Zur falschen Zeit am falschen Ort – DIE ZEIT sekundiert

Wenn Hamed Abdel-Samad  Mohamed als gefährlichen Propheten bezeichnet, einen Menschen, der sich selbst überschätzt habe, von Paranoia verfolgt war, kritikunfähig dahinregierte und stets zum Beleidigtsein neigte (DIE ZEIT, 17. September 2015), dann ist klar, dass an dieser Stelle eine massive, nie endende Konfrontation aufgebaut wird. Das würde auch gelten, wenn solche Eigenschaften durch eine verantwortungsbewusste Geschichtsschreibung überliefert wären. Doch was ist schon verantwortungsbewusst. Wir können davon ausgehen, dass die Bibel unzählige Male nach dem Gusto der jeweils herrschenden Kirchenfürsten umgeschrieben und damit natürlich verfälscht wurde. Mit höchster Wahrscheinlichkeit ist Entsprechendes auch mit dem Koran geschehen. Gleichwie: Würde heute – nach den Maßstäben von Abdel-Samad – eine „Durchleuchtung“ von Jesus vorgenommen, dann ständen die Christen Kopf. Denn Jesus kam auch nicht nur barmherzig, sondern oft genug mit dem Schwert daher. Was – ähnlich wie die ins Feld geführten Aufrufe Mohameds – Kriege ohne Ende generierte. Man denke nur an die Kreuzzüge, den Dreißigjährigen Krieg etc..
Was ich sagen will: Wer ähnlich wie Carlie Hebdo dem Propheten auf den Kopf spuckt, statt eine glaubwürdige Diskussion mit den religiösen Gegnern zu führen (und diese auch in Rede und Gegenrede zu dokumentieren), wird weder die Masse der Muslime, noch mich überzeugen. Wer sagt mir denn, ob die Vorwürfe, die Abdel-Samad erhebt, tatsächlich berechtigt sind – und keine Geschichtsklitterung, respektive: keine wütende Reaktion auf seine, die eigene Ausgrenzung darstellen? Natürlich muss uns ein Mohamed, der seine Untertanen auf Tiefste indoktriniert, zu sklavischem Gehorsam verpflichtet und in endlose Kriege geführt hat, zuwider sein. Doch genau dasselbe gilt für diejenigen, die pro Christentum Millionen von Menschen zwangsmissioniert und ermordet haben. Religionen waren und sind stets mit Gier und Machtwahn, also urmenschlichen Eigenschaften, liiert. Kein Wunder, wenn Entgleisungen vorprogrammiert sind.
Doch worum geht es wirklich? Darum, dass sich die Protagonisten der großen Religionen nicht nur um eine zeitgemäße Auslegung von Koran und Bibel bemühen, sondern jeglichen Willen zur Auslöschung der jeweils „gegnerischen“ Religionen (und der dazu gehörenden Menschen) aufgeben müssen. Die Vertreter aller Religionen sollten sich heute bemühen, Frieden zu stiften, Sicherheit/Geborgenheit zu vermitteln und Barmherzigkeit zu üben. Das ist mit Blick auf die gegenwärtige Flüchtlingswelle besonders wichtig. Was nämlich sollen Syrer und Iraker denken, wenn ihnen mit Abdel-Samad die blanke Wut, sprich: die totale Infragestellung ihrer religiösen Grundlagen entgegenschlägt? Beispielsweise bei Youtube – und ausgerechnet mit der Silhouette von New York (???) im Nacken. Man muss sich mit dem Koran auseinandersetzen. Richtig. Man muss die Bibel (auf dieselbe kritische Weise) auseinandernehmen. Richtig. Man muss Kirche und Staat konsequent trennen und Glaubens- wie Unglaubensfreiheit garantieren. Auch richtig. Was man auf keinen Fall tun sollte: Menschen wie Abdel-Samad blind vertrauen. Mir scheint, er ist zum (manipulierten) Gegenstück der islamistischen Hassprediger geworden, zu einem Menschen, der seinen Glaubensbrüdern jegliche Hoffnung nimmt, dass der Islam irgendwo OK sein könnte. Das ist intolerant, das ist idiotisch!