Wir erfahren kaum noch, was in der Welt geschieht. Weil wenige, ideologisch aufgeheizte Themen die Sicht zugießen

Was derzeit in den Medien abgeht, hat mit umfassender und seriöser Berichterstattung nichts zu tun. Es sind immer dieselben Scheinriesen, die beharkt und emotional durchackert werden. Der Blick auf die Gesamtwelt liegt danieder, die Ermüdung ist programmiert. Hinzu kommen einseitige und von Schieflagen geprägte Darstellungen, die schonungslos auf den Konsumenten abgefeuert werden.

CORONA: Überall in Europa steigen die Infektionszahlen. Die Unvernunft regiert, und die Staaten haben Mühe dagegen anzugehen. Dabei hätte allein so einfach sein können. Man hätte nur die 2012 vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) herausgegebene RisikoAnlayse zu Modi Sars Ernst nehmen müssen https://www.freitag.de/autoren/nick-reimer/sie-sagten-schon-corona-voraus.

Flüchtlingslager Moria: Eine Katastrophe ohnegleichen, aber eine, die absehbar war. Europa hat diese Schande bewusst geduldet – mit dem Wissen, dass Nichtstun ohne Schande nicht möglich ist. Europa bringt    im Gegenzug die Willensbekundungen der Städte und Regionen, Flüchtlinge aus Griechenland aufnehmen zu wollen. Ein humanistischer Fingerzeig, der die Schande abschwächen könnte, aber eben ein Fingerzeig bleibt. Denn Seehofer wird in keinem Fall auf das chaotisch wirkende, kaum koordinierbare Angebot eingehen https://www.freitag.de/autoren/elsa-koester/seehofer-bevormundet-uns-kommunen.

So prekär die Lage auf Lesbos auch ist – man darf das gezielte Abbrennen der Unterkünfte nicht mit einer großflächigen Räumung, geschweige denn Totalumsiedlung der Migranten beantworten. Denn eine erfolgreiche Erpressung würde ohne Frage Folgebrände auslösen. Besser gesagt: sie wurden bereits ausgelöst. Es ist mehr als verständlich, dass die Griechen nicht eine einzige Person aus Moria entlassen wollen, und gleichzeitig unbegreiflich, dass die Deutschen eine europäische Gesamtlösung durch nationale Alleingänge konterkarieren wollen. Naive einzelgängerische Humanitätsduselei ist keine Lösung für ein Jahrhundertproblem, ebenso wenig wie ein „Abschrecklager“, in dem Tausende vor sich hinvegetieren.

Ich kann nur erneut betonen, dass es angesichts der in zehn Jahren anstehenden Probleme eine grundsätzlichen Lösung an den MigrationsursacheOrten geben muss. Und zwar so bald wie möglich!

Derzeit wirkt das,         was die EU, was Seehofer & Co anbieten, unzureichend https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/der-plan-moria-2.0.

Grüne und Linke fordern großzügigere Lösung. Die AfD will, dass alles beim Alten bleibt. Was unter dem Strich herauskommt, ist Kurzfrist-Flickwerk. Aber wie mir scheint, im Augenblick das einzig Machbare: Katastrophenhilfe für diejenigen Flüchtlinge, deren Leben bedroht ist (Moria), Übernahme von Flüchtlingen, deren Asylverfahren zu Gunsten eines Aufenthaltes in Europa entschieden wurde (u.a. griechische Inseln insgesamt),         Aufbau eines neuen, menschengerechten und komfortablen Lagers auf Lesbos, strikte und schnelle Durchführung weiterer Asylverfahren mit dem Ziel, die im neuen Lager lebenden Migranten entweder nach Europa zu bringen (Asyl), oder aber abzuschieben (kein Asyl). Hierbei ist die Rückkehr zu Dublin – also die alleinige Verantwortung der EU-GrenzenAnrainer für die Asylverfahren – unbedingt zu vermeiden. Sprich: dieser in den AnrainerStaaten Griechenland, Italien, Malta etc. abzuwickelnde Prozess* muss von allen anderen EU-Ländern personell und finanziell unterstützt werden (hierzu bedarf es der Vertragsform!). Weiterführung der EU-Türkei-Deals (Großzügige Finanzierung der Flüchtlingslager in der Türkei). Schlussendlich dann die Verpflichtung zu „Ersatzleistungen“/alternativ: schmerzhafte Sanktionen für die EU-Länder, die bislang einen solidarischen Beitrag zur Lösung des Flüchtlingsproblems ablehnen (konkrete Leistungen zur Rückführung von abzuschiebenden Migranten*  sowie Engagements bei der Sicherung von EU-Außengrenzen, alternativ: Reduzierung der Fördergelter, Investitionszulagen  etc.).

