Unwissen breit getreten

 

Eher zufällig bin ich heute auf ein 2009 erschienenes Sonderheft von TELEPOLIS gestoßen – auf ein Heft, mit dem ich mich zum Zeitpunkt seines Erscheinens sicher beschäftigt habe. Dass mir aber – was die Details angeht – nicht mehr geläufig war. Nun, gerade die Einzelheiten haben mich – ob nun erstmalig oder erneut –  schockiert. Vor allem, weil es da um Prognosen geht, die zumindest in Teilen irrwitzig anmuten. Denen man aber trotzdem und im Wissen um die Kurzlebigkeit von Voraussagen ernsthafte Namensschilder verpasst hat https://sebesta-seklit.net/produkt/wie-man-die-unendlichkeit-in-den-griff-bekommt-james-tiptree-jr/.

Es geht um Roboter, die Weltformel, um kollektive Intelligenz – dann aber fast übergangslos um die Zeit in tausend, ach, was sag ich: in tausend mal tausend mal tausend Jahren. Was gar nicht vorkommt, ist die Abwehr von Asteroiden und Kometen, obwohl diese Problematik m. E. die einzig wichtige bei all dem Allgequatsche darstellt.

Dass sich ein Mann wie Rüdiger Vaas anmaßt, über die kommenden Jahrbillionen, über die Überlichtgeschwindigkeit, über Urknall und Endknall, über Wurmlöcher und sogar über Zeitreisen in die Vergangenheit zu schreiben, ist ein Witz. Denn wer das, was zu fast 100% die Geschehnisse im Weltall bestimmt, weder kennt, geschweige denn zu deuten vermag, sollte wohl eher sein Großmaul halten. Oder glaubt ihr, dass so ein Mann die dunkle Materie, die dunkle Energie im Tresor hat?

Ok, Mutmaßungen über Galaxien, schwarze Löcher oder außerirdisches Leben mögen gut verkaufbare Stoffe für Science-Fiction-Filme, für Unterhaltung mit Denkstopp bieten. Doch wenn höchst abartige Beiträge zum Thema Zukunft in einem Sonderheft von TELEPOLIS erscheinen und dort  mehrheitlich den Anstrich von Wissenschaftlichkeit verpasst bekommen, ja dann … wird es echt problematisch.  Denn auch Leute mit mittleren IQ könnten glauben, dass Vaas ihnen etwas erzählt, was tatsächlich mit  Wirklichkeit und Wahrscheinlichkeit zu tun hat. Ich persönlich kann da nur laut auflachen. Denn neben dem Nichtwissen gibt es ja ein Problem, auf das der Autor gar nicht eingeht, nämlich die Begrenzheit des menschlichen Intellekts, ja des Menschen in Gänze. Könnte es nicht  sein, dass der Sapiens mit seinem begrenzten dreidimensionalen Sehen, Denken und Dummsein völlig unfähig ist, die inneren Zusammenhänge von all dem zu erkennen, was ihn all- und galaxienmäßig begleitet?

Da gibt es drei ganz einfache Fragen, die nie jemand beantworten wird: Was war vor dem Urknall, was verbirgt sich hinter der letzten Galaxie und wie unendlich ist … unendlich. Ich will hier nicht Gott bemühen – wobei das jederzeit zulässig wäre – aber Gott liegt tatsächlich sehr viel näher als das, was Hubble oder James Webb  auszuleuchten vermögen.

Die Aussage, dass die Sonne irgendwann zum roten Riesen wird, einen Teil der sie umgebenden Planeten ausglüht, aufsaugt oder  aus der Bahn schleudert, mag Leute zum Staunnen bringen. Und es ist denkbar, dass Leute ihre Koffer packen, weil jemand prophezeit, dass es Zeit ist, die Erde per Generationenraumschiff zu verlassen. Ja, da wird viel Unsinn erzählt. Selbst Hawkin sprach davon, dass die Menschheit irgendwann auswandern müsse. Ob vor oder nach einer Katastrophe, weiß ich nicht. Aber sie müsse …

Mir sagt all das herzlich wenig, weil es mit dem, was uns wirklich bewegen sollte, wenig zu tun hat. Was mich bewegt, ist etwas anderes, nämlich die Tatsache, dass mit all diesen Phantastereien und Horrorgeschichten enorm viel Geld verdient wird – von den Medien, aber auch von Wissenschaftlern, deren Leben nicht ausreicht, einen zusätzlichen Furz Sternenstaub zu gebären.

Telopolis ZUKUNFT findet heute straff seine Fortschreibung. Denn Strukturen und Gesetzmäßigkeiten sind und bleiben, was sie sind: eingefleischt, anpassungsfähig und vererbbar.

Heute beispielweise greife ich in den SPIEGEL, und was lese ich? Dass aus dem endlosen Pool von Rock und Pop mit Hilfe von KI-Geschöpfen wie DeepMind (Google) schon bald  synthetische Klone  geschöpft werden. Songs, die quasi automatisch komponiert und getextet  und – weil sie so vertraut klingen – auch enthusiastsch gefeiert würden.  Damit nicht genug. Autor Matthias Kremp unkt unbeirrt weiter: Es könne gut sein, sagt er, dass es leibhaftige Musiker in Zukunft gar nicht mehr geben müsse („DER  SPIEGEL“ Nr. 2/2024, S. 70 ff.).

OOOOCH! denke ich da.

Schade, dass Kremp weder bei den Literaten, noch bei den Bildenden Künstlern nachgefragt hat. Ob die denn auch aufhören wollten zu existieren ….

bitte anklicken oder Zoom 131!

Quelle: TELEPOLIS special 01/2009