Baselitz nennt DDR-Künstler schon mal Arschlöcher

preview00_detailEs ist schon ärgerlich wie der Spiegel in immer neuen Kolumnen über die DDR-Kunst, und so auch über einen ihrer Nachfolger – Michael Triegel – herzieht http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/kunst-reaktionaer-triegel-so-sieht-der-papst-sich-gern-a-731380.html . So dumm und unausgewogen habe ich das nur selten erlebt http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-89079822.html. Offenbar sind die Autoren auf beiden Augen blind – zumindest vom eigenen Zerrbild, resp. von der Hetze  benachbarter Massenmedien vereinnahmt. Zu kurz gefasst, zu wenig studiert und vor allem nicht dort gelebt – mehr fällt mir dazu nicht ein.

 
Zwei der ganz großen Maler – Werner Tübke und Wolfgang Mattheuer sind jetzt seit 10 Jahren tot. Einige andere (Sitte, Womacka etc.) starben zwischen 2010 und 2013. Doch die zurückgelassenen Werke – vom Westen oft als kommunistische Auftragskunst gebrandmarkt – sind alles andere als Abraum. Oft handelt es sich um große Kunst. Natürlich gab und gibt es auf ostdeutschen Leinwänden und in ostdeutschen Malermappen – wie überall auf der Welt – auch Durchschnittsprodukte, viel Kitsch und billigen Kram. Aber davon spreche ich nicht. Ich sehe z. B. die Leipziger Schule, die nicht nur Tübke und Triegel sondern auch Neo Rauch hervorgebracht hat. Im deutsch-deutschen Dialog hat das wenig Stellenwert. Hier wird schnell mal über den Kamm geschert und diskreditiert. Bestes Beispiel: Georg Baselitz. Er nennt die  DDR-Künstler schon mal Arschlöcher http://www.monopol-magazin.de/ansto%C3%9Fen-im-kopfstand. Fragt sich, was dann ER war (ist), wenn man seine oft tristen Exponate, seine Arroganz und seine Steuerbetrügereien dagegenstellt http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-94139226.html. Auch Richter scheint mir eher überbezahlt als wirklich bedeutend. Gewiss, da gibt es ein paar schöne Unschärfen-Arbeiten. Wenn ich allerdings an die sieben Tafeln in Grau denke, frage ich mich, wo der Unterschied ist – zwischen einem späten Picasso, der nachts mit dem Pinsel gegen die Leinwand anrannte (das wurde ein hoch bezahltes Werk!) und einem Maler, der große Flächen uni anpinselt.
Diese Kritik ist unvollständig, von Empörung bestimmt und sicher auch oberflächlich. Doch im Kern dürfte sie genau dahin treffen, wo es stinkt, wo Zuspitzung nottut, um das Verallgemeinerbare deutlich zu machen.
Jeder weiß schließlich, dass der deutsche (und internationale) Kunstbetrieb immer mehr aus den Fugen gerät. Wie sagte Felix Droese Anfang Dezember so schön? „Die Nobilitierung von Kunst, die Wertschätzung, die Liebe, das ist schon lange nicht mehr so wichtig wie Spekulation und Kaufpreis.“ http://www.rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/kultur/die-wutrede-des-kuenstlers-felix-droese-aid-1.4717775. Und tatsächlich übertreffen die bei Christie‘s & Co. erzielten Gebote alles nur Denkbare. Dass hier eine ARTlose Blase entsteht, ist angesichts der seit Jahren anhaltenden Flucht ins Materielle offensichtlich. Auch die Warhol-Verkäufe aus dem NRW-Spiel-Casinos bestätigen den Trend http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/westspiel-versteigert-andy-warhol-bilder-fuer-rekordsumme-a-1002625.html.
Ich bin ganz sicher, dass erwähnte Blase irgendwann platzen wird. Spätestens dann, wenn Bilder gegen Brot und Fleisch getauscht werden müssen. Soweit sind wir freilich nicht. Gottlob. Doch die Vorzeichen stehen, und sie drohen auch anderweitig. Immerhin ist unklar, an welche Wände die noch entstehenden Bilder der kommenden 50 oder 100 Jahre gepinnt werden sollen. In den zurückliegenden Jahrhunderten gab es – vor allem auch in Europa – heftigste Kriege, die immer mal zerstörten, was Maler so fabrizierten. Heute – nach 69 Jahren im Frieden – sind die Wände voll und wenige Sammler/Kunstfreunde kippen ihre „BisdahinLieblinge“ in den Keller, um neue Werke an ihre Stelle zu hängen. Wir hoffen auch künftig auf Frieden und sehen dem aufkommenden Stau mit Bedauern entgegen. Nicht nur, dass es den Künstlern immer schwerer fallen wird, ihre Kunst zu verkaufen. Diese Leute dürften auch immer weniger auf die Feinsinnigkeit der Menschen hoffen, die im Beschleunigungsrausch der Postmoderne weniger vor der Kunst als vor dem künstlich Geschaffenen auf dem Bauch liegen. IT und Co. und die mit ein paar Tastenklicken erzielten Machwerke werden dominieren. Manch biederer Bürger wird sich schnell als Selfi-/Behelfi-Künstler verstehen, der wirkliche Kunst nicht braucht.

 
Noch zwei TIPPs:
Tübke und Triegel in der Kunsthalle Rostock: http://www.kunsthallerostock.de/tuebke-triegel.html
Kunst der DDR in Übersichten:
http://www.bildatlas-ddr-kunst.de/rooms/

Bild oben: EUROPA (Werner Tübke)