Eines bleibt unbenommen: Kleine, stückweise „Aufnahmeleien“ mögen die Mitleidigen hierzulande immer mal beruhigen, eine mittel- oder langfristige Lösung stellen sie nicht dar.

Auf keinen Fall darf den wirklichkeitsfremden Vorschlägen von Grünen und Linken entsprochen werden. Deren Protagonisten fehlt durch die Bank der Weitblick – sowohl in ökonomischer als auch in politischer Hinsicht. Sie sprechen von einer humanen Asylpolitik, die dem Bestreben nach Abschottung entgegengestellt werden müsse. Sind sich aber über die Folgen einer solchen Option nicht im Klaren. Wer allen anlandenden Flüchtlingen Tür und Tor öffnen will, nimmt einen dadurch entstehenden gigantischen Sog in Kauf und verurteilt Europa damit nicht nur zur Konfliktzone Nr. 1 (Rechtsextreme gegen den Rest der Gesellschaft), sondern letztlich auch zur ökonomischen Unfähigkeit, weitere strukturierte Hilfe zu leisten (Kapitalauszehrung, Zusammenbruch der Sozialsysteme). Auch die von den europäischen Städten und Regionen angebotene Hilfe darf nur in Abstimmung mit der Gesamtstrategie der Länder, vorrangig im Rahmen einer gesamteuropäischen Flüchtlingslösung gewährt werden. Völlig deplatziert wäre die Fortsetzung der deutschen Vorreiterrolle bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Sie würde die ablehnende Haltung der Aufnahmeunwilligen nur befestigen – nach dem Motto: Ihr habt doch alles getan, was wollt ihr noch von uns?

Auch wenn diese Wertung von AfD-Kreisen okkupiert wird – sie dürfte von einer deutlichen Mehrheit der deutschen Bürger geteilt werden. Mit rechts und purem Egoismus hat das nichts, aber auch gar nichts zu tun! Wohl aber mit langfristigem, ökonomisch fundiertem Denken.

* nach Reform-Plänen der EU-Kommission, die weiterhin auf Asylverfahren an den EU-Außengrenzen beharrt und  einen verpflichtenden Solidaritätsmechanismus durchsetzen will https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-760879.html. Experten  erwarten allerdings ein Scheitern des Vorhabens. Ungarn, Polen und die Slowakei haben bereits protestiert, bevor die Vorschläge ins EU-Parlament gelangt sind.

Weißrussland/Russland/Hongkong: In den betreffenden Konfliktzonen gibt es massive Menschenrechtsprobleme, die der Westen zweifellos benennen muss. So er denn die im eigenen Bereich schwelenden gleichermaßen benennt und verurteilt. Ich nenne nur die USA (gegenüber den Schwarzen, Whistleblowern und Einwanderern im Lande, gegenüber Kuba und Venezuela), die Engländer (5.000 SklavenArbeiterinnen aus den ehemaligen Kolonien in Großbritannien), Australien (rigide Flüchtlingspolitik), Israel (ständig neue Affronts gegen die Palästinenser) etc..

Für alle drei Problemkreise gilt auch, dass der Westen Dissidenten einseitig unterstützt ohne deren Anliegen wirklich deutlich zu machen. Vorrangiges Ziel ist in jedem Fall die Diskreditierung der bestehenden Herrschaftssysteme, die mit dem Westen ökonomisch konkurrieren. Abträglich sind zudem die einseitigen Berichterstattungen, bei denen stets nur die Dissidenten, niemals aber Vertreter der herrschenden Regime zu Wort kommen. Ganz abgesehen von den zuweilen irrwitzigen privaten Videos, die dem Zuschauer aufgedrückt werden, ohne deren Herkunft zu belegen. Klar: Die Regierung Lukaschenkow muss durch eine neue ersetzt werden. Wobei die Interessenvertreter der Demonstranten zu berücksichtigen sind.  Ein Diktator, der die eigenen Landsleute wie Leibeigene behandelt, hat im 21. Jahrhundert nichts zu suchen https://www.freitag.de/autoren/the-guardian/lukaschenko-oder-chaos. Ebenso wenig aber auch die vom Westen kolportierten Kräfte – meist Leute, die in den USA oder in Westeuropa studiert und die   Werte ds eigenen Landes weitgehend vergessen haben.  Es kann niemals unsere Sache sein,  in die Politik von Weißrussland provokativ, ja vielleicht sogar mit militärischem Gerassel einzugreifen?

