Olaf Scholz vor einem Panzer der Bundeswehr, Analena Baerbock in einem Flugzeug der US-Airforce, „Panzer-Toni“ Hofreiter mit grünem Kriegsgebrüll, die Strack-Zimmermann auf Kurs der Rüstungsindustrie, Michael Roth mit Kampfflugzeugen für die Ukraine, Pistorius mit offensiven Taurus-Prognosen und all die ParteiOberen mit klarer Geste für die Fortsetzung des Ukrainekrieges.
Ich frage mich, wo die deutsche Politik gelandet ist, wie sie gegen mehr als 60% der Bevölkerung noch so regieren kann, wie sie regiert. Ich frage mich, wie unser Land das wieder gutmachen, wie es die Verantwortung für den Tod von russischen Soldaten durch deutsche Waffen übernehmen will. Ich frage mich, wie je wieder ein gutes Wort mit einem Russen gewechselt werden – oder zwei Level darüber – eine europäischen Friedensordnung unter Einbeziehung Russlands auf den Tisch kommen soll.
Die kompromisslose Formel, dass man die von Putin vereinnahmten Gebiete um jeden Preis zurückerobern müsse, aber auch die Tatsache, dass der Agressor Putin anektiertes Land nicht preisgegebn will – beides stiftet täglich neues Leid. Trotzdem ist nicht ansatzweise an eine Konfliktlösung, geschweige denn an einen Sieg einer der beiden Seiten zu denken. Die nahezu erfolglose Offensive der Ukraine wird schon in einem Monat im Schlamm versinken, und Putin wird unverändert dagegen halten. Was nichts anderes bedeutet, als dass man wieder da ist, wo man immer war: im bewegungslosen, aber wiederum tödlichen Stellungskrieg, am Gegenüber ohne Entscheidung. Dass dafür Tausende Soldaten ins Gras beißen mussten und müssen, dürfte auf beiden Seiten als Heldentum deklariert werden. Freilich mit dem Unterschied, dass eine Seite den gerechten Krieg führte. Aber tot ist eben tot. Und das Leben gibt es nur einmal.
Abgesehen von einigen irrsinnigen Patrioten will kein Mensch freiwillig in den Krieg – auch … in keinen Verteidigungskrieg. Der – mit modernen Waffen ausgetragen – noch brutaler ist als es die zurückliegenden Weltkriege waren. Die Überlebenschancen sind gering und die edlen Motive schnell aufgebraucht – wenn, wie zumeist – der Tod oder das Krüppeldasein ansteht. Für wen kämpfen die Soldaten. Auf der einen wie auf der anderen Seite für ein korruptes Regime, das von Autokraten und Oligarchen beherrscht wird. Für Länder also, in denen totale Rechtlosigkeit herrscht, für Länder also, die Demokratie nicht einmal im Ansatz kennengelernt haben. Denn auch Timoschenko, Poroschenko, Melnyk, ja eigentlich alle, die in der Ukraine herrschten/herrschen und etwas zu sagen hatten/haben, rochen bzw. riechen nach bösestem Wildwuchs. Da ändern auch die jüngsten Massenentlassungen aus Militär und Versorgung gar nichts. Nimmt man die Tatsache hinzu, dass der gewählte Präsident Janukowitsch durch einen Putsch vertrieben wurde, dass auf dem Maidan bezahlte Demonstranten mitmischten, dass damals Schüsse fielen, für die es bis heute keine Erklärung gibt, nimmt man hinzu, dass US-Politiker monatelang die ukrainische Regierung „verstärkten“ und Biden jnr. die politische Einflussnahme durch finstere Eskapaden auf dem Energiesektor begleitete, dann ist plötzlich unklar, welche Werte dort verteidigt werden.
Vom Regime Putins muss ich gar nicht erst reden. Es spiegelt die Autokratie in ihrer aggressivsten und verabscheuungswürdigsten Form (der russischen Bevölkerung werden Informationen und fundamentale Rechte vorenthalten. Russland führt einen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine – auch gegen zivile Einrichtungen und Infrastruktur, was einen permanenten Bruch des Völkerrechts bedeutet). Aus der komplizierten Gemengelage resultiert eine indoktrinierte, verblendete und reglementierte Bevölkerung, die Putin mehrheitlich folgt, andererseits aber weder eine kraftvolle Opposition hervorbringt noch nennenswert unterstützt – ja mehrheitlich tatenlos zuschaut, wenn Dissidenten für Jahrzehnte weggesperrt werden.
