonders schlimm macht: Sie verliert permanent an Zustimmung. Würden nämlich die Ergebnisse der jüngsten ARD-Sonntagsfrage machtwirksam, dann hätte schwarz-rot bereits verloren (41%). Alternativ böte sich ein schwarz-grünes Bündnis an (52%), während ein grün-rot-rotes (mit grüner Führerschaft und zerstrittenen Linken) außer Sicht wäre (45%) https://www.infratest-dimap.de/umfragen-analysen/bundesweit/sonntagsfrage/. Für die deutsche Klimapolitik bedeutet das in doppeltem Maße rückwärtsgewandte Handlungsoptionen, denn schon das, was die Sozialdemokratin Svenja Schulze im Klinch mit der CDU verkümmern ließ und dann in ein nochmals kastriertes Gesetz presste, war „Klimaschutz erbärmlich“ https://rp-online.de/politik/deutschland/klimaschutz-und-klimapaket-frau-schulze-muss-nicht-mehr-bitten_aid-46372817. Spätestens als die Wirtschaftsverbände, als die Autoindustrie und dann auch Medien wie die Rheinische Post Zustimmung signalisierten, wurde klar, dass das von der GroKo verabschiedete Gesetz nicht mit dem Ziel verabschiedet wurde, das Pariser Abkommen zu erfüllen. Ganz im Gegenteil: Es sichert mit seinen anspruchslosen und zum Teil nicht einmal ausformulierten Zielen (CO2-Einstiegspreis, Pendlerpauschale), ja mehr noch: mit dem bewussten Verzicht auf Sanktionen bei Nichteinhaltung der Vorgaben ein störungsfreies WEITERSO https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/fuer-veraenderung-bereit. Nur eine von den Grünen geführte grün-rot-rote Koalition wäre in der Lage, einen grundlegenden Paradigmenwechsel zu vollziehen. Wobei nicht nur klimarelevante, sondern auch sozialpolitische Weichenstellungen möglich wären (Stichworte: Hartz IV, Mindestlohn, fehlende Sozialwohnungen, Grundrente/Altersarmut, Fortsetzung des NSU-Prozesses). Mit der Folge, dass der AFD wichtige soziale Themen und damit auch Macht entrissen würden. Die Linke, genauer gesagt: Sahra Wagenknecht, hat hierzu das bisher überzeugendste Konzept vorgestellt https://www.youtube.com/watch?v=EC5uCtEdkfQ. Sie findet, dass Klimaschutz auch bei den weniger betuchten Menschen ankommen muss, um die große Kehrtwende zu ermöglichen. Dies geschehe aber nur, wenn sich die Lebenssituation bis hinein in den Mittelstand signifikant verbessere.
Leider stehen die Zeichen eher auf schwarz-grün, was in beiden Feldern zur Verschärfung der Situation beitragen muss. Denn ein von der CDU/CSU dominiertes Bündnis mit den Grünen würde sowohl in Sachen Klima als auch im sozialen Bereich weitere Rückschritte, zumindest aber eine anhaltende Stagnation festschreiben. Vor allem dann, wenn ein Mann wie Friedrich Merz, derzeit deutscher Sachwalter der weltgrößten Finanzkrake, die Macht ergriffe https://blog.fdik.org/2019-03/s1552333938.
Keine Ahnung, wie es jetzt weiter geht. Drei Optionen scheinen denkbar: Entweder es kommt zur weiteren Aufheizung in der Klimafrage – wie es die Extinction Rebellion erahnen lässt. Oder der von Greta Thunberg, von Fridays für Future von Ende Gelände und anderen Organisationen praktizierte zivile Ungehorsam löst eine breite, friedliche Bürgerbewegung aus. Letzte und deprimierendste Vision: Der Protest verdampft allmählich.
Eines ist klar: Völlig friedlich werden die Ressourcenverschwender und Umweltverpester ihre Pfründe nicht aufgeben, und keiner der Mächtigen in Deutschland ist freiwillig bereit, das Auseinanderdriften von Arm und Reich einzudämmen. Daran, dass sich die Dinge in absehbarer Zeit so drehen, wie es für eine lebenswerte Zukunft der folgenden Generationen notwendig wäre, ist folglich nicht zu denken. Die bestehenden Kräfteverhältnisse, die unterschiedlichen Auffassungen in der Sache, aber auch die aus Sicht des Gesetzgebers möglichen Handlungsoptionen geben solchen Wandel nicht her.
Gewiss: Auch in Deutschland könnten Gelbwesten auftauchen. Vor allem solche, die die Spannungen in der Gemengelage nutzen, um Randale zu veranstalten, weniger die, die trotz der lächerlichen Benzinpreiserhöhung auf die Barrikaden gehen.
Tatsächlich weniger die! Und gut möglich, dass die GroKo die lächerliche Erhöhung so lächerlich konzipiert hat, weil sie vor Gelbwesten in Deutschland … panische Angst hat.