Ich plädiere grundsätzlich für Nichteinmischung. Die Menschenrechtsbewegungen sind in allen drei Bereichen so stark, dass sie die politischen Verhältnisse allein auf sich gestellt beeinflussen/verändern können und müssen. An den konträren Situationen zwischen China und Hongkong wird kein Land der Welt etwas ändern können. Die Einvernahme durch China ist ebenso programmiert wie die Auswanderung derer, die den Übergangsprozess nicht aushalten wollen/können. Wer die Geschichte von Hongkong kennt, weiß warum die Dinge schief liegen und irgendwann gerade gezogen werden müssen https://programm.ard.de/TV/arte/pures-silber–wie-china-zur-weltmacht-wurde/eid_287243013630766.

Das Menschenrechtsgerede des Westens – vor allem das Europas – wirkt im Sinne von Alibiveranstaltungen geradezu lächerlich. Die Vorreiter hängen sich da ein Ethikmäntelchen um, das eher anderen gebührt. Abgesehen davon, dass Europa keinerlei Mittel in der Hand hat, Russland oder China zu „bändigen“, bricht es ständig die eigene Strategie. Weil kein europäischer Konzern auf den lukrativen Handel mit den Diktatoren verzichten will.    Der politisch indifferenten Bevölkerung wird dabei ein weißer Ritter vorgegaukelt, der den Unterdrückten zu Hilfe eilt. Dem man aber in einem unbeobachteten Moment das Schwert zerbrochen hat.

Der Fall Nawalny: Wer ist Nawalny und welche Politik verfolgt er? Ist er ein Rechtsextremer, ein Aufwiegler um des Aufwiegelns Willen, ein Patriot, der Russland in die Demokratie führen will oder ein Parteigänger des Westens, der Russland filetieren möchte? Wie sieht sein Programm aus? https://digital.freitag.de/3720/der-impuls-ist-verstaendlich/. Wir, die Medienkonsumenten, müssen mit dem klar kommen, was uns ARD und FAZ servieren. Was mit einiger Sicherheit feststeht: Nawalny wurde vergiftet, was zweifellos ein Verbrechen ist. Von russischer Seite aber bestritten wird. Wenn Vergiftung: Wo und wann fand sie statt. Wer hat sie durchgeführt? Wer ist in der Lage, in kürzester Zeit ein Spezialflugzeug bereitzustellen, um es an den russischen Institutionen vorbei nach Berlin zu delegieren? Welche Kräfte agieren da im finsteren, rechtsfreien oder doch freien Raum? Fest steht, dass die Vergiftung in Russland stattgefunden hat und deshalb auch dort aufgeklärt werden muss. Fest steht auch, dass diejenigen, die die Vergiftung festgestellt haben, nicht bereit sind, die Analyseergebnisse vollinhaltlich bekannt zu geben. Und auch nichts tun, um eine unabhängige internationale Untersuchung zu ermöglichen. Wem nützt die Vergiftung Nawalnys, muss man wohl fragen, wenn man plausible Anworten erwartet. Hier im Westen wird diese Frage garnicht erst gestellt. Man braucht wohl ein bashingtaugliches Ergebnis …

Nord Stream 2 mit dem Fall Nawalny zu verknüpfen, ist mehr als hirnrissig.  Wer das Projekt jetzt stoppen will, muss voll blind sein. Sollen 90% der Ausrüstungen im Meer verrotten? Soll der deutsche Steuerzahler für die Verluste der beteiligten Firmen aufkommen? Die Kritik an der Gasleitung hätte vor dem ersten Spatenstich erfolgen müssen. Doch erst heute wird ernergisch danach gefragt, ob wir das Gas überhaupt brauchen. Claudia Kemfert sagt NEIN!

https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/am-tiefpunkt-1

https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/weder-moskau-noch-washington