Männer, die dem Krieg entfliehen, stehen grundsätzlich in schlechtem Ruf. Auf ukrainischer Seite, weil sie den Freiheitskampf einfach aufkündigen, auf russischer Seite, weil sie ebenfalls als unpatriotisch und feige gelten. Dass die Ukraine von der EU verlangt, geflüchtete Landleute auszuliefern, zeugt davon, dass man Menschen auch gegen ihren Willen in den Tod schicken möchte. Vermutlich, weil es ein zu rechtfertigender, sprich: gerechtfertigter Tod zu werden verspricht. Einfach ekelhaft, da doch der Wille, an keinem Krieg, an keiner Selbstvernichtung teilzunehmen, ein urmenschliches Verlangen darstellt (im Gegensatz dazu ist lt. Internationalem Recht ein Land, dass angegriffen wird, berechtigt, Soldaten – auch gegen ihren Willen – einzuberufen und zum Kampf zu verpflichten).
Interessant auch, dass der Westen russischen Deserteuren – ganz gleich, ob sie bereits einberufen oder vor der Einberufung geflohen sind – seltener Asyl gewährt als ukrainischen https://www.tagesschau.de/inland/asyl-kriegsdienst-verweigerer-russland-100.html. Wo doch klar ist, dass diese Personen einem ungerechten Krieg entfliehen. Unbegreiflich auch, dass die Grenzen der EU für Russen zunehmend geschlossen werden. Als ob das Russischsein an sich schon Bösartigkeit und Schuld bedeutet – also einen Generalverdacht rechtfertigt.
Daran, dass sofort ein Waffenstillstand herbeigeführt werden muss – schon, weil es die Regimes auf beiden Seiten nicht wert sind, dass man für sie stirbt – denkt derzeit offenbar niemand. Weil Elend, Zerstörung und Tod außerhalb der Ukraine und Russlands kaum wahrgenommen werden oder wehtun. Denn Wohlleben und Luxus laufen – vor allem hier im Westen – unbehindert weiter. Auch dann, wenn auf hohem Level über Inflation, hohe Energiepriese und Militärausgaben geklagt wird.
Ein Witz der Sonderklasse ist die Münsteraner Friedenskonferenz, die sich auf das einvernehmliche Ende des 30jährigen Krieges beruft https://www1.wdr.de/mediathek/video-westfaelische-friedenskonferenz-in-muenster-100.html. Das – wie kaum vernehmlich festgestellt wird – nur deshalb zustande kam, weil beide kriegführenden Seiten Erfolge ausweisen konnten. Parallelen zum Ukrainekonflikt werden trotz dieser Binsenweisheit vehement zurückgewiesen.
In Münster geht es – wie eh und je einseitig, sprich: ohne Beteiligung aller am Krieg beteiligten Seiten und ohne Einbeziehung gewichtiger Schlichter zu – mit dem absehbaren Ergebnis, dass außer Show und Dummenpulver fürs Volk nichts geschehen ist. Außer der Maximalforderung a la Selenskij nach Rückzug sämtlicher Putintruppen aus den besetzten Gebieten einschließlich der Krim liegt nichts auf dem Tisch. Gegenüber dem Aggressor herrscht beredtes Nichtstun. Es gibt keinerlei Botschaft, nicht einmal den Versuch, etwas zu versuchen.
Den Amerikanern kann das alles Recht sein. Sie wurden und werden im eigenen Land nie angegriffen, ihre Rüstungskonzerne verdienen glänzend (und bescheren Wachstum) und Russland wird weiter geschwächt. Hinzukommt, dass man Vasallen, solche, die schon mal aufmucken, mit Phrasen auf Kurs bringen kann. Schließlich würden in der Ukraine Demokratie und Freiheit verteidigt. Werte, die freilich einer reaktionären, US-amerikanischen Deutung unterliegen. Was mit Blick auf große Teile der amerikanischen Gesellschaft und ihre Errungenschaften der reine Hohn ist.