Der Sicherheitsrat muss eine Verhandlungslösung erzwingen

Keine Frage: Venezuelas Machthaber wirkt brutal und hilflos, und er scheint unfähig, die Wirtschaft, die Nahrungsmittelknappheit und die Misere im Gesundheitswesen in den Griff zu bekommen. Auch, weil reaktionäre Kräfte aus Latein- und Südamerika und vor allem die USA alles tun, um das rohstoffreiche „HauptKettenglied“ im Linken Verbund ALBA  zu sprengen. Stirbt die linke Regierung in Venezuela, dann geht es auch Kuba, dann geht es auch Nikaragua schlecht, möglicherweise sogar an den Kragen. Denn genau diese „linken Anhängsel“ sind es, die nach Auffassung des Westens – vor allem aber der USA – mit absterben sollen. Der Trend zu rechten Regierungen in Latein- und Südamerika würde gestärkt – viele Errungenschaften zu Gunsten der Armen gingen erneut verloren. In Brasilien werden bereits Hunderte Arztstationen dicht gemacht. Ähnliches dürfte in Kürze auch in den Nachbarstaaten, in Argentinien, Kolumbien etc. Raum greifen. Die Präsidenten, die für die Armen unglaubliche Verbesserungen geschaffen hatten – Kirchner, Lula, Rousseff, Chaves, Mujica, Correa – sind längst abgedrängt. Wir dürften schon in den kommenden Monaten eine Restitution der konservativen Mächte erleben, die ihresgleichen sucht – was nicht nur neues Elend für große Teile der Bevölkerung, sondern vor allem eine weitere Konzentration von Macht und Reichtum für Wenige nach sich ziehen wird. Latein- und Südamerika sind schon jetzt für die extremen Unterschiede bei Vermögen und Einkommen innerhalb der Bevölkerung – also für hohe GINI-Koeffizienten – berüchtigt. Die Welt wird darüber hinaus mit einer weiteren schonungslose Abholzung des brasilianischen Urwalds, mit gefährlichen TiefseeÖlbohrungen, mit dem unheilvollen Fracking, einer weiter anwachsenden, extrem umweltschädlichen Rinderzucht, mit dem massenhaftem Anbau und Export von genmanipulierten Kraftstoffpflanzen und Tierfutter, der Behinderung alternativer Energien etc. rechnen müssen.

Die Parteinahme fast aller deutschen Medien für den selbsternannten „ParallelPräsidenten“ Guaido ist selbst angesichts der in Venezuela herrschenden Not gleichermaßen bezeichnend wie unverständlich. Statt für einen runden Tisch, also für ein Verhandlungslösung zu plädieren, um die Chance einer Kompromisslösung für Venezuela auszuloten, schießt man scharf und befördert die Konfrontation. Allen voran die ARD, die kein Wort darüber verliert, dass die von den USA an der kolumbianischen Grenze postierten Hilfslieferungen als trojanisches Pferd daherkommen. Ausgerechnet die USA, seit vielen Jahrzehnten der Hinterhof-Sklavenhalter Latein- und Südamerikas und nun auch potenzieller, vielleicht sogar militärischer Umstürzler, spielen sich als Helfer auf. Zu dumm, dass Menschen diesen naheliegenden Zusammenhang nicht begreifen. Aber Hunger und fehlende Medikamente treiben den Zorn, und dann entgleist alles. Dennoch: Wäre ich in Venezuela an der Regierung, ich würde Hilfslieferungen von allen anderen 192 UN-Staaten sofort ins Land lassen, aber keine einzige Kiste aus den USA. In diesem Punkt unterstütze ich ganz ausdrücklich die Ergebnisse der letzten Woche. Gleichwohl muss der Sicherheitsrat der UN ein Machtwort sprechen und die Konfliktparteien zu Verhandlungen zwingen.

Was sich heute immer mehr zuspitzt, kann morgen bereits in einen brutalen, großflächigen Bürgerkrieg münden. In einen Krieg, auf den in Stellung gebrachtes US-Militär geradezu wartet. Um die rechten, amerikahörigen Kräfte im Lande ans Ruder zu bringen.